Bundesgerichtshof:
Urteil vom 23. Oktober 2008
Aktenzeichen: I ZR 197/06

(BGH: Urteil v. 23.10.2008, Az.: I ZR 197/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Ein Rechtsanwalt könnte die Inhaltsangabe wie folgt formulieren:

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um eine Klage des Verbands Wirtschaft im Wettbewerb gegen die Beklagte, die in Velbert einen Fachmarkt für elektrische und elektronische Geräte betreibt. Der Kläger hält die Werbung der Beklagten für wettbewerbswidrig, da ein beworbener Camcorder nicht als Auslaufmodell gekennzeichnet war. Das Landgericht gab der Klage statt, während das Berufungsgericht die Klagebefugnis des Klägers verneinte und die Klage abwies. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Das Berufungsgericht hatte die Klagebefugnis des Klägers verneint, da seiner Ansicht nach die Anzahl der Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, nicht ausreichte. Das Berufungsgericht bezog dabei den Raum Velbert, Wuppertal, Duisburg, Mülheim an der Ruhr und Essen in die Prüfung ein. Der Bundesgerichtshof stellte jedoch fest, dass es für die Bewertung der Klagebefugnis allein auf die Geschäftstätigkeit der Beklagten in Velbert ankommt und nicht auf die Gemeinschaftswerbung mit den anderen Märkten. Zudem hielt er die Anzahl der Mitglieder des Klägers, die auf dem relevanten Markt tätig sind, für ausreichend, um die Klagebefugnis zu bejahen.

Das Berufungsgericht muss nun im wiedereröffneten Verfahren überprüfen, ob die beanstandete Werbung der Beklagten irreführend ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Urteil v. 23.10.2008, Az: I ZR 197/06


Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt in Velbert einen Fachmarkt für elektrische und elektronische Geräte. Sie warb zusammen mit zum selben Konzern gehörenden Märkten in Duisburg, Essen und Mülheim an der Ruhr am 30. Januar 2002 in einer Zeitungsbeilage für einen Camcorder. Der Kläger, der Verband Wirtschaft im Wettbewerb, Düsseldorf, hält diese Anzeige für wettbewerbswidrig, weil das Gerät nicht als Auslaufmodell gekennzeichnet war.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klagebefugnis des Klägers verneint und die Klage abgewiesen. Der Senat hat dieses Urteil aufgehoben, weil die Gesellschafter der R. KG entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bei Beurtei- lung der Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu berücksichtigen seien (BGH, Urt. v. 18.3.2006 - I ZR 103/03, GRUR 2007, 610 = WRP 2007, 778 - Sammelmitgliedschaft IV).

Nach Zurückverweisung hat das Berufungsgericht die Klage erneut als unzulässig abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klagebefugnis erneut verneint, weil dem Kläger keine erhebliche Zahl von Unternehmen angehöre, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte vertrieben. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Wegen der Reichweite der beanstandeten Werbung seien in den räumlich relevanten Markt neben Velbert und Umgebung auch der Raum Wuppertal sowie, weil die Beklagte mit der Gemeinschaftswerbung auch Beihilfe zur wettbewerbswidrigen Werbung ihrer Schwestergesellschaften leiste, die Umgebung von Duisburg, Mülheim an der Ruhr und Essen einzubeziehen. Sachlich sei der Markt auf die Branche der Unterhaltungselektronik (insbesondere Foto, Film) beschränkt. Auf dem so abgegrenzten Markt vertrete der Kläger auch unter Einbeziehung der Gesellschafter der R. KG lediglich die Interessen von 21 Unternehmen. Angesichts der Fläche und der erheblichen Bevölkerungszahl des fraglichen Raums, die auf eine Vielzahl von Betrieben in der relevanten Branche schließen lasse, sei diese Anzahl von Unternehmen für sich allein zur Bejahung der Klagebefugnis zu gering. Zur Bedeutung und zum Umsatz seiner mittelbaren und unmittelbaren Mitglieder habe der Kläger nichts ausgeführt.

II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat das Kriterium der "erheblichen Zahl von Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben" (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.), fehlerhaft ausgelegt.

1. Den sachlich relevanten Markt hat das Berufungsgericht zwar zutreffend auf die Branche der Unterhaltungselektronik (insbesondere Foto, Film) beschränkt. Die Abgrenzung des räumlich relevanten Markts hält aber revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit es die Umgebung von Duisburg, Mülheim an der Ruhr und Essen einbezogen hat. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte den beworbenen Camcorder auch in der Umgebung von Duisburg, Mülheim an der Ruhr und Essen und damit in Gebieten absetzen konnte, in denen die anderen an der beanstandeten Werbung beteiligten M. -Märkte ansässig sind.

Der Kläger wendet sich nur gegen die Werbung der Beklagten, die ihren Fachmarkt in Velbert betreibt. Zur Bestimmung des für die Prüfung der Klagebefugnis räumlich relevanten Marktes kommt es allein auf die Geschäftstätigkeit der Beklagten an (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1997 - I ZR 69/95, GRUR 1998, 489, 491 = WRP 1998, 42 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III; Urt. v. 20.10.1999 - I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 620 = WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; Urt. v. 5.10.2000 - I ZR 237/98, GRUR 2001, 260, 261 = WRP 2001, 148 - Vielfachabmahner). Das Berufungsgericht hat - von den Parteien unbeanstandet - angenommen, dass ein Interessent, der sich für den Besuch eines M. -Marktes entscheide, im Allgemeinen den nächstgelegenen Markt aufsuchen werde und dass es jedenfalls hinsichtlich der Waren, die Gegenstand der beanstandeten Werbung gewesen seien, keinen nennenswerten Wettbewerb unter den verschiedenen M. -Märkten gebe, wenn diese Waren - wie im Streitfall - von den in der Anzeige genannten Märkten zum selben Preis beworben würden; ein etwa in der Nähe des M. -Marktes Duisburg wohnen- der Verbraucher werde sich daher nicht zu der Beklagten begeben. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Für die Prüfung der Klagebefugnis ist unerheblich, ob sich an der beanstandeten Werbung auch in anderen räumlich relevanten Märkten tätige Unternehmen beteiligen. Eine an sich bestehende Klagebefugnis kann nicht deshalb entfallen, weil das wettbewerbswidrig werbende Unternehmen die Werbung gemeinsam mit in anderen räumlich relevanten Märkten tätigen Unternehmen durchführt. Das werbende Unternehmen hätte es sonst in der Hand, die Klagebefugnis von Verbänden durch Gemeinschaftswerbung zu beseitigen, obwohl die durch seine Werbung eintretende Beeinträchtigung wettbewerblich geschützter Interessen nicht davon abhängt, ob eine individuelle oder eine Gemeinschaftswerbung vorliegt.

Demgegenüber konnte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung den Wuppertaler Bereich, aus dem kein M. -Markt an der Gemein- schaftswerbung teilgenommen hat, in den räumlich relevanten Markt einbeziehen.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verfügt der Kläger nach seinem Vortrag im Raum Velbert/Wuppertal über eine für die Klagebefugnis ausreichende Zahl von Mitgliedern. Der Kläger hat danach in diesem relevanten Raum ein unmittelbares Mitglied und - vermittelt über die R. KG - acht mittelbare Mitglieder. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass diese Gesamtzahl von neun Mitgliedern angesichts der hohen Gesamtbevölkerungszahl des fraglichen Gebiets und der daraus zu schließenden Anzahl von Betrieben nicht für die Klagebefugnis ausreiche.

Erheblich i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen - bezogen auf den maßgeblichen Markt - in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Wie der Senat nach Erlass des zweiten Berufungsurteils klargestellt hat, kann dies auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein (BGH, Urt. v. 1.3.2007 - I ZR 51/04, GRUR 2007, 809 Tz. 15 = WRP 2007, 1088 - Krankenhauswerbung; Urt. v. 16.11.2006 - I ZR 218/03, GRUR 2007, 610 Tz. 18 = WRP 2007, 778 - Sammelmitgliedschaft V). Darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht entscheidend an (BGH GRUR 2007, 809 Tz. 15 - Krankenhauswerbung). Dies ergibt sich schon daraus, dass andernfalls die Klagebefugnis von Verbänden auf oligopolistischen Märkten unangemessen eingeschränkt würde. Anders als das Berufungsgericht meint, ist die Gesamtzahl der in der Branche tätigen Unternehmen und deren Marktbedeutung daher nicht von entscheidender Bedeutung. Ebenso wenig brauchte der Kläger zu Bedeutung und Umsatz seiner (mittelbaren oder unmittelbaren) Mitglieder vorzutragen. Dem Zweck des Gesetzes, die Klagebefugnis der Verbände auf Fälle zu beschränken, die die Interessen einer erheblichen Zahl von verbandsangehörigen Wettbewerbern berühren, wird schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (BGH, Urt. v. 11.7.1996 - I ZR 79/94, GRUR 1996, 804 = WRP 1996, 1034 - Preisrätselgewinnauslobung III).

Nach diesen Grundsätzen kann die Klagebefugnis des Klägers, dem - unmittelbar oder mittelbar - acht oder neun auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt tätige Mitglieder angehören, nicht verneint werden.

III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Verbandsklagebefugnis muss sowohl im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung als auch bei der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gegeben sein. Sollte sich der Vortrag des Klägers zu seinen Mitgliedern als richtig erweisen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die beanstandete Werbung der Beklagten irreführend ist.

Bornkamm Büscher Schaffert Kirchhoff Koch Vorinstanzen:

LG Wuppertal, Entscheidung vom 26.09.2002 - 14 O 61/02 -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.10.2006 - I-20 U 171/02 -






BGH:
Urteil v. 23.10.2008
Az: I ZR 197/06


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