Bundesgerichtshof:
Urteil vom 23. Februar 2010
Aktenzeichen: XI ZR 190/09

(BGH: Urteil v. 23.02.2010, Az.: XI ZR 190/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil vom 23. Februar 2010 über die Klage eines Verbraucherschutzverbandes gegen eine Sparkasse entschieden. Der Verbraucherschutzverband forderte von der Sparkasse, es zu unterlassen, Verbrauchern die Einsichtnahme in ihr Preis- und Leistungsverzeichnis zu verweigern und das Verzeichnis auf Verlangen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen und auch der Bundesgerichtshof wies die Revision des Klägers zurück.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Verbraucherschutzverband in der Revisionsbegründung nicht ausreichend auf den ersten Antrag eingegangen war, der sich auf den Anspruch von Interessenten bezog, die Verbraucher sind, Einsicht in das Preis- und Leistungsverzeichnis zu nehmen. Der Verbraucherschutzverband argumentierte stattdessen lediglich für seinen Anspruch auf Einsichtnahme in das Verzeichnis. Da es sich hierbei um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, muss die Revision für jeden Streitgegenstand ausreichend begründet werden.

Das Gericht wies die Klage auch in Bezug auf den Anspruch des Verbraucherschutzverbandes auf Zurverfügungstellung des Verzeichnisses zurück. Es stellte fest, dass die Sparkasse nach § 675a BGB nur Kunden oder potenziellen Kunden Einsicht in das Verzeichnis gewähren muss. In diesem Fall handelte es sich bei den Mitarbeitern des Klägers nicht um potenzielle Kunden, da bei ihrem Besuch in den Geschäftsräumen der Sparkasse keine Rede von einem Konto oder einer anderen Banktransaktion war, sondern lediglich um die Einsichtnahme in das Verzeichnis.

Das Gericht argumentierte weiter, dass der Verbraucherschutzverband auch kein Informationsrecht gemäß § 675a BGB analog auf Verbraucherschutzverbände ausdehnen könne. Der Gesetzgeber habe den Anspruch bewusst nur auf Kunden bzw. potenzielle Kunden des Auskunftspflichtigen im Rahmen der Geschäftsanbahnung beschränkt. Eine Ausdehnung auf Personen, die keine Geschäftsbeziehung mit dem Auskunftspflichtigen anstreben, sei nicht gerechtfertigt.

Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Richtlinie 93/13/EWG des Rates, die den Verbraucherschutz betrifft, keine Vorabkontrolle vorsieht und die Rechte von Verbraucherschutzverbänden im Unterlassungsklagengesetz und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregelt sind, nicht jedoch im Bürgerlichen Gesetzbuch. Daher könne der Verbraucherschutzverband sein Ziel, unzulässige Klauseln zu beanstanden, auch ohne das geltend gemachte Informationsrecht erreichen.

Das Gericht führte weiter aus, dass der Kläger auch keinen Anspruch gemäß § 675d BGB auf Informationspflichten von Zahlungsdienstleistern hat, da diese Pflichten nur Zahlungsdienstnutzern gegenüber bestehen.

Zusammenfassend ist die Klage des Verbraucherschutzverbandes gegen die Sparkasse unbegründet, da weder ein Anspruch auf Einsichtnahme in das Preis- und Leistungsverzeichnis noch auf Zurverfügungstellung desselben besteht.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Urteil v. 23.02.2010, Az: XI ZR 190/09


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist ein auf bankrechtlichen Verbraucherschutz spezialisierter Verbraucherschutzverband und als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist eine Sparkasse.

Der Kläger nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld und -haft zu unterlassen, Interessenten, die Verbraucher sind, die Einsichtnahme in ihr vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zu verweigern, und dem Kläger auf Verlangen unentgeltlich mittels Email, Fax oder Briefpost ihr aktuelles vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Gründe

Die Revision ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

A.

Die Revision ist unzulässig, soweit mit ihr der Antrag weiterverfolgt wird, die Beklagte zu verpflichten, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld und -haft zu unterlassen, Interessenten, die Verbraucher sind, die Einsichtnahme in ihr vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zu verweigern. Hinsichtlich dieses Antrags entspricht die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO.

Der Kläger greift mit der Revision das gesamte Berufungsurteil an und verfolgt seine in der Berufungsinstanz gestellten Schlussanträge uneingeschränkt weiter. Die Revision macht damit neben dem bereits bezeichneten Anspruch von Interessenten, die Verbraucher sind, Einsicht in das Preis- und Leistungsverzeichnis zu nehmen, den Anspruch des Klägers auf Zurverfügungstellung eines Preis- und Leistungsverzeichnisses geltend. Hierbei handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände im prozessualen Sinne (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 8. Mai 2007 - XI ZR 278/06, WM 2007, 1241, Tz. 15 ff.). Erstreckt sich die Revision auf mehrere Streitgegenstände, muss sie in Bezug auf jeden Streitgegenstand ausreichend begründet werden (BAG NJW 2007, 3739, Tz. 32; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 551 Rn. 12; für die entsprechenden Anforderungen an eine Berufungsbegründung: BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, NJW-RR 2006, 1044, Tz. 22).

Im vorliegenden Fall geht der Kläger in der Revisionsbegründung jedoch auf die Abweisung des Antrags, der den Anspruch von Interessenten, die Verbraucher sind, betrifft, nicht ein. In der Revisionsbegründung wird vielmehr ausdrücklich ausgeführt, im Streit stehe, ob dem Kläger ein Anspruch auf Einsichtnahme in das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten zustehe. Allein dieser Anspruch wird näher begründet, insbesondere unter Bezugnahme auf Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29 - 34), der die Rechte von Personen und Organisationen, die - wie der Kläger - ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, betrifft.

In diesen Ausführungen kann nicht zugleich eine Begründung der Revision, soweit sie sich gegen die Abweisung des ersten Antrags wendet, der Ansprüche von Interessenten, die Verbraucher sind, betrifft, gesehen werden. Dem steht entgegen, dass die beiden Anträge Ansprüche verschiedener Personen betreffen. Der Kläger, dessen Anspruch Gegenstand des zweiten Antrags ist, ist kein Verbraucher im Sinne des ersten Antrags. Er ist als eingetragener Verein eine juristische Person. Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sind hingegen nur natürliche Personen (ebenso für den Begriff des Verbrauchers im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EG Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29 - 34: EuGH NJW 2002, 205). Diese Regelung ist abschließend (Erman/ I. Saenger, BGB, 12. Aufl., § 13 Rn. 5). Verbraucherschutzverbände wie der Kläger sind demnach keine Verbraucher (Schmidt-Räntsch in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 13 Rn. 5).

B.

Im Übrigen, soweit der Anspruch des Klägers auf Zurverfügungstellung eines Preis- und Leistungsverzeichnisses im Streit steht, ist die Revision zulässig, aber unbegründet.

I.

Insoweit hat das Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte müsse gemäß § 675a BGB nur Kunden bzw. im Rahmen der Geschäftsanbahnung potentiellen Kunden Einsicht in ihr Preis- und Leistungsverzeichnis gewähren. Die Mitarbeiter des Klägers, die am 25. Juni 2007 die Geschäftsräume der Beklagten aufgesucht und sich als interessierte Besucher vorgestellt hätten, seien nicht als potentielle Kunden anzusehen, weil im Rahmen dieses Besuchs nicht von der Einrichtung eines Kontos oder der Durchführung eines anderen Bankgeschäfts die Rede gewesen, sondern ohne weiteres Einsicht in das Preis- und Leistungsverzeichnis verlangt worden sei.

Das geltend gemachte Einsichtsrecht stehe dem Kläger auch nicht gemäß § 312b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 312c BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV zu. Der Kläger habe nicht dargelegt, warum er sich auf Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen beziehe. Zudem begründeten diese Vorschriften Informationspflichten nur gegenüber potentiellen Kunden. Auch § 12 BGB-InfoV spreche ausdrücklich von Pflichten gegenüber tatsächlichen und möglichen Kunden.

Die Klageforderung sei aufgrund der genannten Vorschriften des deutschen Rechts auch dann nicht begründet, wenn diese richtlinienkonform ausgelegt würden. § 675a BGB diene der Umsetzung der Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (ABl. EG Nr. L 43 vom 14. Februar 1997, S. 25 - 30). Nach Art. 3 dieser Richtlinie stellten die Institute ihren tatsächlichen und möglichen Kunden bestimmte Informationen zur Verfügung.

Für eine analoge Anwendung des § 675a Abs. 1 BGB auf Verbraucherschutzverbände fehle eine vergleichbare Interessenlage. Während einem Kunden durch die Einsichtnahme in das Preis- und Leistungsverzeichnis ein Konditionenvergleich ermöglicht werden solle, wolle der Kläger das Verzeichnis darauf kontrollieren, ob einzelne Klauseln Anlass zur Beanstandung im Wege einer Abmahnung oder Unterlassungsklage gäben. Auch eine planwidrige Regelungslücke sei nicht gegeben. Die Rechte von Verbraucherschutzverbänden seien im Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und in den einschlägigen EG-Richtlinien, aber nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Außerdem begründe das BGB Informationspflichten erst im Stadium der Aufnahme von Vertragsverhandlungen.

Die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge ergebe sich auch nicht aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 2, 3, 13 UKlaG, § 675a BGB, Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29 - 34), Art. 1, 2, 4, 7 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 vom 11. Juni 1998, S. 51 - 55). In § 13 UKlaG habe der Gesetzgeber den Verbraucherschutzverbänden bewusst nur ein restriktiv zu verstehendes Auskunftsrecht in Bezug auf den Namen und die zustellungsfähige Adresse bestimmter Unternehmen eingeräumt. Einen weitergehenden Auskunftsanspruch sähen weder Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG noch die Richtlinie 98/27/EG vor. Im Gegenteil verbiete die Richtlinie 93/13/EWG im vorletzten Absatz ihrer Erwägungsgründe eine Vorabkontrolle. Der 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 98/27/EG stelle ausdrücklich auf beanstandete Verstöße ab. Das in Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG vorgesehene Recht, missbräuchliche Klauseln zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren zu machen, stehe Verbraucherschutzverbänden nach dem UKlaG zu. Eigene, von einem konkreten Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften unabhängige Ermittlungs- und Auskunftsbefugnisse wolle das europäische Verbraucherschutzrecht den Verbraucherschutzverbänden nicht einräumen.

Die Belastung eines Kreditinstituts mit einer Auskunftspflicht außerhalb der Anbahnung eines Geschäfts stelle einen Eingriff in die Berufsausübungs-, jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, und bedürfe einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die der deutsche Gesetzgeber nicht getroffen habe. Der Kläger sei auch ohne das geltend gemachte Auskunftsrecht nicht in der Ausübung seiner satzungsmäßigen Aufgaben beschränkt, weil ihm die zur Vorbereitung von Klagen nach dem UKlaG benötigten Informationen von Kunden der Kreditinstitute geliefert werden könnten.

Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu der Frage, ob Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG einen Auskunftsanspruch von Verbraucherschutzverbänden gegen Klauselverwender vorsehe, sei nicht veranlasst, weil ein solches Informations- und Auskunftsrecht sich der Richtlinie nicht entnehmen lasse.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch, dem Kläger auf Verlangen unentgeltlich mittels Email, Fax oder Briefpost ein aktuelles vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

1. Der Kläger kann seine Forderung nicht auf § 675a BGB stützen.

a) Diese Vorschrift regelt allerdings entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung in ihrer durch Art. 1 Nr. 46 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. S. 2355) geänderten Fassung weiterhin Informationspflichten - auch - von Kreditinstituten, soweit diese nicht zur Erbringung von Zahlungsdiensten tätig werden. Die Änderung des § 675a BGB trägt der Ersetzung der Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (ABl. EG Nr. L 43 vom 14. Februar 1997, S. 25 - 30), deren Umsetzung § 675a BGB diente, durch die Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. EU Nr. L 319 vom 5. Dezember 2007, S. 1 - 36) Rechnung. In Umsetzung der letztgenannten Richtlinie sind die Informationspflichten von Zahlungsdienstleistern nunmehr gebündelt in § 675d BGB geregelt. Die Informationspflichten gem. § 675a BGB sind deshalb, soweit sie Zahlungsdienste betrafen, aufgehoben worden (Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, BT-Drucksache 16/11643, S. 98). Da § 675d BGB als Sondervorschrift nur für Zahlungsdienste (Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 675a Rn. 2) gilt, bleibt § 675a BGB für andere Leistungen und Preise der Beklagten, auf die sich die Klage auch erstreckt, anwendbar.

b) Die nach § 675a BGB geschuldete Zurverfügungstellung von Informationen besteht aber nur in der Bereithaltung der Informationen zur Kenntnisnahme, z.B. durch Aushang in den Geschäftsräumen oder Bereitstellung im Internet oder an einem Lesegerät (Staudinger/Martinek, BGB (2006), § 675a Rn. 11; MünchKomm/Heermann, BGB, 5. Aufl., § 675a Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 675a Rn. 4). Die mit der Klage begehrte Übermittlung per Email, Fax oder Briefpost an den Kläger ist daher von vornherein nicht geschuldet.

c) Außerdem steht der Informationsanspruch gemäß § 675a BGB dem Kläger als Verbraucherschutzverband nicht zu. Der Wortlaut des § 675a BGB bringt zwar nicht zum Ausdruck, wer Inhaber der in dieser Vorschrift geregelten Ansprüche ist. Der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck ist aber eindeutig zu entnehmen, dass der Anspruch nur Kunden und potentiellen Kunden des Auskunftspflichtigen im Rahmen der Geschäftsanbahnung zusteht. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

aa) Nach der Begründung des Regierungsentwurfs eines Überweisungsgesetzes (BT-Drucksache 14/745, S. 15 zu § 676 E) dient § 675a BGB der Umsetzung der Art. 3 bis 5 der Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (ABl. EG Nr. L 43 vom 14. Februar 1997, S. 25 - 30). Art. 3 der Richtlinie sieht vor, dass Institute im Sinne der Richtlinie "ihren tatsächlichen und möglichen Kunden" bestimmte Informationen zur Verfügung stellen. Auch nach Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 sind den "Kunden" eines Instituts bestimmte Informationen zu erteilen. Nach dem achten Erwägungsgrund legt die Richtlinie im Interesse der Transparenz Mindestanforderungen für eine ausreichende "Kundeninformation" fest.

bb) Bei der Umsetzung dieser Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber die Auskunftspflicht nicht auf Kreditinstitute beschränkt, sondern auch auf andere Anbieter von Geschäftsbesorgungsverträgen erstreckt. Er hat den in § 675a BGB geregelten individuellen Informationsanspruch aber als "Anspruch auf Geschäftsanbahnungsinformationen" verstanden (BT-Drucksache 14/745, S. 15 zu § 676 E), der demgemäß nur Personen zusteht, die in einer Geschäftsbeziehung zu einem Auskunftspflichtigen stehen oder in Erwägung ziehen, in eine solche Geschäftsbeziehung zu treten, d.h. Dienstleistungen des Auskunftspflichtigen in Anspruch zu nehmen und einen Vertrag mit ihm zu schließen. Aufgrund der Zielsetzung des § 675a BGB, Geschäftsanbahnungsinformationen zu vermitteln, steht der Anspruch nur tatsächlichen oder potentiellen Kunden oder Auftraggebern des Auskunftspflichtigen zu (Gößmann/van Look, WM 2000, SB Nr. 1, S. 16; Staudinger/Martinek, BGB (2006), § 675a Rn. 3 und 18; PWW/Fehrenbacher, BGB, 4. Aufl., § 675a Rn. 4; Erman/Graf v. Westphalen, BGB, 12. Aufl., § 675a Rn. 1: "Stadium des rechtsgeschäftlichen Kontakts"; MünchKomm/Heermann, BGB, 5. Aufl., § 675a Rn. 1: "Stadium der Geschäftsanbahnung").

Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch bestätigt, dass der in § 675a Abs. 1 Satz 2 BGB aF in Bezug genommene Art. 239 EGBGB aF, der das Bundesministerium der Justiz ermächtigte, durch Rechtsverordnung weitere Informationspflichten für Kreditinstitute festzulegen, ausdrücklich von Angaben sprach, über die Unternehmer ihre Kunden zu unterrichten hatten. Auch die auf dieser Ermächtigungsgrundlage geschaffenen §§ 12 und 13 BGB-InfoV aF sahen Informationspflichten gegenüber tatsächlichen und möglichen Kunden (§ 12 Abs. 1 BGB-InfoV aF) vor.

cc) § 675a BGB kann zugunsten von Verbraucherschutzverbänden nicht analog angewandt werden.

Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (BGHZ 149, 165, 174 m.w.N.) und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen, wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 13. März 2003 - I ZR 290/00, ZIP 2003, 1204, 1206; vgl. auch BGHZ 105, 140, 143; 110, 183, 192; 120, 239, 252). Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden - Regelungsplan ergeben (BGHZ 155, 380, 389 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Eine unbeabsichtigte Regelungslücke liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat, wie dargelegt, in § 675a BGB einen Anspruch auf Geschäftsanbahnungsinformationen geschaffen. Entsprechend diesem Regelungszweck ist der Anspruch bewusst auf tatsächliche und potentielle Kunden des Auskunftspflichtigen begrenzt und nicht auf Personen erstreckt worden, die gar nicht in Erwägung ziehen, in eine Geschäftsbeziehung zu dem Auskunftspflichtigen zu treten und rechtsgeschäftlichen Kontakt zu ihm aufzunehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage dieser beiden Personengruppen besteht kein Anlass, auch denjenigen, die keine Geschäftsbeziehung zu einem Auskunftspflichtigen anstreben, einen Anspruch auf Geschäftsanbahnungsinformationen zu geben.

dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Erstreckung des Informationsanspruches gemäß § 675a BGB auf Verbraucherschutzverbände auch nicht zur ordnungsgemäßen Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29 - 34) erforderlich.

Nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird. Diese Mittel müssen nach Art. 7 Abs. 2 auch Rechtsvorschriften einschließen, nach denen Personen und Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen.

Art. 7 der Richtlinie zielt mithin auf die Schaffung von effektiven überindividuellen Instrumenten zum Schutz des Rechtsverkehrs vor unseriösen Klauselwerken und ordnet an, dass zu diesen Instrumenten auch die Schaffung einer Klagemöglichkeit bzw. Antragsbefugnis für Verbraucherrepräsentanten oder -verbände gehören muss (Pfeiffer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band IV, Stand 13. EL Mai 1999, A5 - Richtlinie, Art. 7 Rn. 1). Eine Vorabkontrolle, d.h. ein präventives Verbots- oder Genehmigungsverfahren in Form einer Klauselzensur, ist, wie aus dem vorletzten Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, nicht geboten (Pfeiffer, aaO, Rn. 15). Diesen Anforderungen der Richtlinie entspricht das deutsche Recht mit den Kontrollverfahren nach §§ 1 ff. UKlaG in vollem Umfang (Hensen in Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 1 UKlaG, Rn. 1; Wolf in Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Richtlinie, Art. 7 Rn. 4; Eckert, WM 1993, 1070, 1078; Nassall in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kapitel 5 Rn. 24).

Art. 7 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten nicht, Verbraucherschutzverbänden neben der Klagemöglichkeit bzw. Antragsbefugnis auch das mit der Klage geltend gemachte Informationsrecht einzuräumen. Die Klagemöglichkeit bzw. Antragsbefugnis ist nach Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie das einzige den Verbraucherschutzverbänden einzuräumende Recht zur Bekämpfung missbräuchlicher Klauseln. Die Richtlinie fordert dagegen nicht, dass als weiteres Mittel das mit der Klage geltend gemachte Recht auf Zurverfügungstellung der Klauselwerke gegeben sein muss. Der Wortlaut der Richtlinie enthält hierfür keinen Anhaltspunkt.

Die Revision bezieht sich insoweit ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des EuGH. Dieser hat entschieden, dass die Richtlinie erfordert, dass ein nationales Gericht in einem Rechtsstreit zwischen einem AGB-Verwender und seinem Kunden von Amts wegen ohne Rüge des Kunden prüfen muss, ob eine Klausel des ihm vorgelegten Vertrages missbräuchlich ist (EuGH, NJW 2000, 2571, Tz. 27 f.; EuZW 2003, 27, Tz. 34; NJW 2009, 2367, Tz. 30; EuZW 2009, 852, Tz. 32). Diese Rechtsprechung beinhaltet keine Entscheidung über die Rechte von Verbraucherschutzverbänden. Dass deren in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehene Klagebefugnis nicht von einer vorherigen Rüge einer Klausel durch einen Kunden des Klauselverwenders abhängig ist, ergibt sich eindeutig aus der Richtlinie und wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Der Richtlinie und der Rechtsprechung des EuGH ist aber nicht ansatzweise zu entnehmen, dass einem Verbraucherschutzverband zur Ausübung und Vorbereitung seiner Klagebefugnis das mit der Klage geltend gemachte Informationsrecht zustehen muss. Der Richtliniengeber hat dieses Recht nicht in die Richtlinie aufgenommen, sondern ist - wie die gerichtliche Praxis der Unterlassungsklage zeigt, zu Recht - davon ausgegangen, dass den Verbraucherschutzverbänden die Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben und die Ausübung ihrer Klagebefugnis auch ohne dieses Recht möglich ist, weil die im Rechtsverkehr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen - nur auf solche bezieht sich die Klage - auch ohne das in Rede stehende Informationsrecht in der betroffenen Öffentlichkeit hinreichend bekannt sind. Die Effektivität, der präventive Charakter und der Abschreckungszweck der Rechtsbehelfe nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. Nassall in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kapitel 5 Rn. 22) erfordern deshalb entgegen der Auffassung der Revision dieses Recht nicht.

Die Auslegung des § 675a BGB erfordert entgegen der Auffassung der Revision keine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 7 der Richtlinie. Die richtige Auslegung der Richtlinie ist aus den dargelegten Gründen derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NJW 1988, 1456; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 150/05, WM 2007, 373, Tz. 18).

2. Die Klage ist für den Bereich der Zahlungsdienste auch nicht gemäß § 675d BGB begründet. Die hier normierten Informationspflichten von Zahlungsdienstleistern bestehen nur gegenüber Zahlungsdienstnutzern. Dies entspricht dem 21. Erwägungsgrund und den Art. 30 ff. der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. EU Nr. L 319 vom 5. Dezember 2007, S. 1 - 36). Zahlungsdienstnutzer sind Personen, die einen Zahlungsdienst als Zahler, Zahlungsempfänger oder in beiden Eigenschaften in Anspruch nehmen (§ 675f Abs. 1 BGB, Art. 4 Nr. 10 der Richtlinie). Dies trifft auf den Kläger, der, wie dargelegt, nicht zu den Kunden oder potentiellen Kunden der Beklagten gehört, nicht zu.

3. Die Klageforderung ist, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, nicht aufgrund einer analogen Anwendung des § 13 UKlaG begründet.

Nach § 13 Abs. 1 UKlaG haben Verbraucherschutzverbände gegen geschäftsmäßige Erbringer von Post-, Telekommunikations- oder Telemediendiensten unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Auskunft über den Namen und die zustellungsfähige Anschrift von Beteiligten an Post-, Telekommunikations- oder Telemediendiensten. Ein Anspruch gegen Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf Einsichtnahme in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf deren Zurverfügungstellung kann der Vorschrift auch aufgrund einer analogen Anwendung nicht entnommen werden. Dafür fehlt bereits eine planwidrige Regelungslücke (vgl. BGHZ 149, 165, 174).

Der Gesetzgeber hat durch die Begründung des Auskunftsrechts nach § 13 Abs. 1 UKlaG gezielt dem Problem abhelfen wollen, dass das Klagerecht der Verbraucherschutzverbände oft leer läuft, weil Unternehmen, die ihre Geschäfte mit Hilfe von Post-, Telekommunikations- oder Telemediendiensten betreiben, unter einer Anschrift handeln, unter der sie nicht verklagt werden können (Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucksache 14/6857, S. 39 f. zu § 12 E). § 13 Abs. 1 UKlaG ist deshalb bewusst auf die Mitteilung des Namens und der zustellungsfähigen Anschrift dieser Unternehmen beschränkt worden. Auf weitere Informationen ist der Auskunftsanspruch bewusst nicht erstreckt worden.

Auch die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 vom 11. Juni 1998, S. 51 - 55) sieht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht vor.

Wiechers Joeres Mayen Maihold Matthias Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 10.12.2008 - 2/6 O 168/08 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 27.05.2009 - 17 U 7/09 -






BGH:
Urteil v. 23.02.2010
Az: XI ZR 190/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/4d69041dfeb9/BGH_Urteil_vom_23-Februar-2010_Az_XI-ZR-190-09




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