Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 321/03

(BPatG: Beschluss v. 01.12.2004, Az.: 32 W (pat) 321/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2004 entschieden, dass die Beschwerde gegen eine Wortmarke mit dem Aktenzeichen 32 W (pat) 321/03 zurückgewiesen wird.

In der Angelegenheit geht es um den Widerspruch gegen eine Wortmarke, die für Schokolade, Schokoladewaren, Fein- und Dauerbackwaren, süße Brotaufstriche, Zuckerwaren und Dragees für nicht medizinische Zwecke beim Markenregister eingetragen wurde. Der Widerspruch wurde von einer prioritätsälteren deutschen Marke erhoben, die u.a. Schutz für diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke genießt.

Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 29. September 2003 zurückgewiesen. Der Grund dafür war, dass keine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit zwischen den beanspruchten Waren bestehe. Die Beurteilung erfolgte unter Berücksichtigung der stofflichen Beschaffenheit, des Verwendungszwecks und der üblichen Vertriebswege. Die beteiligten Verkehrskreise würden in der Regel keine Verbindungen zwischen Süßwaren und diätetischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke vermuten.

Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass eine hohe Warenähnlichkeit zwischen den beanspruchten Erzeugnissen bestehe. Außerdem seien die Marken laut Beschwerdeführerin hochgradig ähnlich, da sie sich nur im Anfangsbuchstaben unterscheiden und der Buchstabe A ans Ende der einen Marke verschoben worden sei. Die Beschwerdeführerin legte außerdem zwei Internet-Ausdrucke vor, die zeigen sollten, dass die Widerspruchsmarke an Kennzeichnungsschwäche leide.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass keine Gefahr einer Verwechslung der Marken bestehe. Die Gesamteindrücke beider Marken seien schriftbildlich und klanglich vollkommen unterschiedlich. Die angebliche Silbenrotation sei nicht klar erkennbar und könne nur dann verwechslungsbegründend sein, wenn weitreichende Ähnlichkeiten bestehen und die genaue Silbenfolge nicht mehr bewusst ist. Da die schriftbildlichen und klanglichen Eindrücke beider Marken jedoch so unterschiedlich seien, könne eine Marke nicht für die andere gehalten werden.

Es bestehe auch keine Gefahr der Markenverwechslung infolge gedanklichen In-Verbindung-Bringens. Die gemeinsame Buchstabenfolge der Marken werde nicht als Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden wahrgenommen.

Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde daher zurück und entschied, dass keine Verfahrenskosten auferlegt werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 01.12.2004, Az: 32 W (pat) 321/03


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 17. Mai 2001 angemeldete und am 23. August 2001 unter der Nr 301 31 213 für Schokolade, Schokoladewaren, Fein- und Dauerbackwaren; süße Brotaufstriche; Zuckerwaren; Dragees für nicht medizinische Zweckein das Markenregister eingetragene Wortmarke Cerolaist aus der prioritätsälteren deutschen Marke 396 54 011 (angemeldet am 12. Dezember 1996)

ACEROL Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt u. a. Schutz fürdiätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke.

Der Widerspruch richtet sich gegen alle identischen und ähnlichen Waren.

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 29. September 2003 zurückgewiesen.

Es bestehe keine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit zwischen den jeweils beanspruchten Waren. Diese Beurteilung gelte im Hinblick auf die stoffliche Beschaffenheit, den Verwendungszweck und die üblichen Vertriebswege. Bereits der Zuordnung zu unterschiedlichen Klassen komme eine gewisse Indizwirkung zu. Letztlich maßgeblich sei aber die subjektive Auffassung der beteiligten Verkehrskreise. Diese würden regelmäßig keine Verbindungen zwischen Produkten, welche dem Bereich der Süßwaren zuzuordnen seien, und diätetischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke annehmen. Die Waren der angegriffenen Marke enthielten sämtlich Zucker und seien Genußmittel; die Waren der Widerspruchsmarke, soweit es um diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel gehe, dienten der Förderung der Gesundheit. Auf die Frage der Zeichenähnlichkeit komme es daher nicht an.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie stellt den (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die jüngere Marke aus dem Markenregister zu löschen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle bestehe hochgradige Warenähnlichkeit zwischen den jeweils beanspruchten Erzeugnissen. Dies gelte im Verhältnis von "Fein- und Dauerbackwaren" der angegriffenen Marke zu den "diätetischen Lebensmitteln" der Widerspruchsmarke, da die unterschiedlichen Zweckbestimmungen vom Verbraucher nicht ohne weiteres erkannt würden. Nach der Rechtsprechung des HABM seien "Zuckerwaren" und "Lebensmittel für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke" einander ähnlich. Eine Verwendung von Zuckeraustauschstoffen könne bei Zuckerwaren nicht ausgeschlossen werden. Zwischen Schokoladeerzeugnissen und pharmazeutischen Drogen und Präparaten bestehe Ähnlichkeit aufgrund der Anregungs- und Wachhalteeigenschaften von Schokolade. Schließlich bestehe hochgradige Ähnlichkeit von Backwaren und diätetischen Nährmitteln.

Beide Marken unterschieden sich nur dadurch, daß der Anfangsbuchstabe A der Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke im Sinne einer anagrammatischen Klangrotation zum Wortende versetzt worden sei. Der jeweilige Bestandteil CEROL sei identisch. Da der Verkehr den Vergleichsmarken üblicherweise nicht gleichzeitig gegenüberstehe, sondern diesen zeit- und ortsversetzt begegne, werde er die Klangrotation nicht ohne weiteres erkennen und sich daher beim Anblick der angegriffenen Kennzeichnung sofort an die Widerspruchsmarke erinnern.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf einen (von ihr vorgelegten) Beschluß der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. September 2004, durch den in einem Erinnerungsverfahren mit denselben Beteiligten wie im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr der sich dort gegenüberstehenden Marken "Liberty Cerola" und "ACEROL" mangels Markenähnlichkeit verneint wurde. Außerdem leide die Widerspruchsmarke an originärer Kennzeichnungsschwäche, da sie von der glatt beschreibenden Angabe "Acerola", der Bezeichnung einer Pflanze und deren Frucht, abgeleitet sei (unter Hinweis auf zwei Internet-Ausdrucke).

In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin einen weiteren Internet-Ausdruck eingereicht zum Beleg dafür, daß das HABM die von der Widersprechenden dort angemeldete Marke ACEROLA (u. a. für Waren in Klasse 5, die denen der Widerspruchsmarke ACEROL entsprechen) von der Eintragung in das Gemeinschaftsmarkenregister zurückgewiesen hat.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet; die sich gegenüberstehenden Marken unterliegen keiner Gefahr einer Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs 1 Nr 2, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kenzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

Ob - wie die Markenstelle angenommen hat - zwischen den von der jüngeren Marke beanspruchten Waren in Klasse 30 und den hier maßgeblichen Erzeugnissen der Widerspruchsmarke in Klasse 5 in Anbetracht der unterschiedlichen Zweckbestimmung (einerseits Genuß, andererseits Förderung der Gesundheit) überhaupt keine Ähnlichkeit besteht, oder in Anwendung der Grundsätze der Netto 62-Entscheidung des 25. Senats des Bundespatentgerichts (GRUR 2000, 432) grundsätzlich von Ähnlichkeit auszugehen ist - wobei dann allerdings der nicht unbeträchtliche Warenabstand zu berücksichtigen wäre -, kann letztlich dahinstehen, weil jedenfalls die Vergleichsmarken sich nicht in einer verwechslungsbegründenden Weise ähnlich sind. Deshalb bedarf es vorliegend auch keiner Entscheidung, ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ACEROL durch die, offensichtlich gewollte, Anlehnung an den Pflanzennamen Acerola von Hause aus schwach ist.

Der Gesamteindruck beider Vergleichsmarken ist sowohl schriftbildlich wie klanglich völlig unterschiedlich. Fälle des Sich-Verhörens oder -Verlesens sind ausgeschlossen. Daß beide Markenwörter die Buchstabenfolge CEROL enthalten und der Buchstabe A im einen am Anfang in Erscheinung tritt, im anderen nachgestellt ist, bemerkt der unbefangene Betrachter nicht ohne weiteres; hierfür bedarf es vielmehr einer analysierenden Zergliederung der Marken, welche der Verkehr regelmäßig nicht vornimmt, schon gar nicht bei geringwertigen Waren der vorliegenden Art. Die - angebliche - Silbenrotation, auf welche die Widersprechende abstellt, tritt nicht klar zutage. Eine solche kann sich zudem nur dann verwechslungsbegründend auswirken, wenn im Gesamteindruck weitgehende Ähnlichkeiten verbleiben und - vor allem aus der manchmal undeutlichen Erinnerung heraus - die genaue Silbenfolge nicht mehr bewußt ist (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 190). Vorliegend ist aber der schriftbildliche und klangliche Eindruck beider Marken so unterschiedlich, daß auch aus der Erinnerung heraus die eine Marke nicht für die andere gehalten werden kann.

Es besteht auch keine Gefahr der Markenverwechslung infolge gedanklichen In-Verbindung-Bringens (sog. assoziative Verwechslungsgefahr). Die beiden Marken gemeinsame Buchstabenfolge CEROL tritt nicht nach Art eines Stammbestandteils mit Hinweiskraft auf das Unternehmen der Widersprechenden in Erscheinung. Diese hat nichts dafür vorgetragen, daß sie über eine Zeichenserie mit diesem Bestandteil verfügt.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs 1 MarkenG) besteht kein Anlaß.

Viereck Müllner Kruppa Hu






BPatG:
Beschluss v. 01.12.2004
Az: 32 W (pat) 321/03


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