Kammergericht:
Beschluss vom 1. November 2004
Aktenzeichen: Not 7/04

(KG: Beschluss v. 01.11.2004, Az.: Not 7/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Kammergericht hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Fortsetzung eines abgebrochenen Verfahrens zur Besetzung von Notarstellen abgelehnt. Der Antragsteller hatte sich um eine der ausgeschriebenen Stellen beworben und forderte eine Entscheidung auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Ausschreibung geltenden Rechts. Er argumentierte, dass die Rückschreibung der Ausschreibung rechtswidrig sei und sein Recht auf freie Berufswahl verletzte. Das Gericht entschied jedoch, dass der Dienstherr das Auswahlverfahren jederzeit abbrechen kann, solange ein sachlicher Grund vorliegt. In diesem Fall berief sich die Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die bisherigen Auswahlkriterien verfassungswidrig waren. Das Gericht unterstützte diese Entscheidung und hielt den Abbruch des Verfahrens für gerechtfertigt. Es wurde festgestellt, dass die Ausschreibung bestimmte Kriterien enthalten müsse, um sicherzustellen, dass Bewerber, die dem neuen Anforderungsprofil entsprechen, sich nicht aufgrund der bei der Ausschreibung bekannten Kriterien von einer Bewerbung abhalten lassen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

KG: Beschluss v. 01.11.2004, Az: Not 7/04


Von der Justizverwaltung kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung die Fortsetzung eines unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 (1 BvR 838/01 u.a.) abgebrochenen Verfahrens zur Besetzung von Notarstellen verlangt werden.

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach einem Wert von 10.000 EUR zu tragen.

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb im Amtsblatt Berlin vom 14. März 2003 insgesamt 20 Notarstellen zur Besetzung aus. Bewerbungen waren bis zum 17. April 2003 an die Präsidentin des Kammergerichts zu richten. Der Antragsteller bewarb sich rechtzeitig um eine der ausgeschriebenen Stellen. Mit Schreiben vom 3. September 2004 teilte die Präsidentin des Kammergerichts ihm mit, dass die Antragsgegnerin wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 zu den Anforderungen an die Auswahl der Bewerber für eine Notarstelle entschieden habe, das laufende Auswahlverfahren abzubrechen und die Ausschreibung offener Notarstellen zurückzunehmen.

Der Antragsteller hat mit am 22. September 2004 bei dem Kammergericht eingegangenem Schriftsatz den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und begehrt eine Bescheidung seiner Bewerbung auf der Grundlage des am 14. März 2003 geltenden Rechts. Er ist der Ansicht, die Rücknahme der Ausschreibung sei rechtswidrig und greife insbesondere in sein Recht auf freie Berufswahl ein. Den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts könne auch im laufenden Bewerbungsverfahren Rechnung getragen werden. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, das laufende Auswahlverfahren endgültig abzubrechen und den Zugang zum Anwaltsnotariat grundsätzlich neu zu gestalten. Hierdurch würden seine Aussichten, eine Notarstelle in Berlin zu erhalten, entscheidend verschlechtert, zumindest würde seine Bestellung auf unabsehbare Zeit verschoben.

Er beantragt,

1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, ohne weitere Verzögerung die im Amtsblatt von Berlin vom 14.3.2003, Seite 905, ausgeschriebenen 20 Notarstellen auf der Grundlage der am 14.3.2003 geltenden Rechtsvorschriften zu besetzen;

2. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie macht geltend, auf Grund ihrer Organisationsgewalt berechtigt zu sein, das Auswahlverfahren zur Besetzung einer Notarstelle jederzeit abzubrechen. Der dafür erforderliche sachliche Grund bestehe darin, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem vom Antragsteller angeführten Beschluss die Regelungen einer inhaltsgleichen Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare einer anderen Landesjustizverwaltung teilweise für unwirksam erklärt habe, sodass die Ausschreibung einer sachgerechten Grundlage entbehre.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im Verfahren nach § 111 BNotO statthaft, wobei offen bleiben kann, ob er auf § 24 Abs. 3 FGG i.V.m. §§ 111 Abs. 4 BNotO, 40 Abs. 4 BRAO oder auf eine entsprechende Anwendung von § 123 VwGO gestützt werden könnte.

In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Der Antragsteller kann eine Fortsetzung des mit der Ausschreibung im Amtsblatt von Berlin vom 14. März 2003 begonnenen Besetzungsverfahrens und dessen Abschluss mit der Bestellung einer entsprechenden Zahl von Notaren nicht verlangen. Für die Besetzung von Beamtenstellen ist anerkannt, dass der Dienstherr in jedem Stadium des Verfahrens € bis zur Ernennung eines Bewerbers € das Auswahlverfahren abbrechen kann, sofern ein sachlicher Grund dafür gegeben ist (vgl. z.B. BVerwGE 101, 112; NVwZ-RR 2000, 172; VGH Kassel, ZBR 1993, 337; NVwZ-RR 1993, 94; VGH Mannheim DVBl. 1995, 1253). Diese Grundsätze gelten entsprechend für das Verfahren zur Besetzung von Notarstellen (BGH, Beschluss vom 10.3.1997 € NotZ 44/95 - ).

Hier stützt die Antragsgegnerin den Abbruch des noch nicht abgeschlossenen Besetzungsverfahrens auf einen sachlichen Grund.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 20.4.2004 (1 BvR 838/01 u.a., veröffentlicht z.B. ZNotP 2004, 281 ff.) festgestellt, dass die bisher praktizierte Umsetzung der Auswahlmaßstäbe des § 6 BNotO verfassungswidrig ist. Zutreffend verweist die Antragsgegnerin darauf, dass die Ausführungen in dem genannten Beschluss einer Anwendung des in der Berliner Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare (Nr. 11 und 12 AVNot) geregelten Punktesystems zur Bestimmung der fachlichen Eignung entgegenstehen. Auch dieses berücksichtigt die Note des 2. Staatsexamens in der vom Bundesverfassungsgericht gerügten Weise und ermöglicht keine konkrete und im Verhältnis zu den übrigen Gesichtspunkten angemessene Bewertung der fachlichen Leistung des Bewerbers, wie sie das Bundesverfassungsgericht gerade im Hinblick auf notarspezifische Fähigkeiten erwartet. Dies wird auch von dem Antragsteller nicht in Frage gestellt.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin davon abgesehen hat, eine Auswahl der Bewerber im laufenden Verfahren anhand von Maßstäben zu treffen, die die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen, und stattdessen das Verfahren abgebrochen hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Antragsgegnerin eine entsprechende Verpflichtung traf, da jedenfalls ein sachlicher Grund dafür gegeben war.

Die Ausschreibung zu besetzender Notarstellen nach § 6 b BNotO soll gewährleisten, dass von allen potentiellen Bewerbern derjenige gefunden wird, der am ehesten den Anforderungen des § 6 BNotO entspricht. Sie dient auch dem aus Art. 12, 33 Abs. 2 GG herzuleitenden Recht aller potenziellen Notarbewerber, ebenfalls nach Leistung und Befähigung den Zugang zum Notaramt erlangen zu können (BVerfG DNotZ 1987, 121, 124).

Um dies zu erreichen, müssen zum Zeitpunkt der Ausschreibung die Kriterien bekannt sein, nach denen die Bewerber ausgewählt und die Stellen besetzt werden (vgl. für das Beamtenrecht z.B. BVerwGE 115, 58; OVG Münster, Beschluss vom 27.6.2003 € 1 B 442/03 ; Günther, ZBR 1987, 321, 333). Anderenfalls würden Interessenten, die einem neuen Anforderungsprofil entsprechen, möglicherweise von einer Bewerbung absehen, weil sie sich nach den bei der Ausschreibung bekannten Kriterien keine Chancen ausgerechnet haben. Beispielhaft angeführt sei ein potenzieller Notarbewerber, der sich wegen seiner Examensnote keine Chancen bei einer Bewerbung ausgerechnet hat, aber durch eine langjährige ständige Vertretung eines Notars seine Qualifikation in einer Form unter Beweis gestellt hat, die nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (unter C III 5 b) entgegen der bisherigen Praxis (BGH, Beschluss v. 16.7.2001 - NotZ 1/01, ZNotP 2001, 443) zumindest die Gewährung von Sonderpunkten rechtfertigt.

Unerheblich ist, ob den potenziellen Bewerbern ein ggf. gerichtlich durchsetzbares subjektives Recht auf Wahrung dieser Grundsätze zusteht. Die Antragsgegnerin ist unabhängig davon verpflichtet, rechtmäßig zu handeln (Art. 20 Abs. 3 GG). Außerdem liegt die Bestellung der am besten geeigneten Bewerber im von der Antragsgegnerin zu wahrenden öffentlichen Interesse.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 201 Abs. 1 BRAO, die Wertfestsetzung auf §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 202 BRAO, 30 Abs. 2 Satz 2, 161 Satz 2 KostO.






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Beschluss v. 01.11.2004
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