Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. April 2009
Aktenzeichen: 20 W (pat) 8/04

(BPatG: Beschluss v. 22.04.2009, Az.: 20 W (pat) 8/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 22. April 2009 das Patent 195 25 180 aufgrund einer Beschwerde einer Einsprechenden beschränkt aufrechterhalten. Das Patent umfasst ein elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken und einer elektronischen Wegfahrsperre. Die Einsprechende beantragte den Widerruf des Patents, da sie der Meinung war, dass die Merkmale im Patentanspruch 1 nicht als zur Erfindung gehörend erkennbar waren und der beanspruchte Gegenstand nicht neu oder erfinderisch sei. Das Bundespatentgericht entschied jedoch, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und erfinderisch ist. Der Fachmann könne aus den bekannten Druckschriften keine Veranlassung erkennen, das elektronische Steuergerät sowohl als Wegfahrsperre als auch als Gateway zwischen den Datennetzwerken auszulegen. Das Patent wurde daher aufgrund der Beschwerde beschränkt aufrechterhalten. Die Patentansprüche 2 bis 4 wurden ebenfalls rechtsbeständig erklärt und die Beschreibung erfüllt die Anforderungen gemäß § 34 PatG.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 22.04.2009, Az: 20 W (pat) 8/04


Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Oktober 2003 aufgehoben.

Das Patent 195 25 180 wird beschränkt aufrechterhalten auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4 aus der mündlichen Verhandlung sowie Beschreibung und Zeichnung, Figur wie erteiltes Patent.

Gründe

I.

Auf die am 11. Juli 1995 eingereichte Patentanmeldung wurde das Patent 195 25 180 mit der Bezeichnung "Elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit Datennetzwerken und Wegfahrsperre" erteilt. Die Patenterteilung wurde am 4. Juli 1996 im Patentblatt veröffentlicht. Das Patent umfasst insgesamt vier Patentansprüche.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"1. Elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken und einer elektronischen Wegfahrsperre, dadurch gekennzeichnet, daß -es sowohl als fahrzeugseitiger Steuerteil für die elektronische Wegfahrsperre als auch als Gateway zwischen wenigstens zwei der Datennetzwerke ausgelegt ist, wobei -wenigstens eine (3) der Komponenten des Gateways auch eine Komponente des fahrzeugseitigen Steuerteils für die elektronische Wegfahrsperre bildet."

Bezüglich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Mit der patentgemäßen Lehre wird die Aufgabe gelöst, ein elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug bereitzustellen mit mehreren Datennetzwerken und einer elektronischen Wegfahrsperre, durch dessen Verwendung mit relativ geringem Aufwand die Wegfahrsperrfunktion sowie eine Gateway-Funktion für die Netzwerke zur Verfügung gestellt werden kann, und außerdem die Voraussetzung geschaffen wird, die Wegfahrsperre mit geringem Zusatzaufwand redundant auslegen zu können (Sp. 1 Z. 57-66 der Patentschrift).

Gegen das Patent wurden am 4. Oktober 1996 zwei Einsprüche erhoben, mit denen der vollständige Widerruf des Patents begehrt wurde. Die Einsprüche stützen sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

Zur Begründung verweisen die Einsprechenden auf die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten und im Streitpatent als relevanter Stand der Technik genannten Druckschriften:

(1)

DE 41 10 372 A1 und

(2)

DE 44 11 451 C1,

(3)

DE 195 15 194 A1,

(4)

DE 39 34 974 A1,

(5)

DE 44 01 785 A1,

(6)

US 5 481 253,

(7)

EP 0 704 353 A1,

(8)

JP 07-165018 A, entsprechend US 5 555 863,

(9)

GB2251503A,

(10)

WO 93/05987 A1,

(11)

EP 0 596 762 A1.

und weiter auf die folgenden Druckschriften: Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat das Patent im Einspruchsverfahren durch Beschluss der Patentabteilung 31 vom 17. Oktober 2003 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden (Einsprechende II im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt), mit der sie ihren Einspruch weiterverfolgt. Sie stützt sich dazu im Wesentlichen auf die im Einspruchsverfahren vorgelegten Druckschriften.

Die Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Oktober 2003 aufzuheben und das Patent 195 25 180 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent 195 25 180 beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4 aus der mündlichen Verhandlung.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:

"Elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken und einer elektronischen Wegfahrsperre, das sowohl als fahrzeugseitiger Steuerteil für die elektronische Wegfahrsperre als auch als Gateway zwischen wenigstens zwei der Datennetzwerke ausgelegt ist, wobei -wenigstens eine (3) der Komponenten des Gateways auch eine Komponente des fahrzeugseitigen Steuerteils für die elektronische Wegfahrsperre bildet und dass die eine Komponente (3) ein Mikroprozessor (3) ist, und dass der Mikroprozessor (3) und eine E/A-Einheit (5) sowohl Teil des Gateways als auch Teil der normalen Zündstartschalterfunktion einschließlich der Wegfahrsperrfunktion sind."

Wegen der Patentansprüche 2 bis 4 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Erörtert wurden in der mündlichen Verhandlung die Druckschriften

(E1) DE 41 10 372 A1,

(E2) DE 44 11 451 C1,

(E3) DE 195 15 194 A1,

(E8) englische Übersetzung der JP 07-165018 A und

(E10) WO 93/05987 A1.

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die Merkmale im Anspruch 1 seien in der nunmehr beanspruchten Kombination, insbesondere bzgl. des Merkmals "dass der Mikroprozessor (3) und eine E/A-Einheit (5) sowohl Teil des Gateways als auch Teil der normalen Zündstartschalterfunktion einschließlich der Wegfahrsperrfunktion sind", den ursprünglich eingereichten Unterlagen, insbesondere dem in der Beschreibung dargestellten Ausführungsbeispiel, nicht als zur Erfindung gehörend entnehmbar gewesen. Außerdem sei der beanspruchte Gegenstand, auch wenn der Fachmann diesen den ursprünglichen Unterlagen habe entnehmen können, gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E3, resp. E1 oder E2 nicht neu, jedenfalls nicht erfinderisch.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass der Fachmann den nunmehr beanspruchten Gegenstand in der Gesamtheit seiner Merkmale den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend habe entnehmen können. Auch sei aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik keine Veranlassung für den Fachmann erkennbar, ein elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken sowohl als elektronische Wegfahrsperre als auch als Gateway zwischen wenigstens zwei der Datennetzwerke auszulegen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

1. Der Gegenstand des erteilten und mit Beschluss der Patentabteilung 31 vom 17. Oktober 2003 aufrechterhaltenen Anspruchs 1, der mit dem Merkmal "dass wenigstens eine (3) der Komponenten des Gateways auch eine Komponente des fahrzeugseitigen Steuerteils für die elektronische Wegfahrsperre bildet" u. a. auch Ausführungsformen umfasste, bei denen eine Komponente des Gateways, nämlich der dem Bezugszeichen (3) zugeordnete Mikroprozessor, weitergebildet wurde, ist durch den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anspruch 1 zulässig beschränkt worden, indem die vorgenannte Zuordnung dahingehend konkretisiert wurde "dass die eine Komponente (3) ein Mikroprozessor (3) ist, und dass der Mikroprozessor (3) und eine E/A-Einheit (5) sowohl Teil des Gateways als auch Teil der normalen Zündstartschalterfunktion einschließlich der Wegfahrsperrfunktion sind".

Die beschränkenden Merkmale sind vom zuständigen Fachmann, einem Hochschul-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Praxiserfahrung auf dem Gebiet der Kraftfahrzeug-Technik, insbesondere der dabei zum Einsatz kommenden Sicherungstechniken, als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen und der Patentschrift und an entsprechender Stelle den ursprünglichen Unterlagen entnehmbar, vgl. die Patentschrift, den Wortlaut des Patentanspruchs 1, und die Beschreibung Spalte 3, Zeilen 42 bis 60, i. V. m. Spalte 5, Zeilen 2 bis 15.

Dabei gibt es keine Abstufung in der Wertigkeit der für die Beschreibung der Erfindung benutzten Offenbarungsmittel; auch spielt es für die Frage der eine Beschränkung des Patentanspruchs erlaubenden Offenbarung der Erfindung keine Rolle, ob etwas in der Beschreibung gegenüber gleichzeitig offenbarten anderen Lösungen als vorteilhaft, zweckmäßig oder bevorzugt bezeichnet ist. Schränkt der Patentinhaber seinen Patentanspruch von einer zunächst weiter gefassten Lehre auf eine engere Lehre ein, so steht dem nichts im Wege, wenn diese engere Lehre in den Anmeldungsunterlagen in ihrer Gesamtheit, d. h. in den Patentansprüchen oder der Beschreibung offenbart war (Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, Rdn. 329; BGH, GRUR 1990, 510-512 -Crackkatalysator I).

2. Stand der Technik Die Druckschrift E1 beschreibt ein MultiplexÜbertragungssystem für Fahrzeuge mit mehreren Netzwerken, die über ein Gateway miteinander verbunden sind, vgl. die Zusammenfassung. Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 beschreibt drei (Daten-)Netzwerke 10, 20, 30 eines (Kraft-) Fahrzeugs, die über ein Gateway (einen Gateway-Netzknoten 40) miteinander verbunden sind, das Netzwerk 10 vernetzt Steuergeräte, das Netzwerk 20 vernetzt Fahrzeugzubehör, und Netzwerk 30 wird für Diagnosezwecke verwendet, vgl. Figur 1, Spalte 4, Zeilen 26 bis 46, und Spalte 6, Zeilen 14 bis 61. Die Netzknoten der Netzwerke 10 oder 20 können so gestaltet sein, dass sie zusätzlich zu ihren Funktionen in den genannten Netzwerken auch Gateway-Funktionen entsprechend dem Gateway 40 übernehmen können, Spalte 10, Zeilen 10 bis 16. Der Aufbau eines Netzknotens resp. Gateways ist in Figur 3 dargestellt und zeigt insbesondere eine CPU 100 und eine weitere Schaltung LSI 101. Die CPU verarbeitet die Netzwerkdaten und steuert die Schaltung LSI, letztere führt eine Protokollsteuerung der physikalischen Netzebene des Netzwerkes durch, Spalte 5, Zeile 61 bis Spalte 6, Zeile 13. Zu den Netzknoten des Netzwerkes 20 gehört u. a. ein nicht näher spezifizierter Lenkradschalter 23, Spalte 6, Zeilen 39 bis 45. Eine elektronische Wegfahrsperre, resp. eine Wegfahrsperrfunktion oder Zündstartschalterfunktion, sind in der E1 nicht angesprochen.

Aus der Druckschrift E2, vgl. die Figur und die Zusammenfassung, ist eine elektronische Wegfahrsperre als bekannt entnehmbar. Diese weist fahrzeugseitige Steuerteile 2 auf, von denen eines eine Schließsteuerung ist; weitere sind für eine Mehrzahl von in die Nutzungssicherung einbezogenen Geräteeinheiten vorgesehen. Sämtliche in die Nutzungssicherung einbezogenen Geräteeinheiten weisen einen identischen Schaltungsaufbau 2'' auf und kommunizieren über einen CAN-Bus, alternativ über eine andere Datenaustauschverbindung im Fahrzeug, Spalte 5, Zeile 66, bis Spalte 6, Zeile 22, vgl. dazu auch die Streit-PS, Spalte 1, Zeilen 7 bis 30. Ein Gateway i. S. d. Streitpatents ist in der E2 nicht beschrieben.

Die nachveröffentlichte Druckschrift E3 mit älterem Zeitrang beschreibt ein Kommunikationsnetzwerk für ein Fahrzeug, welches eine gegenseitige Kommunikation verschiedener elektronischer Vorrichtungen des Fahrzeugs, darunter auch einer elektronischen Diebstahlsicherung, erlaubt, Spalte 1, Zeilen 3 bis 15, Spalte 3, Zeile 29 bis Spalte 4, Zeile 3. In den Fig. 1, 4, 6, 7 und 8 sind jeweils mehrere solcher elektronischen Vorrichtungen (ECUs) dargestellt, die über Kommunikationsleitungen miteinander verbunden sind. Die elektronischen Vorrichtungen (ECUs) stellen jeweils ein Steuerungsnetzwerk dar, in dem Daten von der elektronischen Vorrichtung (ECU) zu den zu steuernden Einheiten übermittelt werden; somit sind die bekannten elektronischen Vorrichtungen (ECUs) elektronische Vorrichtungen für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken. Eine der elektronischen Vorrichtungen, z. B. die ECU 81 des dritten Ausführungsbeispiels gemäß der Figur 6, ist zum Verhindern eines Diebstahls eines Fahrzeugs eingerichtet, Spalte 9, Zeilen 48 bis 67 i. V. m. Spalte 8, Zeilen 26 bis 54. Demgemäß enthält die elektronische Vorrichtung ECU 81 eine Schaltschaltung 814, die von der CPU 811 der Vorrichtung ECU 81 angesteuert wird. Diese von der CPU 811 angesteuerte Schaltschaltung 814 steuert eine Kommunikationsverbindung zwischen den elektronischen Vorrichtungen ECU 81 und 82 und zwischen den elektronischen Vorrichtungen ECU 83 und 84, so ermöglicht die Schaltschaltung 814 abhängig von ihrer Ansteuerung durch die CPU 811 eine Datenweitergabe zwischen einer Diagnose-Kommunikationsleitung 74 und einer Ausfalldiagnose-Kommunikationsleitung 75, oder sperrt diese, Spalte 8, Zeile 55 bis Spalte 9, Zeile 45. Zur Funktion der Schaltschaltung 814 ist ergänzend zu verweisen auf das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 7 i. V. m. Spalte 10, Zeile 40 bis Spalte 11, Zeile 24. Demnach erfüllen Schaltschaltungen die Funktion des Koppelns oder Trennens von Datenverbindungen und wirken somit auch als intelligente Buskoppler. Die aus der E3 als bekannt entnehmbare CPU 811 der elektronischen Vorrichtung ECU 81 wirkt damit einerseits als Fahrzeugdiebstahl-Verhinderungs-ECU und übernimmt andererseits im Zusammenhang mit der Steuerung der Schaltschaltung 814 Gateway-Aufgaben, Spalte 9, Zeilen 48 bis 67. Eine elektronische Wegfahrsperre i. S. d. Streitpatents, und damit zusammenhängend eine Wegfahrsperrfunktion oder Zündstartschalterfunktion, sind dagegen in der E3 nicht beschrieben.

Die Druckschriften E8 und E10 beschreiben jeweils elektronische Wegfahrsperren zusammen mit Wegfahrsperrfunktionen und Zündstartschalterfunktionen, vgl. E8, die Abschnitte [0034] und [0035], und E10, Fig. 1 und die Zusammenfassung. Gateways i. S. d. Streitpatents sind weder aus der E8 noch aus der E10 bekannt.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt. Sie bringen auch bzgl. der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

3.

Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt als neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

4.

Erfinderische Tätigkeit Für den Fachmann kann sich in der Praxis die Aufgabe stellen, ein elektronisches Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken und einer elektronischen Wegfahrsperre bereitzustellen, durch dessen Verwendung mit relativ geringem Aufwand die Wegfahrsperrfunktion sowie eine Gateway-Funktion für die Netzwerke zur Verfügung gestellt werden kann. Es mag sein, dass der Fachmann für eine Lösung dieser Aufgabe in Betracht zieht, das aus der Druckschrift E1, vgl. die Zusammenfassung und das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 1, als bekannt entnehmbare MultiplexÜbertragungssystem für Fahrzeuge mit mehreren Netzwerken, die über ein Gateway miteinander verbunden sind, dahingehend zu nutzen, dass er eines der dort vorgesehenen und in ein Netzwerk eingebundenen Steuergeräte als Wegfahrsperre einrichtet. Denn elektronische Wegfahrsperren, die über Bus-Systeme, wie bspw. einen CAN-Bus, mit anderen Steuergeräten kommunizieren, sind dem Fachmann aus der Druckschrift E2 bekannt, vgl. E2, die Figur und die Zusammenfassung und ergänzend Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 22. Nachdem die aus E1 bekannten Steuergeräte in ihrer Eigenschaft als Netzknoten auch Gateway-Funktionen übernehmen können, vgl. E1, Spalte 10, Zeilen 10 bis 16, könnte es für den Fachmann -um die Nutzung vorhandener Bauteile weiter zu optimieren -auch noch nahegelegen haben, das in das Netzwerk eingebundene, als Wegfahrsperre eingerichtete Steuergerät zusätzlich als ein Gateway zu nutzen. Dabei könnte sich für eine solche Mehrfachnutzung möglicherweise auch noch wenigstens eine der Komponenten des Gateways anbieten, insbesondere eine der steuernden Komponenten, bspw. ein Mikroprozessor.

Eine Veranlassung für den Fachmann, zusätzlich zu der Komponente Mikroprozessor auch noch eine E/A-Einheit vorzusehen, so dass, wie in Patentanspruch 1 gefordert, der Mikroprozessor und eine E/A-Einheit sowohl Teil des Gateways als auch Teil der normalen Zündstartschalterfunktion einschließlich der Wegfahrsperrfunktion sind, lässt dagegen weder die Druckschrift E1 noch die Druckschrift E2 erkennen. Und auch die Druckschriften E8 und E10 helfen hier nicht weiter. Eine solche Veranlassung ergibt sich auch nicht im Rahmen fachmännischen Handelns. Selbst wenn dem Fachmann, wie oben dargelegt, die eine oder andere Maßnahme für sich allein genommen nicht allzu fern gelegen haben mag, so überschreitet die Summe der im übrigen zusammenwirkenden und im Hinblick auf das beanspruchte elektronische Steuergerät für ein Kraftfahrzeug mit mehreren Datennetzwerken und einer elektronischen Wegfahrsperre aufeinander abgestimmten beanspruchten Merkmale insgesamt das Maß dessen, was von einem Fachmann bei durchschnittlichem Handeln erwartet werden kann. Ob ihm der eine oder andere Schritt, für sich genommen, erfinderisches Zutun nicht abverlangte, darauf ist -losgelöst von den übrigen Maßnahmen -bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des insgesamt Beanspruchten nicht abzustellen (BPatGE 42, 157-174 -Gegensprechanlage).

Gemäß der Druckschrift E2, vgl. die Figur und die Zusammenfassung, findet der Fachmann zwar eine elektronische Wegfahrsperre mit fahrzeugseitigen Steuerteilen vor, die über einen CAN-Bus, alternativ über eine andere Datenaustauschverbindung im Fahrzeug kommunizieren, Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 22. Ausgehend von der solcherart bekannten Vorrichtung ist jedoch keine Veranlassung für den Fachmann ersichtlich, ein Gateway für weitere, gemäß E2 nicht geforderte Datennetzwerke vorzusehen.

Die Druckschrift E3 wird als Unterlage i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PatG gemäß § 4 Satz 2 PatG bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

5.

Die Patentansprüche 2 bis 4 betreffen Ausgestaltungen des Beanspruchten nach Patentanspruch 1 und sind mit diesem rechtsbeständig.

6.

Die Beschreibung genügt den an sie nach Änderung des Patents gemäß § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Mayer Dr. Hartung Werner Kleinschmidt Pr






BPatG:
Beschluss v. 22.04.2009
Az: 20 W (pat) 8/04


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