Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 15/03

(BPatG: Beschluss v. 24.06.2003, Az.: 23 W (pat) 15/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 24. Juni 2003 (Aktenzeichen 23 W (pat) 15/03) die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Dezember 2000 aufgehoben. Das Patent wurde mit einem Anspruch, Beschreibungsseiten 1 bis 4 und einer offengelegten Zeichnung (eine Figur) erteilt. Die Patentanmeldung, die am 22. Oktober 1997 mit der Bezeichnung "Kraftfahrzeug Bremssignal Anordnung" eingereicht wurde, wurde zuvor von der Prüfungsstelle zurückgewiesen. Die Prüfungsstelle war der Meinung, dass der Gegenstand des neuen Patentanspruchs nicht die erforderliche erfinderische Tätigkeit aufweise. Verschiedene Druckschriften wurden im Prüfungsverfahren berücksichtigt. Der Anmelder legte in seiner Beschwerde einen neuen Patentanspruch vor und argumentierte, dass der Gegenstand des neuen Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik patentfähig sei. Das Bundespatentgericht befand, dass der geltende Patentanspruch ausreichende Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen und der Beschreibung finde. Zudem sei der Anmeldungsgegenstand neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es wurde festgestellt, dass die im Stand der Technik vorhandenen Druckschriften den Anmeldungsgegenstand nicht nahelegen. In der Beschreibung wird der Stand der Technik angegeben und das beanspruchte Kraftfahrzeug mit einer Bremssignal-Anordnung anhand einer Zeichnung erläutert. Der Beschluss des Bundespatentgerichts wurde aufgehoben und das Patent wurde mit den genannten Unterlagen erteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 24.06.2003, Az: 23 W (pat) 15/03


Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Dezember 2000 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Ein Anspruch, Beschreibungsseiten 1 bis 4, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2003, und offengelegte Zeichnung (eine Figur).

Anmeldetag: 22. Oktober 1997 Bezeichnung: Kraftfahrzeug mit einer Bremssignal-Anordnung

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 22. Oktober 1997 mit der Bezeichnung "Kraftfahrzeug Bremssignal Anordnung" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 13. Dezember 2000 zurückgewiesen.

Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass es dem Gegenstand des mit Eingabe vom 3. März 1999 eingereichten, neuen Patentanspruchs im Hinblick auf den aus den Druckschriften - deutsches Gebrauchsmuster 295 12 066 [= D2]

- deutsche Offenlegungsschrift 38 11 339 [= D9 und - deutsche Offenlegungsschrift 195 08 416 [= D10]

bekannten Stand der Technik an der für eine Patenterteilung zu fordernden erfinderischen Tätigkeit fehle.

Im Prüfungsverfahren sind ferner die Entgegenhaltungen - deutsche Offenlegungsschrift 35 19 828 [= D1]

- deutsche Offenlegungsschrift 42 36 395 [= D3]

- deutsche Patentschrift 195 24 358 [= D4]

- deutsche Offenlegungsschrift 31 26 004 [= D5]

- deutsches Gebrauchsmuster 81 34 821 [= D6]

- deutsches Gebrauchsmuster 296 01 518 [= D7] und - deutsche Offenlegungsschrift 42 43 693 [= D8]

in Betracht gezogen worden.

Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er verfolgt sein Schutzbegehren mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Patentanspruch, den Beschreibungsseiten 1 bis 4 sowie der offengelegten Zeichnung (eine Figur) weiter und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des neugefassten Patentanspruchs gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik patentfähig sei.

Der Anmelder beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 Q des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Dezember 2000 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ein Anspruch, Beschreibungsseiten 1 bis 4, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2003, und offengelegte Zeichnung (eine Figur).

Der geltende (einzige) Patentanspruch lautet:

"a) Kraftfahrzeug, das eine Bremssignal-Anordnung mit herkömmlichem roten Bremslicht aufweist, die bei der Durchführung eines Bremsvorganges ein dauerleuchtendes rotes Licht generiertb) und das mit einem ABS-Bremssystemc) sowie gelben Fahrtrichtungsblink- bzw. Rundumwarnleuchten ausgestattet istd) sowie bei dem ein Detektor zur Erfassung einer Aktivierung des ABS-Bremssystemse) sowie eine Ansteuerung der Blink- und/oder Warnleuchten in Abhängigkeit von einer erfassten Funktion des ABS-Bremssystems vorgesehen istf) sowie das einen Detektor zur Erfassung einer Bremsverzögerungg) sowie eine Schwellwertauswertung für die erfasste Bremsverzögerung besitzth) sowie bei dem die Blink- und/oder Warnleuchten in Abhängigkeit von einem Ausgangssignal der Schwellwertauswertung für die Bremsverzögerung angesteuert werden, dadurch gekennzeichnet, i) dass nur die Ansteuerung der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten derart erfolgt, dass zusätzlich zum Dauerleuchten des roten Bremslichtes auch ein Dauerleuchten der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten generiert wird, j) dass die Ermittlung der aktuell vorliegenden Bremsverzögerung elektronisch durch eine Auswertung von Geschwindigkeitsimpulsen der elektronischen Tachometeranzeige durchgeführt wird, k) dass das Dauerleuchten der Blink- und/oder Warnleuchten wieder abgeschaltet wird, wenn sowohl das ABS-Bremssystem nicht mehr aktiviert ist und/oder eine aktuelle Bremsverzögerung wieder unter dem vorgegebenen Schwellwert oder unter den Daten einer vorgegebenen Wertekurve liegt undl) dass eine Verknüpfung des Signals für das Ansprechen des ABS-Bremssystems und des Signals zur Detektion eines Überschreitens des durch Daten einer vorgegebenen Wertekurve definierten Schwellwertes für die Bremsverzögerung im Bereich einer Auslöseschaltung erfolgt."

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist nach der Neufassung des einzigen Patentanspruchs im Beschwerdeverfahren begründet. Der im geltenden Patentanspruch beanspruchten Lehre stehen Schutzhindernisse nicht entgegen. Der Anspruch hält sich insbesondere im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung (§ 38 PatG) und sein Gegenstand wird vom nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§ 1 Abs 1 iVm § 3 und § 4 PatG).

1.) Der geltende Patentanspruch ist zulässig, denn er findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 iVm dem in der ursprünglichen Beschreibung anhand der Zeichnung erläuterten Ausführungsbeispiel (Seite 2, vorletzter und letzter Absatz).

Die Merkmale d) und f) im Oberbegriff des Patentanspruchs, wonach ein Detektor zur Erfassung einer Aktivierung des ABS-Bremssystems sowie ein Detektor zur Erfassung einer Bremsverzögerung vorhanden sein sollen, ergibt sich für den Fachmann unmittelbar aus dem in der Zeichnung dargestellten Blockschaltbild der Bremssignalanordnung. Dort nämlich sind dem ABS-Bremssystem und der Vergleichsschaltung Blöcke mit der Beschriftung "ABS spricht an" und "Vergleichsschaltung spricht an" nachgeschaltet. Diese zwei Komponenten haben somit die Aufgabe, die Aktivierung der beiden Systeme zu erkennen, so dass sie wortsinngemäß als Detektoren bezeichnet werden können (vgl. hierzu BGH Mitt. 1996, 204, 205 reSp, 206 - "Spielfahrbahn").

Die "und"-Verknüpfung der beiden Merkmale e) und h) im Oberbegriff des Patentanspruchs, wonach eine Ansteuerung der Blink- und/oder Warnleuchten in Abhängigkeit von einer erfassten Funktion des ABS-Bremssystems (ursprünglicher Anspruch 1) sowie in Abhängigkeit von einem Ausgangssignal der Schwellwertauswertung für die Bremsverzögerung (ursprünglicher Anspruch 2) erfolgt, ergibt sich daraus, dass der ursprüngliche Anspruch 2 durch seinen Rückbezug auf den ursprünglichen Anspruch 1 die mit diesem beanspruchte Vorrichtung durch weitere Merkmale ergänzt. Entsprechendes gilt für das Merkmal k), wonach eine Abschaltung der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten erfolgt, wenn das ABS-Bremssystem nicht mehr aktiviert ist (ursprünglicher Anspruch 1) und/oder eine Bremsverzögerung unterschritten wird (ursprünglicher Anspruch 2).

Das Merkmal l), wonach eine Verknüpfung des Signals für das Ansprechen des ABS-Bremssystems und des Signals zur Detektion eines Schwellwertes für die Bremsverzögerung im Bereich einer Auslöseschaltung erfolgen soll, ergibt sich wiederum aus dem in der Zeichnung dargestellten Blockschaltbild, welches zeigt, dass die Ausgänge der beiden vorstehend erwähnten Detektoren mit einer gemeinsamen Auslöseschaltung zur Ansteuerung der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten verbunden sind.

2.) Nach den Angaben des Anmelders in der geltenden Beschreibung (Seite 1, 1. und 2. Absatz) wird im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs von einem Kraftfahrzeug mit einer Bremssignalanordnung ausgegangen, wie es in der eingangs erwähnten Druckschrift D9 beschrieben ist, vgl. die dortige Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge, welche ausweislich der Ansprüche 1, 2 und 7 sowie der Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung (Spalte 3, Zeile 16 bis Spalte 4, Zeile 64 eine -- zwar nicht ausdrücklich erwähnte bzw. dargestellte, jedoch selbstverständlich als vorhanden vorauszusetzende -- Bremssignal-Anordnung mit herkömmlichen roten Bremslichtern umfasst, die bei der Durchführung eines Bremsvorgangs ein dauerleuchtendes rotes Licht generiert, und welche gelbe Fahrtrichtungsblink- bzw. Rundumwarnleuchten (Blinkleuchten 13) aufweist. Darüber hinaus sind ein ABS-Bremssystem mit einem Detektor zur Erfassung seiner Aktivierung (Blockierschutzanlage 19) sowie ein Detektor zur Erfassung einer Bremsverzögerung mit einer Schwellwertauswertung (Verzögerungsschalter 20) vorhanden, wobei die gelben Blink- und/oder Warnleuchten in Abhängigkeit von den Ausgangssignalen dieser beiden Systeme angesteuert werden.

Wie der Anmelder in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sieht er es bei diesem gattungsbildenden Stand der Technik als nachteilig an, dass durch das im Falle einer extremen Bremssituation zusätzlich zu den üblichen Bremsleuchten aktivierte Blinklicht der vorderen und hinteren Blink- und/oder Warnleuchten ein für den nachfolgenden Verkehr missverständliches und für den vorausfahrenden sowie entgegenkommenden Verkehr überflüssiges Signal erzeugt wird. Denn das Blinken der hintern Blink- und/oder Warnleuchten eines Kraftfahrzeugs zusammen mit dem Dauerleuchten der Bremslichter wird vom Hintermann aus dessen alltäglicher Erfahrung im Straßenverkehr heraus dahingehend interpretiert, dass das vorausfahrende Fahrzeug bremst, weil es eine Panne hat, oder weil es sich bremsend einem Stau nähert. Das Blinksignal am Fahrzeugheck ist mit anderen Worten "verbraucht" und deshalb nicht geeignet, dem nachfolgenden Verkehr die erwünschte Information einer extremen Bremssituation zu übermitteln. Für den Fahrer eines vorausfahrenden Kraftfahrzeugs, der im Rückspiegel lediglich das Blinken der beiden vorderen Blink- und/oder Warnleuchten des stark abbremsenden Hintermanns erblickt, und ebenso für den Fahrer eines entgegenkommenden Fahrzeugs ist die hierdurch vermittelte Information insofern eher überflüssig, als daraus auf keine konkrete Gefahrensituation geschlossen werden kann, welche Anlass wäre, die eigene Fahrweise zu verändern.

Nach den Angaben des Anmelders in der mündlichen Verhandlung ist ein weiterer Nachteil des gattungsbildenden Standes der Technik nach der D9 darin zu sehen, dass zwar die Blink- und/oder Warnleuchten bei Überschreitung eines bestimmten Verzögerungswertes aktiviert würden, jedoch die jeweilige Geschwindigkeit des bremsenden Fahrzeugs unberücksichtigt bleibe. Dies habe zur Folge, dass die bekannte Bremssignal-Anordnung auch in Situationen anspreche, in der die gefahrenen Geschwindigkeiten -- wie z.B. im Stadtverkehr -- unkritisch seien, wodurch es zu einer unnötigen Reizüberflutung für die Verkehrsteilnehmer komme.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand die Aufgabe zugrunde, eine Anordnung zur verbesserten Ermittlung des aktuellen Bremszustandes zu finden und dessen verbesserte optische Weiterleitung und Interpretierbarkeit an nachfahrende Fahrzeuge zu gewährleisten (geltende Beschreibung Seite 2, 3. Absatz).

Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des geltenden Patentanspruchs gelöst, wobei es wesentlich auf die Merkmale i) und l) des Kennzeichens ankommt, die sich -- in Verbindung mit den übrigen Anspruchsmerkmalen -- in synergistischer Weise ergänzen.

Denn dadurch,

- dass nur die Ansteuerung der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten derart erfolgt, dass zusätzlich zum Dauerleuchten des roten Bremslichtes auch ein Dauerleuchten der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten generiert wird, wird lediglich der dem betroffenen Fahrzeug nachfolgende Verkehr vor dessen extremer Bremssituation gewarnt, und zwar durch ein Signal, welches insoweit unverwechselbar ist, als es in dieser Art und Weise im Straßenverkehr bislang nicht üblich ist.

Dadurch,

- dass darüber hinaus eine Verknüpfung des Signals für das Ansprechen des ABS-Bremssystems und des Signals zur Detektion eines Überschreitens des durch Daten einer vorgegebenen Wertekurve definierten Schwellwertes für die Bremsverzögerung erfolgt, wird sichergestellt, dass sich der für die Aktivierung der hinteren Blink- und/oder Warnleuchten maßgebliche Schwellwert der Bremsverzögerung in Abhängigkeit von der jeweiligen Fahrzeuggeschwindigkeit frei wählen lässt.

So kann dieser Schwellwert bei den üblicherweise innerorts gefahrenen Geschwindigkeiten von 30 bis 60 km/h so hoch eingestellt werden, dass es auch bei extremen Verzögerungen zu keiner Auslösung der anmeldungsgemäßen Bremssignal-Anordnung kommt. Bei höheren Geschwindigkeiten hingegen, bei denen es entscheidend auf die Reaktion des Hintermanns ankommt, erfolgt die Aktivierung sinnvollerweise schon bei relativ geringen Verzögerungswerten.

Dieser letztgenannte Sachverhalt ist in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich jedoch für den Fachmann -- wie der Anmelder in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat -- zwangsläufig aus der Tatsache, dass laut ursprünglicher Offenbarung die eingehende Impulsfrequenz für die elektronische Tachometeranzeige permanent ausgelesen und permanent in einer Vergleichsschaltung mit dem jeweils nachfolgenden Wert verglichen wird. Bei einer Verminderung des Verhältnisses von eingehendem zum vorausgegangenen Wert unter einen bestimmten Quotienten bzw. Faktor, der durch eine Wertekurve bestimmt ist, werden die hinteren Warnblinkleuchten durchgesteuert (Seite 2, vorletzter Absatz). Der hier zuständige Durchschnittsfachmann -- ein auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugbeleuchtung und -signalgebung tätiger, berufserfahrener Diplomphysiker oder Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugmesstechnik und -sensorik -- entnimmt der zitierten Textstelle ohne weiteres Nachdenken, dass die besagte Wertekurve, weil einzig und allein auf einer Geschwindigkeitsmessung basierend, nur Verzögerungsschwellwerte als Funktion der Geschwindigkeit beinhalten kann.

3.) Das -- zweifelsohne gewerblich anwendbare ( § 5 PatG ) -- Kraftfahrzeug mit einer Bremssignal-Anordnung nach dem geltenden Patentanspruch ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des vorstehend definierten Durchschnittsfachmanns.

a) Wie aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zu ersehen ist, ergibt sich die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes gemäß dem geltenden Patentanspruch schon daraus, dass keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften ein Kraftfahrzeug mit einer Bremssignal-Anordnung offenbart, bei welchem im Falle des Ansprechens des ABS-Bremssystems und der Überschreitung eines Schwellwertes der Bremsverzögerung die hinteren Blink- und/oder Warnleuchten zusätzlich zum Dauerleuchten der roten Bremslichter dauerleuchtend angesteuert werden, wobei dieser Schwellwert durch eine vorgegebene, geschwindigkeitsabhängige Wertekurve definiert ist.

b) Die Druckschrift D9, von der -- wie dargelegt -- im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs ausgegangen wird, vermag dem zuständigen Fachmann den Anmeldungsgegenstand weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den übrigen, eingangs genannten Entgegenhaltungen nahezulegen.

In der D9 findet sich nämlich kein Hinweis darauf, dass es von Vorteil sein könnte, im Falle einer durch das Ansprechen des ABS-Bremssystems und die Überschreitung eines Verzögerungsschwellwertes gekennzeichneten extremen Bremssituation nur die hinteren beiden Blink- und/oder Warnleuchten dauerleuchtend anzusteuern, wobei der Verzögerungsschwellwert durch die Daten einer vorgegebenen, geschwindigkeitsabhängigen Wertekurve bestimmt werden soll.

Die eine Warnbremsleuchtensteuerung in Kraftfahrzeugen betreffende Druckschrift D2 lehrt zwar schon, im Falle eines durch einen hohen Bremsdruck charakterisierten starken Abbremsens die gelben Warnleuchten dauerleuchtend anzusteuern (Beschreibung Seite 1, 2. Absatz, Figur und Anspruch 4); jedoch findet sich in dieser Entgegenhaltung keinerlei Anregung dahingehend, das zusätzliche Warnsignal auf die hinteren beiden Blink- und/oder Warnleuchten zu beschränken und deren Ansteuerung vom Ansprechen des ABS-Bremssystems der Überschreitung eines durch eine geschwindigkeitsabhängige Wertekurve definierten Verzögerungsschwellwertes abhängig zu machen, wie dies insoweit der geltende Patentanspruch lehrt.

Entsprechendes gilt für die eine Bremswarnanzeige für Kraftfahrzeuge betreffende Druckschrift D10, aus der zwar schon bekannt ist, im Falle einer Vollbremsung die Blink- und/oder Warnleuchten (Anzeigeelemente 13, 14, 15, 16) des Fahrzeugs dauerleuchtend anzusteuern und Tachometerimpulse zur Ermittlung der Verzögerung heranzuziehen (Figuren 1 und 2, Beschreibung Spalte 4, Zeile 12 bis 31 und Spalte 5, Zeile 34 bis Spalte 6, Zeile 37); eine Anregung dahingehend, zur Anzeige einer extremen Bremssituation lediglich die hinteren beiden Blink- und/oder Warnleuchten einzusetzen, vermag der zuständige Durchschnittsfachmann der D10 jedoch nicht zu entnehmen. Es findet sich in dieser Entgegenhaltung auch keinerlei Hinweis in die vom Patentanspruch gelehrte Richtung, dass die Blink- und/oder Warnleuchten des Fahrzeugs nur dann angesteuert werden sollen, wenn die eingehenden Tachometerimpulse die Überschreitung eines durch eine geschwindigkeitsabhängige Wertekurve definierten Verzögerungsschwellwertes signalisieren.

Auch die eine Warnblink-Einrichtung an Kraftfahrzeugen mit selektivangepasster automatischer Auslösung vorwiegend zur Selektion einer Panikbremsung betreffende Entgegenhaltung D4 vermag den Fachmann nicht dazu anzuregen, die in der D9 beschriebene Bremssignal-Anordnung im Sinne des geltenden Patentanspruchs weiterzubilden. Zwar wird in dieser Druckschrift schon vorgeschlagen, das Vorliegen einer extremen Bremssituation ("Panikbremsung") aus den Zeitabständen aufeinanderfolgender Impulse herzuleiten, die von Drehimpulsgebern an den Rädern oder einer Antriebsachse erzeugt werden, wobei auch die Fahrzeuggeschwindigkeit mitberücksichtigt wird; auch lehrt die D4, Leuchtstärke und Blinkfrequenz der Blinklichter in Abhängigkeit von Verzögerungswerten zu steuern (Ansprüche 1 bis 4, Figur 3). Jedoch findet sich in dieser Entgegenhaltung kein Hinweis darauf, das Ansprechen des ABS-Bremssystems als weiteres Auslösekriterium für das zusätzliche Bremssignal heranzuziehen und dieses auf ein Dauerleuchten der beiden hinteren Blink- und/oder Warnleuchten zu beschränken. Auch fehlt eine geschwindigkeitsabhängige Verzögerungswertekurve iS des Anmeldungsgegenstandes.

Die übrigen Druckschriften D1, D3 sowie D5 bis D8 betreffen -- in dieser Reihenfolge -- eine Bremsanordnung, eine Anordnung zur Erfassung und Anzeige von Bremsvorgängen, eine Zusatzsignalleuchte für ein Kraftfahrzeug, eine Zusatzbremsleuchte für Kraftfahrzeuge mit integrierten Fahrtrichtungsanzeigern, eine Vorrichtung zur Vermittlung von Informationen über den Bewegungsablauf von Fahrzeugen sowie eine rückwärtige Signalvorrichtung für ein Straßenfahrzeug. Diese zuletzt genannten Druckschriften liegen vom Anmeldungsgegenstand noch weiter entfernt als die vorstehend erörterten; sie haben in der mündlichen Verhandlung im übrigen keine Rolle gespielt.

Der Gegenstand des geltenden, einzigen Patentanspruchs ist nach alledem patentfähig.

4.) In der Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und das beanspruchte Kraftfahrzeug mit einer Bremssignal-Anordnung anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.

Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Dr. Häußler Pr






BPatG:
Beschluss v. 24.06.2003
Az: 23 W (pat) 15/03


Link zum Urteil:
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