Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 24. Juni 2015
Aktenzeichen: 7 B 15.252

(Bayerischer VGH: Urteil v. 24.06.2015, Az.: 7 B 15.252)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Urteil entschieden, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtmäßig ist. Die Klägerin hatte gegen den Bescheid des Beklagten geklagt, der einen rückständigen Betrag von 64,04 Euro festsetzte. Die Klägerin argumentierte, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine ungerechte Zwangsabgabe handele und sie in ihrer Entscheidungsfreiheit verletzt werde, da sie keinen Fernseher besitzt und das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nutzen möchte. Das Gericht wies die Klage ab und führte aus, dass der Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß sei und nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit und den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Es handle sich nicht um eine Steuer, sondern um eine nichtsteuerliche Abgabe, die dazu diene, die Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu decken. Die Anknüpfung an das Innehaben einer Wohnung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da das Programmangebot des Rundfunks für jede Person in ihrer Wohnung zugänglich sei. Der Einwand der Klägerin, die Erhebung des Rundfunkbeitrags verstoße gegen ihre Menschenwürde und ihr Eigentumsrecht, wurde vom Gericht ebenfalls zurückgewiesen. Das Gericht ließ die Revision zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wurde auf 64,04 Euro festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Bayerischer VGH: Urteil v. 24.06.2015, Az: 7 B 15.252


Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Erhebung des Rundfunkbeitrags.

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. November 2013, der für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis 31. Juli 2013 einen rückständigen Betrag in Höhe von 64,04 Euro (56,04 Euro Rundfunkbeitrag und 8 Euro Säumniszuschlag) festsetzt. Der Bescheid berücksichtigt die Zahlungen, welche die Klägerin für das von ihr genutzte Radiogerät auch weiterhin zu zahlen bereit ist. Einen Fernseher besitzt die Klägerin nach eigenen Angaben nicht.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat die gegen den Bescheid gerichtete Klage mit Urteil vom 13. August 2014 abgewiesen. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags, die den Vorgaben des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags entspreche, begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 über die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit der Bayerischen Verfassung werde verwiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 1. November 2013 aufzuheben.

Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine Zwangsabgabe in Gestalt einer Steuer, bei welcher der Nutzer keine Möglichkeit habe, einzuwenden, dass er das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt nicht nutzen wolle. Die unterschiedslose Belastung aller Haushalte, unabhängig davon, ob Rundfunkempfangsgeräte vorhanden seien oder nicht, sei ungerecht. Dies hätten auch die Landesrundfunkanstalten erkannt, weil nach einer neuen Verwaltungspraxis €Lauben, Datschen und Wochenendhäuser€ eine pauschale halbjährliche Beitragsbefreiung erhielten. Die Klägerin fühle sich auch in ihrer Entscheidungsfreiheit verletzt, keinen Fernseher besitzen zu wollen. Die Klägerin, die lediglich eine geringe Rente erhalte, aufgrund vorhandenen geringen Vermögens jedoch nicht berechtigt sei, Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, sei durch die Erhebung des erhöhten Rundfunkbeitrags in ihrer Menschenwürde verletzt sowie in ihrem Eigentumsrecht, weil sie den Rundfunkbeitrag von ihrem Sparguthaben bestreiten müsse.

Der Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils. Die Pflicht zur Zahlung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (§ 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags [RBStV] in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.6.2011 [GVBl S. 258; BayRS 2251-17-S]) ist verfassungsgemäß.

a) Der Rundfunkbeitrag verstößt nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Grundrecht der Klägerin, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einer Abgabe belastet zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 26.5.1976 € 2 BvR 995/75 € BVerfGE 42, 223), ist auch dann beachtet, wenn der Rundfunkbeitrag unabhängig davon erhoben wird, ob die Klägerin in ihrer Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit hält oder nicht. Damit ist auch unerheblich, ob die Klägerin in ihrer Wohnung nur ein Hörfunkgerät und nicht auch ein Fernsehgerät zum Empfang bereithält. Auf die Nutzungsabsichten und Nutzungsgewohnheiten der Klägerin kommt es bei der Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht an.

aa) Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um eine Steuer, sondern um eine nichtsteuerliche und in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallende Abgabe (Beitrag).

(1) Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung ("voraussetzungslos") zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden. Für eine Steuer ist somit wesentlich, dass sie ohne Gegenleistung erhoben wird (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 25.6.2014 € 1 BvR 668/10 u.a. € NVwZ 2014, 1448; B.v. 26.5.1976 € 2 BvR 995/75 € BVerfGE 42, 223). Abgaben, die einen individuellen Vorteil ausgleichen sollen, sind als Vorzugslasten zulässig. Darunter fallen Gebühren und Beiträge. Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Das gilt entsprechend für Beiträge, die im Unterschied zu Gebühren schon für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben werden (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 25.6.2014 € 1 BvR 668/10 u.a. € NVwZ 2014, 1448).

(2) Der Rundfunkbeitrag, der € wie schon die frühere Rundfunkgebühr € dem der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegenden Bereich des Rundfunks zuzuordnen ist (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 22.8.2012 € 1 BvR 199/11 € NJW 2012, 3423), erfüllt die an die Erhebung einer Abgabe in Gestalt eines Beitrags zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Er dient nach § 1 RBStV der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV und fließt damit nicht in den allgemeinen staatlichen Haushalt. Er wird im Gegensatz zu einer Steuer nicht €voraussetzungslos€ geschuldet, sondern als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Weil er ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten und -absichten verlangt wird, also für die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ist er eine Vorzugslast in Gestalt des Beitrags und durch die mit ihm verfolgten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs legitimiert (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 € Vf. 8-VII-12 u.a. € NJW 2014, 3215 = BayVBl 2014, 688, 723).

bb) Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung, unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Das Bundesverfassungsgericht hat als die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung in ständiger Rechtsprechung die €Gebührenfinanzierung€ als Vorzugslast anerkannt (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 22.8.2012 € 1 BvR 199/11 € BVerfGK 20, 37 m.w.N.). Die Gebührenfinanzierung erlaubt es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. In der ungeschmälerten Erfüllung dieser Funktion und in der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System findet die Gebührenfinanzierung ihre Rechtfertigung (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 22.2.1994 € 1 BvL 30/88 € BVerfGE 90, 60 m.w.N.). Schon die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren war von den tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten des Rundfunkteilnehmers unabhängig. Als Rundfunkteilnehmer galt bereits derjenige, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithielt (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags [RGebStV] in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [BayRS 2251-14-S; GVBl S. 561], zuletzt geändert durch Art. 6 des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 5.5.2009 [GVBl S. 193]).

(2) Auch bei der Erhebung des Rundfunkbeitrags kommt es auf die tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten des Beitragspflichtigen in Bezug auf das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht an. Der Wechsel des Anknüpfungstatbestands vom bisherigen Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts zum Empfang hin zum nunmehr geforderten Innehaben einer Wohnung ist dadurch veranlasst, dass mit der technischen Entwicklung neuartiger Rundfunkempfangsgeräte, die Rundfunkprogramme z.B. über Angebote aus dem Internet wiedergeben können (vgl. § 5 Abs. 3 RGebStV), der bisherigen Gebührenfinanzierung ein strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit drohte, weil das Bereithalten derartiger Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang (neben oder anstelle herkömmlicher Rundfunkempfangsgeräte wie Hörfunk- und Fernsehgeräten) nur unvollständig ermittelt und überprüft werden konnte und deshalb Anreize zur €Flucht aus der Rundfunkgebühr€ bot (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 22.8.2012 € 1 BvR 199/11 € BVerfGK 20, 37). Das an das Innehaben einer Wohnung typisierend und pauschalierend anknüpfende Modell des Rundfunkbeitrags vereinfacht demgegenüber das Erhebungsverfahren deutlich, weil sich die Ermittlung von Art und Zahl der (herkömmlichen oder neuartigen) zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte nunmehr erübrigt. Damit wird auch die bisher von behördlichen Ermittlungen beeinträchtigte Privatsphäre der Bürger besser geschützt. Ermittlungen €hinter der Wohnungstür€ entfallen. Das stellt einen gewichtigen Gemeinwohlbelang dar, zumal es zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlagen der Abgabenerhebung führen kann, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg verfehlt wird (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 € Vf. 8-VII-12 u.a. € NJW 2014, 3215 = BayVBl 2014, 688, 723 m.w.N.).

(3) Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung ist sachgerecht.

Die Rundfunkfreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Die gesetzlichen Regelungen sollen es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglichen, seinen klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst. Nur wenn dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dies gelingt und er im publizistischen Wettbewerb mit den privaten Veranstaltern bestehen kann, ist das duale System in seiner gegenwärtigen Form, in der die privatwirtschaftlich finanzierten Programme weniger strengen Anforderungen unterliegen als die öffentlich-rechtlichen, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in der dualen Rundfunkordnung gehört die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung. Dies hat sich im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert (vgl. BVerfG, U.v. 11.9.2007 € 1 BvR 2270/05 u.a. € BVerfGE 119, 181).

Weil das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgrund des gesetzlichen Auftrags an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien [Rundfunkstaatsvertrag € RStV]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [BayRS 2251-6-S; GVBl S. 502], zuletzt geändert durch Art. 3 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 7. Juni 2011 [GVBl S. 258]), innerhalb der Gesellschaft jedem Einzelnen zugutekommt, ist grundsätzlich auch jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beteiligen. Auf die Möglichkeit der demokratischen Teilhabe am Prozess der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung kann der Einzelne nicht verzichten.

Das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann (mittels herkömmlicher oder neuartiger Rundfunkempfangsgeräte) in ganz Deutschland flächendeckend und von jedermann € sowohl innerhalb als auch außerhalb einer Wohnung € empfangen werden. Typischerweise besteht damit auch für jede Person in ihrer Wohnung die regelmäßig auch genutzte Möglichkeit zum Rundfunkempfang. Dass der beitragspflichtige Personenkreis der (volljährigen) Wohnungsinhaber (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV) sehr groß ist, ist abgabenrechtlich unerheblich. Denn die Breite der Finanzierungsverantwortung korrespondiert mit der Größe des Adressatenkreises, an den sich das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks richtet (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 € Vf. 8-VII-12 u.a. € NJW 2014, 3215 = BayVBl 2014, 688, 723). Der Rundfunkbeitrag € ebenso wie zuvor die Rundfunkgebühr € gilt daher unverändert den individuell bestehenden Vorteil der jederzeitigen Möglichkeit des Rundfunkempfangs ab. Dies kommt im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, der den Zweck des Rundfunkbeitrags und den Anknüpfungstatbestand für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags ausdrücklich nennt, auch hinreichend klar zum Ausdruck.

Der Begriff der Wohnung ist im Gesetz hinreichend klar definiert (§ 3 RBStV). Dass im Einzelfall € etwa bei Lauben, Datschen und Wochenendhäusern € zweifelhaft sein kann, ob diese Raumeinheiten Wohnungen im Sinne des Gesetzes sind, etwa weil sie nicht (dauerhaft) zum Wohnen oder Schlafen geeignet sind oder genutzt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RBStV) oder weil sie möglicherweise Bauten nach § 3 des Bundeskleingartengesetzes sind (§ 3 Abs. 1 Satz 3 RBStV), ändert an dieser Beurteilung nichts.

Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin, einen Fernseher nicht besitzen zu wollen, wird im Übrigen durch die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht beeinträchtigt.

(4) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, dass dem einzelnen Wohnungsinhaber zur Vermeidung der Beitragspflicht der Nachweis erlaubt wird, in dem durch seine Wohnung erfassten Haushalt werde das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht empfangen. Insbesondere muss der Gesetzgeber nicht an der für die frühere Rundfunkgebühr maßgeblichen Unterscheidung festhalten, ob und welche Art von Empfangsgerät (Hörfunk- oder Fernsehgerät) zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht.

Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Abgabenrecht der Grundsatz der Belastungsgleichheit. Bei der Auswahl des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber allerdings einen weitreichenden Gestaltungsspielraum, der sich nicht nur auf das €Wie€, sondern auch auf das €Ob€ der Abgabepflicht erstrecken kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abgabengesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben abgabenrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und können dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Es ist auch ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt und von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen entlastet wird (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 25.6.2014 € 1 BvR 668/10 u.a. € NVwZ 2014, 1448).

Aufgrund der technischen Entwicklung der elektronischen Medien im Zuge der Digitalisierung hat das Bereithalten eines Fernsehers oder Radios als Indiz für die Zuordnung eines Vorteils aus dem Rundfunkangebot spürbar an Überzeugungs- und Unterscheidungskraft eingebüßt. Rundfunkprogramme werden nicht mehr nur herkömmlich € terrestrisch, über Kabel oder Satellit € verbreitet, sondern im Rahmen des für neue Verbreitungsformen offenen Funktionsauftrags zugleich auch in das Internet eingestellt. Aufgrund der Vielgestaltigkeit und Mobilität neuartiger Rundfunkempfangsgeräte ist es nahezu ausgeschlossen, das Bereithalten solcher Geräte in einem Massenverfahren in praktikabler Weise und ohne unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre verlässlich festzustellen, zumal sich individuelle Nutzungsgewohnheiten und Nutzungsabsichten jederzeit ändern können. Deshalb darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die effektive Möglichkeit der Programmnutzung als abzugeltender Vorteil allgemein und geräteunabhängig besteht. Da der Beitragstatbestand im Regelfall einfach und anhand objektiver Kriterien festgestellt werden kann, beugt die Typisierung zudem gleichheitswidrigen Erhebungsdefiziten oder Umgehungen und beitragsvermeidenden Gestaltungen vor, wie sie durch weitere Differenzierungen zwangsläufig hervorgerufen würden. Er dient damit auch einer größeren Abgabengerechtigkeit (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 € Vf. 8-VII-12 u.a. € NJW 2014, 3215 = BayVBl 2014, 688, 723).

Die Härten, die mit der typisierenden Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an eine Wohnung einhergehen, sind für die Betroffenen in ihren finanziellen Auswirkungen von monatlich derzeit 17,50 Euro (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag [RFinStV] in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [BayRS 2251-15-S; GVBl S. 566], zuletzt geändert durch Art. 1 des Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 16.3.2015 [GVBl S. 26]) nicht besonders intensiv. Sie halten sich, zumal in § 4 RBStV Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen für den Fall fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vorgesehen sind, unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit im Rahmen des Zumutbaren. Die Höhe des Rundfunkbeitrags bleibt auch mit Blick auf diejenigen Personen, die das Programmangebot nicht nutzen (wollen) und früher mangels Empfangsgeräts überhaupt keine oder nur eine niedrigere Rundfunkgebühr zahlen mussten, in einer moderaten Höhe, die durch die Ausgleichsfunktion des Rundfunkbeitrags gerechtfertigt ist (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 € Vf. 8-VII-12 u.a. € NJW 2014, 3215 = BayVBl 2014, 688, 723).

b) Der Einwand der Klägerin, die Erhebung des Rundfunkbeitrags verletze ihre Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und ihr Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG), greift nicht durch.

Der aus der Achtung und dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip herzuleitenden Verpflichtung des Staates, jenes Existenzminimum zu gewährleisten, das ein menschenwürdiges Dasein ausmacht (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 12.5.2015 € 2 BvR 2954/10 € juris Rn. 25), hat der Gesetzgeber durch die in § 4 RBStV vorgesehenen und auch an fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfenden Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen hinreichend Rechnung getragen.

Ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht erkennbar, weil die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags nur das Vermögen der Klägerin betrifft, nicht jedoch an von der Rechtsordnung anerkannte einzelne Vermögensrechte anknüpft (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 1.10.2012 € 1 BvR 3046/11 € juris Rn. 5).

c) Sonstige Verstöße gegen Grundrechte der Klägerin oder gegen europarechtliche Bestimmungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 € Vf. 8-VII-12 u.a. € NJW 2014, 3215 = BayVBl 2014, 688, 723).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

3. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf 64,04 Euro festgesetzt.

(§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG)






Bayerischer VGH:
Urteil v. 24.06.2015
Az: 7 B 15.252


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/6a879ee74725/Bayerischer-VGH_Urteil_vom_24-Juni-2015_Az_7-B-15252




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