Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 9. Oktober 2014
Aktenzeichen: 13 B 722/14

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 09.10.2014, Az.: 13 B 722/14)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg abgewiesen wird. In dem Verfahren ging es darum, dass der Antragsteller in seiner Apotheke Sachzuwendungen wie Gutscheine oder Geschenkpapier bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen oder preisgebundenen Arzneimitteln gewährt hat. Die Antragsgegnerin, die Apothekerkammer Westfalen-Lippe, hat dem Antragsteller daraufhin ein Verbot ausgesprochen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen das Verbot anzuordnen, abgelehnt.

Das Oberverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass das Verbot rechtens ist. Die Ziffer 1 des Verbots ist ausreichend bestimmt und untersagt dem Antragsteller das Gewähren von Vorteilen bei der Abgabe von preisgebundenen Arzneimitteln. Dabei umfasst das Verbot grundsätzlich auch die Abgabe von geringwertigen Sachen wie Taschentücher oder Cremes, solange sie mit dem Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gekoppelt sind. Das Verbot verstößt auch nicht gegen die Preisbindungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Berufsordnung für Apotheker.

Die Gewährung von Sachzuwendungen bei der Abgabe von preisgebundenen Arzneimitteln verstößt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gegen die Preisbindungsvorschriften. Dabei ist es nicht entscheidend, ob das Arzneimittel zu einem anderen als dem vorgeschriebenen Preis verkauft wird. Auch eine Sachzuwendung kann den Kunden wirtschaftlich begünstigen und somit gegen die Preisbindungsvorschriften verstoßen. Das Oberverwaltungsgericht hat daher den Beschluss des Verwaltungsgerichts bestätigt.

Es bestehen keine Ermessensfehler bei dem Verbot. Die Antragsgegnerin hat das Verbot erlassen, um den unerwünschten Wettbewerb im Bereich der preisgebundenen Medikamente zu verhindern und die Ziele der Preisbindungsvorschriften zu gewährleisten. Dabei hat die Antragsgegnerin auch die Tatsache berücksichtigt, dass die Sachzuwendungen einen nur geringen Wert haben.

Die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts, die unabhängig von den Erfolgsaussichten der Hauptsache vorgenommen wurde, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ohne unsachliche Beeinflussung des Kunden überwiegt das Interesse des Antragstellers, weiterhin Sachzuwendungen zu gewähren. Die Auswirkungen auf die Berufsfreiheit des Antragstellers sind gering, da er weiterhin Zuwendungen in anderen Zusammenhängen gewähren darf.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 09.10.2014, Az: 13 B 722/14


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 2. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller betreibt als Apothekenleiter eine Apotheke im Kammerbezirk der Antragsgegnerin. Im November 2013 verteilte Werbeflyer enthielten unter der Überschrift "Unsere Coupons im November" einen Gutschein über Geschenkpapier (verschiedene Sorten), der bei der Abgabe eines Rezeptes in der Apotheke des Antragstellers eingelöst werden konnte. Entsprechende Werbeflyer für Januar 2014 enthielten einen Gutschein über Kuschelsocken.

Nach Anhörung gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 1. April 2014 auf, es ab sofort zu unterlassen, in von ihr betriebenen Apotheken gekoppelt mit dem Erwerb von verschreibungspflichtigen und/oder sonstigen preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile wie z.B. eine Rolle Geschenkpapier, ein Paar Kuschelsocken oder Gutscheine hierfür, zu gewähren oder gewähren zu lassen sowie dafür zu werben oder werben zu lassen (Ziffer 1). Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung an (Ziffer 3) und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro an (Ziffer 2). Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller verstoße gegen § 19 Nr. 3 und § 1 Abs. 2 Satz 2 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe - BO - i. V. m. § 78 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Arzneimittelgesetzes - AMG -, § 3 Arzneimittelpreisverordnung - AMPreisV -. Ein Abgehen von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreis sowie die Werbung hierfür seien verboten.

Das Verwaltungsgericht hat den auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 1. April 2014 gerichteten Antrag des Antragstellers abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, die auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW, § 19 Nr. 3 BO sowie § 1 Abs. 2 BO i. V. m. § 78 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AMG, § 3 AMPreisVO gestützte Untersagungsverfügung sei rechtswidrig.

1. Anders als der Antragsteller meint, fehlt es der Ziffer 1 des Bescheides nicht bereits an der nach § 37 Abs. 1 VwVfG NRW erforderlichen Bestimmtheit. Entscheidend ist, dass für den Adressaten des Verwaltungsakts der Inhalt der getroffenen Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar wird, dass er in der Folge sein Verhalten hiernach zu richten vermag. Dass ist hier der Fall. Dem Antragsteller wird mit Ziffer 1 des Bescheides das mit dem Erwerb preisgebundener Arzneimittel gekoppelte Gewähren oder Gewährenlassen von Vorteilen sowie die Werbung oder das Werbenlassen hierfür untersagt.

a) Bereits nach der Formulierung der Anordnung erstreckt sich das Verbot auf jegliche Vorteile und nicht nur auf solche, die den genannten Kuschelsocken oder dem Geschenkpapier im Wert vergleichbar sind. Die Bezugnahme auf Kuschelsocken oder Geschenkpapier erfolgt - auch für den Antragsteller erkennbar - lediglich als Bezugnahme auf die vom Antragsteller im November 2013 und Januar 2014 praktizierte und von der Antragsgegnerin zuvor beanstandete Verfahrensweise. Diesem Verständnis entsprechen die Ausführungen der Antragsgegnerin in dem an den Antragsteller vor Erlass des angefochtenen Bescheides gerichteten Schreiben vom 5. Februar 2014, in welchem sie ausführte, die Gewährung eines Vorteils sei unabhängig vom Geldwert unzulässig. In diesem Sinne hat der Antragsteller, wie seine Ausführungen in der Beschwerdebegründung bestätigen, die Untersagungsverfügung auch verstanden.

Vom Verbot umfasst ist damit grundsätzlich auch die Abgabe geringwertiger Sachen, wie etwa einer Packung Papiertaschentücher, Halsbonbons oder Cremes.

b) Hinreichend bestimmt ergibt sich aus der Verfügung weiter, dass sich die Untersagungsverfügung allein bezieht auf die mit dem Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gekoppelte Abgabe des Vorteils. An einer Koppelung fehlt es, wenn der Vorteil nicht allein für den Erwerb, sondern aus anderem Anlass gewährt wird, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss.

Vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 = juris Rn. 13 (RezeptBonus), sowie Urteile vom 9. September 2010 - I ZR 98/08 -, PharmaR 2011, 18 = juris Rn. 16 (Bonuspunkte), - I ZR 193/07 -, NJW 2010, 3721 = juris Rn. 18 (UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE).

Ebenso wenig untersagt wird die Abgabe von Vorteilen, soweit sie an den Erwerb nicht preisgebundener Arzneimittel gekoppelt ist. Unter Berücksichtigung der insoweit geltenden Rechtsvorschriften bleibt dem Antragsteller die Abgabe von Zuwendungen, wie etwa Cremes, Taschentücher, Luftballons etc. auch nach Maßgabe der angefochtenen Verfügung erlaubt.

2. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, es fehle bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen für Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW ist es Aufgabe der Antragsgegnerin, für die Erhaltung eines hoch stehenden Berufsstandes zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen; hierzu kann sie auch belastende Verwaltungsakte erlassen

Der Antragsteller handelt berufsrechtswidrig.

a) § 19 Nr. 3 BO in der seit dem 15. Mai 2014 für den Dauerverwaltungsakt maßgeblichen Fassung vom 27. November 2013 (MBl. NRW. 2014, S. 255) verbietet dem Apotheker das Abgehen von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreis. Die Regelung erfasst - wie bereits die Vorgängerregelung vom 30. Mai 2007 (MBl. NRW. 2007, S. 615) - alle Handlungen, die zu Verstößen gegen die Preisbindung im Arzneimittelrecht führen können und führt hierzu beispielhaft Fallgruppen an. Erfasst werden insbesondere das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen sowie die Werbung hierfür und klarstellend nunmehr auch das Gewähren von Zuwendungen und Werbegaben. § 19 Nr. 3 BO überschneidet sich mit dem Tatbestand des § 19 Nr. 7 BO, der die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher und durch das Heilmittelwerbegesetz aufgezeigter Grenzen zulässiger Werbemaßnahmen schützt.

§ 1 Abs. 2 Satz 2 BO verpflichtet den Apotheker, die für seine Berufsausübung geltenden Gesetze und Verordnungen zu beachten. Bei den Bestimmungen über die Preisbindung von Arzneimitteln, die in der Apotheke abgegeben werden (§ 78 AMG, § 3 AMPreisVO) handelt es sich um Regelungen, die die Berufsausübung der Apothekerinnen und Apotheker regeln.

Gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG ist für die verschreibungspflichtigen (Fertig-) Arzneimittel und die zwar nicht verschreibungs-, aber apothekenpflichtigen (Fertig-) Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis anzusetzen. Die Einzelheiten der Preisberechnung sind in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt. Diese legt zwingend (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AMPreisV) u.a. für Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken fest (vgl. § 2 AMPreisV) und enthält feste Vorgaben für Apotheken für die Abgabe im Wiederverkauf (§ 3 AMPreisV). Ein Abweichen von den Festzuschlägen ist den Apotheken weder nach oben noch nach unten erlaubt.

Vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 7/09 R -, juris, Rn. 13; Sandrock/Nawroth, in: Dieners/ Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2009, S. 554.

b) Bedenken gegen die Wirksamkeit der § 19 Nr. 3 BO sowie § 1 Abs. 2 Satz 2 BO i. V. m. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG, § 3 AMPreisVO bestehen nicht.

aa) Die Preisbindungsvorschriften sind ebenso wie die Regelungen in der Berufsordnung der Antragsgegnerin, die die Beachtung der Preisbindung durch den Apotheker gewährleisten, verfassungsgemäß. Sie verstoßen nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eines Apothekers. Die Preisbindung ist in einer Art. 12 Abs. 1 GG genügenden Weise durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt.

Vgl. Kloesel/Cyran, AMG (126. Lief. 2014 ), § 78 Anm. 1.

Die Beachtung des festgelegten, einheitlichen und verbindlichen Apothekenabgabepreises an die Endverbraucher von rezeptpflichtigen Medikamenten soll gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln unter Ausschluss eines entgegenwirkenden ominösen Wettbewerbs sichergestellt wird.

Vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373 Anl. 2 S. 27.

Ihr liegt ferner die Vorstellung des Gesetzgebers zu Grunde, dass die Festsetzung einheitlicher Apothekenverkaufspreise geboten ist, um der Schlüssel- und Beratungsfunktion des Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher gerecht zu werden.

Vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 - B 1 KR 7/09 R -, juris, Rn. 13 ff.

Gesundheitspolitisches Ziel des einheitlichen Apothekenabgabepreises ist es zudem, den Verbrauchern bei schwerwiegenden Erkrankungen einen mühsamen Preisvergleich zwischen verschiedenen Apotheken zu ersparen. Vor allem Kranke sollen vor einer Überforderung beim Kauf von Arzneimitteln geschützt werden, weil sie einerseits deren Wert nicht wie bei anderen Waren abschätzen können und sie sich andererseits in einer besonderen Zwangslage befinden.

Vgl. Kloesel/Cyran, AMG (126. Lief. 2014), § 78 Anm. 1.; Sandrock/Nawroth, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2009, S. 551.

bb) Die Preisbindungsvorschriften stehen ebenso wie die berufsrechtlichen Regelungen der Antragsgegnerin, welche die Beachtung der Preisbindungsvorschriften gewährleisten, ferner im Einklang mit Europäischem Recht.

Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel berühren die Bestimmungen der Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen. Danach bleiben nationale Vorschriften zur Preisbindung und - aus Gründen der praktischen Wirksamkeit - auch Vorschriften zur Einhaltung der Preisbindung durch die Richtlinie unangetastet.

c) Die Tatbestandsvoraussetzungen der § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW, 19 Nr. 3 BO sowie § 1 Abs. 2 BO i. V .m. § 78 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AMG, § 3 AMPreisVO liegen vor. Der Antragsteller verstößt, indem er bei Erwerb eines im Rezept benannten preisgebundenen Arzneimittels eine Sachzuwendung gewährt, gegen die genannten arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften.

aa) In der Rechtsprechung des BGH,

vgl. Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 = juris Rn. 13 (RezeptBonus), sowie Urteile vom 9. September 2010 - I ZR 193/07 - NJW 2010, 3721 = juris Rn. 20 (UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE), - I ZR 98/08 -, PharmaR 2011, 18, = juris Rn. 15 (Bonuspunkte), - I ZR 26/09 -, MPR 2010, 206 = juris Rn. 16 (Bonus-Taler), - I ZR 37/08 -, MPR 2010, 201 = juris Rn. 15 (Einkaufsgutschein),

der der Senat folgt, ist geklärt, dass ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann vorliegt, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt an den Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zur Annahme, es fehle an einer Koppelung an den Erwerb eines verschreibungspflichtigen (Fertig-) Arzneimittels. Der Antragsteller gewährt den Vorteil - so die Ausführungen auf dem Gutschein im Werbeflyer - nur bei Einlösung eines Rezepts. Der Apothekenkunde erhält im Falle der Abgabe des Rezepts für ein preisgebundenes Arzneimittel deshalb nicht nur das Arzneimittel, sondern zugleich auch die Sachzugabe. Die Abgabe der Sachleistung ist kein selbstständiges Geschenk oder eine freundliche Aufmerksamkeit des Apothekers, sondern die Erfüllung des nur für den Fall der Rezepteinlösung zugesagten Versprechens, den Gutschein gegen die Zuwendung einzulösen. Der Einlösung des Gutscheins stehen auch im Übrigen keine weiteren Hindernisse entgegen.

Die Gewährung der im Gutschein benannten Sachzuwendungen lässt den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels für den Kunden günstiger erscheinen. Auch Sachzugaben, wie etwa das von der Antragstellerin mitgegebene Geschenkpapier oder die Kuschelsocken, haben einen - wenn auch geringen - Geldwert. Aus der Sicht des Kunden macht es keinen relevanten Unterschied, ob die an den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gekoppelte finanzielle Vergünstigung etwa in Form eines geldwerten Einkaufsgutscheins oder in Form einer vorab bestimmten Sachzuwendung gewährt wird. Mit dem über einen bestimmten Geldbetrag lautenden Gutschein können zwar der von der Pflicht zur Zuzahlung befreite Kassenpatient sowie der Privatpatient Geld "verdienen" und der Kassenpatient immerhin einen Teil der Zuzahlung sparen, indem mit dem Gutschein Waren des täglichen Bedarfs in der Apotheke erworben werden.

Vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 = juris Rn. 13 (RezeptBonus).

Der Kunde spart aber - wenn auch nur geringfügig - auch in der hier vorliegenden Konstellation eigene Aufwendungen, weil er gegen Abgabe des Gutscheins eine Ware des (täglichen) Bedarfs erhält.

Der (geldwerte) Vorteil entfällt auch nicht deshalb, weil der Kunde die Sachzuwendung nicht aus einem Sortiment frei wählen kann. Die fehlende Wahlmöglichkeit ist für den objektiv zu bestimmenden geldwerten Vorteil der Zuwendung ohne Belang. Unerheblich ist ferner, ob der den Gutschein einlösende Kunde im konkreten Einzelfall eine sinnvolle Verwendung für die Sachzuwendung hat oder ihr - bezogen auf seine konkreten subjektiven Bedürfnisse - überhaupt einen finanziellen Wert beimisst. Dies erschließt sich schon aus dem Umstand, dass Grundlage des auch aus der Sicht der Antragstellerin funktionierenden Werbekonzepts ist, dass der Kunde für die im Gutschein ausgelobte Sachzuwendungen jedenfalls im Regelfall eine Verwendung hat.

Dass es sich bei den Sachzugaben nach den Ausführungen des Antragstellers um solche von geringem Wert handelt (weniger als 0,50 €), ist für die Annahme eines Verstoßes gegen die Preisbindungsvorschriften unerheblich. Eine Bagatellgrenze für zulässige Abweichungen enthalten die Preisbindungsvorschriften nicht.

bb) Die Gewährung der Sachzugabe führt zudem auch aus der Sicht des Apothekers zu einem Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften, denn der nicht nur in einem formalen Rechnungsschritt zu beachtende, sondern grundsätzlich auch wirtschaftlich zu vereinnahmende Apothekenabgabepreis wird durch die an den Erwerb des Arzneimittels gekoppelte Gewährung der Zuwendung mit dem Ziel der Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition geschmälert.

Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 20. Juni 2008 € 13 ME 61/08 -, A & R 2008, 189 = juris, Rn. 14.

3. Anders als der Antragsteller meint, erweist sich Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides, gemessen an § 114 VwGO, nicht als ermessensfehlerhaft. Der - wenn auch nur geringfügige - wirtschaftliche Vorteil, der dem Kunden erwächst, ist geeignet, den nach dem AMG unerwünschten Wettbewerb im Bereich der verschreibungspflichtigen/preisgebundenen Medikamente entstehen zu lassen und die Kaufentscheidung des besonders schutzwürdigen erkrankten Patienten zu beeinflussen. Dies läuft der mit der Preisbindung verbundenen Zielsetzung entgegen. Die angefochtene Verfügung ist geeignet und erforderlich, die Einhaltung der mit den Preisbindungsvorschriften verfolgten Ziele zu gewährleisten.

Die Antragsgegnerin hat auch im Hinblick auf den geringfügigen Wert der Sachzuwendungen ihr Entschließungsermessen durch den Erlass der angefochtenen Verfügung nicht überschritten. Dieser Einschätzung steht die Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht entgegen. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz - HWG -, dessen Wertungen auch bei Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG - von Bedeutung sind, ist durch Artikels 1a des Dritten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3108) mit Wirkung zum 13. August 2013 geändert worden. Die Regelung stellt in ihrem 2. Halbsatz nunmehr klar, dass Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel unzulässig sind, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes gelten. Anlass für die Änderung,

vgl. hierzu BT-Drucks. 17/13770, S. 20,

waren Entscheidungen des BGH, der in mehreren wettbewerbsrechtlichen Gerichtsverfahren festgestellt hatte vgl. Urteile vom 8. Mai 2013 - I ZR 90/12 -, NJW-RR 2014, 303 (Rezept-Prämie) und - I ZR 98/12 -, GRUR 2013, 1264 (RezeptBonus), dass Zuwendungen und sonstige Werbegaben, die den in § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG für zulässige Wertreklame vorgegebenen Rahmen nicht überschreiten, heilmittelwerberechtlich zulässig seien, auch wenn sie entgegen den Preisvorschriften gewährt wurden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. In berufsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren auf Grundlage der arzneimittelrechtlichen und berufsrechtlichen Vorschriften, die keine Geringfügigkeitsgrenze kennen, kam es aufgrund dieser BGH-Rechtsprechung zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung, da Gerichte teilweise mit dem Hinweis auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch für diese Verfahren eine Geringfügigkeitsgrenze annahmen.

So OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2011 € 13 B 1136/11 -, juris, Rn. 4 ff.; Nieders. OVG, Bschluss vom 8. Juli 2011 - NVwZ 2011, 1394 = juris, Rn. 15.

Dieser Unklarheit soll die Gesetzesänderung als klarstellende Regelung entgegen wirken. Der Gesetzgeber hat damit eindeutig zu erkennen gegeben, dass er jegliche - auch geringfügige - Vergünstigungen für preisgebundene Arzneimittel als unzulässig erachtet.

Anders als der Antragsteller meint, ist die Verschärfung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit dem Unionsrecht vereinbar. Sie beschränkt sich auf die Regelung von Sachverhalten, die unter die arzneimittelrechtlichen Preisbestimmungen fallen. Damit fällt sie - ebenso wie die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften selbst - unter die Bereichsausnahme des Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG.

Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10. Juli 2014 - 6 U 32/14 -, juris, Rn.75.

Ungeachtet dessen verfolgen die Vorschriften über die Arzneimittelpreisbindung einerseits und die Wettbewerbsregelungen andererseits auch unterschiedliche Zielsetzungen. Während es bei § 7 HWG vor allem darum geht, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden, besteht der Zweck der Preisbindungsvorschriften - wie bereits ausgeführt - insbesondere in der im öffentlichen Interesse gebotenen Gewährleistung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.

Vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 98/08 -, PharmaR 2011, 18, = juris Rn. 18 (Bonuspunkte).

Soweit der Antragsteller darauf hinweist, die Praxis der Sachzugaben auch bei preisgebundenen Medikamenten sei eine lange Zeit berufsrechtlich nicht geahndet worden, macht dies die Untersagungsverfügung nicht unverhältnismäßig. Schließlich kann der Antragsteller sich nicht darauf berufen, dass der Apothekerverband Westfalen-Lippe in seiner Mitteilung "Brandneu" Nr. 32/2013 vom 13. August 2013 die Zugabe von geringfügigen Kleinigkeiten zu verschreibungspflichtigen Medikamenten als zulässig eingestuft und sie darauf in schutzwürdiger Weise vertraut hat. Die Rechtsansicht einer Interessenvertretung ist für die Antragsgegnerin nicht bindend.

Ermessensfehler sind auch nicht mit Blick auf die auf dem Markt agierenden ausländischen Versandapotheken zu erkennen. Der Gesetzgeber hat durch die mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in Kraft getretene Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG klargestellt, dass die aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachte Arzneimittel gilt.

Stellt sich das beanstandete Verhalten als rechtswidrig dar, kann der Antragsteller zu seinen Gunsten schließlich aus der Behauptung, in keinem der anderen 16 Kammerbezirke werde die Auffassung der Antragsgegnerin geteilt, nichts herleiten. Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin gehe in ihrem Zuständigkeitsbereich, auf den allein abzustellen ist, willkürlich gegen Verstöße gegen Preisbindungsvorschriften vor, bestehen nicht.

4. Das Beschwerdevorbringen bietet schließlich auch keinen Anlass zur Beanstandung der vom Verwaltungsgericht unabhängig von den Erfolgsaussichten der Hauptsache vorgenommenen Interessenabwägung. Das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiterhin Sachzugaben gekoppelt an den Erwerb preisgebundener Arzneimittel auszugeben, wird durch das öffentliche Interesse daran, die flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ohne unsachliche Beeinflussung des Kunden sicherzustellen, überwogen. Die Auswirkungen auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Antragstellers sind vergleichsweise gering anzusetzen, zumal ihm die Abgabe von Zuwendungen in anderem Zusammenhang im Rahmen der gesetzlichen Regelungen weiter erlaubt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 09.10.2014
Az: 13 B 722/14


Link zum Urteil:
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