Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2010
Aktenzeichen: 11 W (pat) 1/06

(BPatG: Beschluss v. 22.11.2010, Az.: 11 W (pat) 1/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 22. November 2010 (Aktenzeichen 11 W (pat) 1/06) die Entscheidung der Prüfungsstelle für Klasse D05B des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. Oktober 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen.

Die Prüfungsstelle hatte die Patentanmeldung, die eine "Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine" betrifft, zurückgewiesen. Dabei wurde auf die Gründe des Prüfungsbescheids vom 1. April 2005 verwiesen, in dem unter anderem festgestellt wurde, dass die Anmeldung uneinheitlich sei und dass der Offenbarungsinhalt nicht ausreichend nachvollziehbar sei.

Die Anmelderin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent auf Basis der ursprünglich eingereichten Ansprüche zu erteilen. Sie argumentiert, dass die Ansprüche eine gemeinsame ideelle Grundlage haben und daher als einheitlich zu betrachten sind.

Das Bundespatentgericht gibt der Beschwerde statt und hebt den Beschluss der Prüfungsstelle auf. Es stellt fest, dass die Ansprüche tatsächlich eine gemeinsame ideelle Grundlage haben und daher als einheitlich zu betrachten sind. Die anderen im Prüfungsbescheid genannten Gründe (fehlende Bezugszeichen, fragliche Bezeichnung der Anmeldung und Stand der Technik als Abstracts) können die Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.

Da die Patentierungsvoraussetzungen noch nicht ausreichend geprüft wurden und eine sachgerechtere Prüfung durch das Patentamt erfolgen kann, wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt, da der Anmelder die Frist zur Stellungnahme nicht eingehalten hat.

Es bleibt abzuwarten, wie das Patentamt nach der erneuten Prüfung entscheidet.

Quelle: Bundespatentgericht: Beschluss vom 22. November 2010, Aktenzeichen 11 W (pat) 1/06




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 22.11.2010, Az: 11 W (pat) 1/06


Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse D 05 B des Deutschen Patentund Markenamtes vom 27. Oktober 2005 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse D05B des Deutschen Patentund Markenamts hat durch Beschluss vom 27. Oktober 2005 die am 8. Mai 1998 unter Inanspruchnahme der japanischen Prioritäten vom 09.05.1997 Az.: 135940/97 und vom 31.07.1997 Az.: 221031/97 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine"

gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Der Beschluss der Prüfungsstelle des Deutschen Patentund Markenamts verweist auf die Gründe des Prüfungsbescheids vom 1. April 2005, wo ausgeführt wird, dass die Anmeldung uneinheitlich sei, die nebengeordneten Ansprüche nicht mit genügend Bezugszeichen versehen seien, dass der Frage nachgegangen werden müsse, ob der gesamte Offenbarungsinhalt es rechtfertige, von einer Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine auszugehen, und dass das in der Beschreibungseinleitung Dargestellte nicht ausreichend nachvollziehbar sei, da die abgehandelten Druckschriften über das Archivsystem des DPMA nur als Abstracts zugänglich seien.

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie verfolgt die Patentanmeldung mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen weiter. Überdies verweist sie zur Beschleunigung des Verfahrens auf den Recherchebericht des österreichischen Patentamts.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 5 zu erteilen.

Außerdem beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 2, 3 und 5 lauten:

"1. Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine, bei der ein Drückerfuß (19) in vertikaler Richtung in Abhängigkeit von der Bewegung einer Nadelstange innerhalb eines vorbestimmten Bereichs in Richtung zu einer Nadelposition bewegt wird, und der Drückerfuß je nach Bedarf in eine zurückgezogene Position zurückgezogen wird, deren Höhenlage auf höherem Niveau als der vertikale Bewegungsbereich liegt, mit einem Nocken (52) zum Antreiben des Drückerfußes (19), wobei der Nocken (52) an einer Hauptwelle (50) befestigt ist, einer Koppelvorrichtung (20), die ein erstes Schwenkelement (21), das durch den Nocken (52) in einem vorbestimmten Bereich verschwenkt wird, und ein zweites Schwenkelement (24, 25) aufweist, das mit dem ersten Schwenkelement (21) über ein Koppelglied gekoppelt ist, das mit dem Drückerfuß über ein Koppelglied gekoppelt ist, und das als Reaktion auf die Schwenkbewegung des ersten Schwenkelements (21) verschwenkt wird, wodurch der Drückerfuß (19) in vertikaler Richtung bewegt wird, und einer zur Steuerung der Bewegungsrichtung der Gelenkbewegung vorgesehenen Steuereinrichtung (40), die zum Begrenzen der Richtung der Ortskurve der hinund hergehenden Bewegung eines Gelenks der Koppelvorrichtung (20) sowie zum Ändern der Bewegungsrichtung der hinund hergehenden Bewegung ausgelegt ist, und durch die eine solche Betätigung des zweiten Schwenkelements (24, 25) hervorgerufen wird, daß der Drückerfuß (19) in einem vorbestimmten Bereich in vertikaler Richtung bewegt wird, und dass der Drückerfuß in einen angehobenen Zustand versetzbar ist, bei dem der Drückerfuß in die zurückgezogene Position angehoben ist.

2.

Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine, bei der ein Drückerfuß (19) in vertikaler Richtung in einem vorbestimmten Bereich in Richtung zu einer Nadelposition in Abhängigkeit von der Bewegung einer Nadelstange bewegt wird, bei der der Drückerfuß je nach Bedarf bis in eine zurückgezogene Position zurückgezogen wird, die in einer höheren Lage als der vertikale Bewegungsbereich liegt, mit einem Nocken (52) zum Antreiben des Drückerfußes (19), wobei der Nocken an einer Hauptwelle (50) befestigt ist, und einer Koppelvorrichtung (20), die ein erstes Schwenkelement, das durch den Nocken in einen vorbestimmten Bereich verschwenkt wird, und ein zweites Schwenkelement umfaßt, das mit dem ersten Schwenkelement über ein Koppelglied gekoppelt ist, das mit dem Drückerfuß über ein Koppelglied gekoppelt ist und das als Reaktion auf die Schwenkbewegung des ersten Schwenkelements verschwenkt wird, wodurch der Drückerfuß in vertikaler Richtung bewegt wird, einem Führungsarm, der einen vorderen Endabschnitt, der mit einem Gelenk der Koppelvorrichtung gekoppelt ist, und einen Basisabschnitt aufweist, der schwenkbar derart angebracht ist, daß das Gelenk in hinund hergehender Weise entlang einer vorbestimmten, gekrümmten Ortskurve bewegt werden kann, und einer Führungsarm-Bewegungseinrichtung zum Ändern der Position des Basisabschnittes des Führungsarms, wodurch das zweite Schwenkelement zu einer derartigen Betätigung veranlaßt wird, daß der Drückerfuß in einem vorbestimmten Bereich in vertikaler Richtung bewegt wird und daß der Drückerfuß in einen angehobenen Zustand versetzt wird, bei dem der Drückerfuß in die zurückgezogene Position angehoben ist.

3.

Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine, bei der der Drückerfuß (19) in vertikaler Richtung in Abhängigkeit von der Bewegung einer Nadelstange in Richtung zu einer Nadelposition innerhalb eines vorbestimmten Bereichs bewegt wird und bei der der Drückerfuß je nach Bedarf in eine zurückgezogene Position zurückgezogen wird, die höher liegt als der vertikale Bewegungsbereich, mit einem Nocken (52) zum Antreiben des Drückerfußes, wobei der Nocken an einer Hauptwelle (50) befestigt ist, einer Koppelvorrichtung (20), die ein erstes Schwenkelement, das durch den Nocken in einem vorbestimmten Bereich verschwenkt wird, und ein zweites Schwenkelement umfaßt, das mit dem ersten Schwenkelement über ein Koppelglied gekoppelt ist, das mit dem Drückerfuß über ein Koppelglied gekoppelt und das als Reaktion auf eine Schwenkbewegung des ersten Schwenkelements verschwenkt wird, wodurch der Drückerfuß in vertikaler Richtung bewegt wird, einem Führungsnocken, der eine gebogene Nockenrille aufweist, in die ein Nockenfolger, der an einem Gelenk der Koppelvorrichtung angeordnet ist, eingepaßt ist, so daß das Gelenk in einer vorbestimmten Richtung entlang einer Ortskurve der hinund hergehenden Bewegung bewegt wird, und einer Führungsnocken-Bewegungseinrichtung zum Ändern der Position des Führungsnockens für eine Änderung der Bewegungsrichtung des Gelenks, um hierdurch das zweite Schwenkelement zu einer derartigen Betätigung zu veranlassen, daß der Drückerfuß in einem vorbestimmten Bereich in vertikaler Richtung wird, und daß der Drückerfuß in einen angehobenen Zustand versetzbar ist, bei dem der Drückerfuß in die zurückgezogene Position angehoben ist.

5. Drückerfußvorrichtung für eine Nähmaschine, bei der ein Drückerfuß (19) in Abhängigkeit von der Bewegung einer Nadelstange in vertikaler Richtung in einem vorbestimmten Bereich bewegt wird, und der Drückerfuß (19) je nach Bedarf in eine zurückgezogene Position zurückgeführt wird, die höher liegt als der vertikale Bewegungsbereich, mit einem Drückerfußantriebsnocken, der an einer Hauptwelle befestigt ist, einem ersten Schwenkelement, das an einem Basisrahmen schwenkbar gelagert ist und das einen freien Endabschnitt aufweist, der mit einer Nockenrille des Drückerfuß-Antriebsnockens über einen ersten Nockenfolger in Eingriff steht, einem zweiten Schwenkelement, das zwischen dem ersten Schwenkelement und dem Drückerfuß angeordnet ist, das an dem Basisrahmen schwenkbar gelagert ist, und das einen ersten Arm, der in Richtung zu dem ersten Schwenkelement langgestreckt ist, und einen zweiten Arm umfaßt, der in Richtung zu dem Drückerfuß langgestreckt ist, mindestens zwei Schwenkelement-Koppelgliedern, die derart angeordnet sind, daß der erste Arm des zweiten Schwenkelements mit dem ersten Schwenkelement gekoppelt ist, einem zweiten Nockenfolger der an einem Gelenk eines Koppelgliedes angeordnet ist, das auf der dem ersten Arm gegenüberliegenden Seite angeordnet ist, wobei das Koppelglied eines der mindestens zwei Schwenkelement-Koppelglieder bildet und dieses eine Schwenkelement-Koppelglied mit dem ersten Arm gekoppelt ist, einem Führungsnocken, der eine gebogene Nockenrille aufweist, mit der der zweite Nockenfolger in Eingriff steht, wobei der Führungsnocken an dem Basisrahmen schwenkbar angebracht ist, einer Führungsnocken-Schwenkeinrichtung zum Schwenkbewegen des Führungsnockens mit Bezug zu dem Basisabschnitt, um hierdurch die Position der gebogenen Nockenrille zu ändern, und einem Drückerfuß-Koppelglied, das den zweiten Arm des zweiten Schwenkelements mit dem Drückerfuß koppelt, wobei die Führungsnocken-Schwenkeinrichtung so ausgestaltet ist, daß die gebogene Nockenrille dann, wenn die Position des Führungsnockens so verschwenkt ist, daß das zweite Schwenkelement in den angehobenen Zustand versetzt wird, bei dem der Drückerfuß in eine zurückgezogene Position angehoben ist, mit einer gebogenen Ortskurve übereinstimmt, die an einem auf einer Seite des freien Endes des ersten Arms befindlichen Gelenk zentriert ist."

Wegen des Wortlauts des Patentanspruchs 4 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Verfahren sind folgende Druckschriften:

(D1) DE 29 38 894 C2

(D2) DE 199 18 169 A1

(D3) JP 07-231 991 A (Abstract)

(D4) JP 06-238 078 A (Abstract).

II.

Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufgehoben wird.

Das von der Prüfungsstelle beanstandete Fehlen der Einheitlichkeit der Ansprüche 1, 2, 3 und 5 liegt nicht vor. Die Einheitlichkeit ist gegeben, wenn -wie im vorliegenden Fall -zwischen einer Gruppe von Erfindungen, die eine einzelne, allgemeine erfinderische Idee verwirklichen, ein technischer Zusammenhang besteht, der in gleichen oder gleichwirkenden, besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck kommt (Busse Patentgesetz 6. Aufl. § 34 Rdn. 116). Der Fachmann entnimmt den Ansprüchen die gemeinsame Idee, bei einer Nähoder Stickvorrichtung die hinund hergehende Bewegung des Gelenks einer Koppelvorrichtung so zu beeinflussen, dass die vom Gelenk bewirkte vertikale Bewegung des Drückerfußes verändert werden kann und überdies der Drückerfuß in eine zurückgezogene Stellung versetzt werden kann. Hierzu geben die nebengeordneten Ansprüche verschiedene gleichwirkende Mittel an. Anspruch 1 gibt hierzu eine Steuereinrichtung an, Anspruch 2 einen in der Position veränderbaren Führungsarm, Anspruch 3 einen in der Position veränderbaren Führungsnocken und Anspruch 5 eine detaillierter Ausgestaltung mit einem in der Position veränderbaren Führungsnocken.

Demnach sind die nebengeordneten Ansprüche einheitlich, da sie gleichwirkende, besondere technische Merkmale angeben, denen eine einzelne allgemeine Idee zugrunde liegt.

Die anderen im Bescheid der Prüfungsstelle des Patentamts genannten Gründe (nicht genügend Bezugszeichen, fragliche Bezeichnung der Anmeldung und nur als Abstracts vorliegender Stand der Technik) können die Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen, da diese keine in den §§ 34, 36, 37 und 38 genannten Mängel betreffen, noch hiermit belegt werden kann, dass eine patentfähige Erfindung nach den §§ 1 bis 5 nicht vorliegt.

Eine sachliche Prüfung der Gegenstände der Ansprüche 1 bis 5 auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit hat bisher offensichtlich nicht stattgefunden.

Da ein formaler Zurückweisungsgrund somit nicht besteht, wesentliche Patentierungsvoraussetzungen noch nicht oder nicht ausreichend geprüft sind und es sachgerechter ist, wenn die Prüfung auf Patentfähigkeit durch die Prüfungsstelle im Deutschen Patentund Markenamt mit dem ihr zur Verfügung stehenden Prüfstoff durchgeführt wird, wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, an das Patentamt zurückverwiesen (§ 79 Abs. 3, Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 PatG).

Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann nicht entsprochen werden, da sich der Anmelder nicht vor Ablauf der von der Prüfungsstelle im Bescheid vom 1. April 2005 gesetzten Frist von 4 Monaten geäußert hat und damit das Risiko der erfolgten Zurückweisung wegen versäumter Frist auf sich genommen hat (Busse Patentgesetz 6. Aufl. § 80 Rdn. 137).

Dr. W. Maier v. Zglinitzki Rothe Fetterroll Bb






BPatG:
Beschluss v. 22.11.2010
Az: 11 W (pat) 1/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/5288c40e6833/BPatG_Beschluss_vom_22-November-2010_Az_11-W-pat-1-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share