Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. Juli 2010
Aktenzeichen: 2a O 12/10

(LG Düsseldorf: Urteil v. 14.07.2010, Az.: 2a O 12/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 14. Juli 2010 (Aktenzeichen 2a O 12/10) entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern ein Besteckset mit dem Hinweis "Produziert in Deutschland" zu kennzeichnen, obwohl die Messer des Sets in China hergestellt werden. Zusätzlich wurde die Beklagte dazu verurteilt, an die Klägerin eine Geldsumme von 208,65 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

In dem Verfahren ging es um das auf dem Markt angebotene Besteckset "B", welches neben anderen Teilen auch Messer enthält. Auf der Produktverpackung wird das Besteckset mit dem Hinweis "Produziert in Deutschland" und einer Deutschlandfahne beworben. Ein Informationsblatt liegt der Verpackung bei, auf dem das Set mit dem Zusatz "Made in Germany" gekennzeichnet ist. Die Messer werden jedoch in China hergestellt und anschließend nur in Deutschland poliert.

Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, mahnte die Beklagte ab und forderte sie auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte lehnte dies jedoch ab. Der Kläger argumentierte, dass Verbraucher davon ausgehen würden, dass das gesamte Besteckset in Deutschland produziert wird und die Angabe "Produziert in Deutschland" eine bestimmte Qualität der Messer suggeriert. Die Beklagte hingegen behauptete, dass das Polieren der Messer in Deutschland essenziell für deren Qualität sei.

Das Gericht stellte fest, dass die Bezeichnung "Produziert in Deutschland" irreführend ist, da die Messer in China hergestellt werden und dort wesentliche Arbeitsschritte erfolgen. Das Polieren der Messer in Deutschland ändere daran nichts. Es komme bei der Bewertung der Herkunftsangabe allein auf den Herstellungsort an, nicht auf die Herstellungsart. Die Verwendung des Hinweises "Made in Germany" für das Besteckset sei daher unzulässig.

Das Gericht entschied deshalb zugunsten des Klägers und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung der irreführenden Herkunftsbezeichnung und zur Zahlung der geforderten Geldsumme. Die mündliche Verhandlung musste aufgrund eines neuen Vortrags des Klägers nicht wiedereröffnet werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte, und das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden. Der Streitwert wurde auf 15.000 € festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Düsseldorf: Urteil v. 14.07.2010, Az: 2a O 12/10


Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,gegenüber Verbrauchern ein Besteckset, bei dessen Messern das Rohmesser in China hergestellt wird, indem dort unter Verwendung einer in Deutschland entwickelten und aus Deutschland exportierten Maschinentechnologie das später zum Messer werdende Werkstück erhitzt, geschmiedet, der Klingenbereich umschnitten, gehärtet und geschliffen wird,

a. wie nachstehend wiedergegeben mit dem Hinweis

„Produziert in Deutschland“

zu kennzeichnen:

(bitte einfügen Bl. 3 GA)

und/oder

b. mit dem nachstehend wiedergegebenen Produkteinleger in den Verkehr zu bringen, auf dem es heißt,

„Made in Germany“:

(bitte einfügen Bl. 5 GA)

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2010 zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 15.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs.

Die Beklagte ist ein in A ansässiges Unternehmen, welches Bestecke vertreibt. Hierzu gehört auch das Besteckset "B" welches aus jeweils sechs Messern, Gabeln, Löffel und Kaffeelöffel besteht. Auf der Produktverpackung befindet sich der Hinweis "Produziert in Deutschland" und eine abgebildete Deutschlandfahne. In der Verpackung ist sich ein Informationsblatt mit Pflegehinweisen und dem Zusatz "Made in Germany" beigelegt.

Die Herstellung des Rohmessers findet in China statt. Die Messer werden in China erhitzt, geschmiedet, der Klingenbereich umschnitten, gehärtet und geschliffen. In Deutschland werden die Messer einer Nachbearbeitung in Form des Polierens unterzogen. Die Fertigung in China erfolgt durch aus Deutschland exportierter Maschinentechnologie. Bei den Messern handelt es sich um Monoblockmesser, d.h. um Messer, die aus einem Stück bestehen.

Alle übrigen Teile des Bestecksets sowie die Verpackung werden in Deutschland durch die Beklagte hergestellt.

Der Kläger mahnte die Beklagte am 24. November 2009 ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit dem Inhalt abzugeben, nicht mit der Herstellung in Deutschland zu werben. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 26. November 2009 und lehnte es ab, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Kläger behauptet, dass der Verbraucher davon ausgehe, dass bei dem Hinweis "Produziert in Deutschland" das gesamte Besteckset in Deutschland produziert werde. Insbesondere hinsichtlich der Messer weise diese Aussage auf eine bestimmte Vorstellung über die Qualität hin. Die Qualität der Messer sei den Verbrauchern besonders wichtig. Die Messer würden auch nicht der DIN-Norm ISO 8442-1 entsprechen. Zudem seien die in China vorgenommen Arbeitsschritte wesentlich für die Qualität der Messer. Das Polieren sei von untergeordneter Bedeutung. Auch sei es unmöglich, dass in Deutschland ein vier- bis fünfmaliges Nachpolieren erfolge - wie es die Beklagte behauptet - , da danach sowohl die Sägezähne und das Ätzzeichen nicht mehr sichtbar sein dürften.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Messer, welche aus Chromstahl gefertigt seien, in Deutschland in vier bis fünf Schritten poliert werden würden. Gerade das Polieren trage Wesentlich zur Güte der Messer bei, da hierdurch die Korrisionsbeständigkeit und Keimfreiheit gefördert werde.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 128, 127 MarkenG.

Der Kläger ist zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aktiv legitimiert (§ 128 Abs. 1 S. 1 MarkenG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG).

Die Beklagte verwendet die Hinweise "Made in Germany" und "Produziert in Deutschland" als geografische Herkunftsangabe.

Ob die geographische Herkunftsangabe zutreffend ist, ist bei Erzeugnissen, die nur zum Teil in dem Land hergestellt wurden oder in dem nur ein Teil des Produktionsprozesses stattgefunden hat, im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu bestimmen (Ströbele/Hacker-Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 127, Rn. 6). Dabei sind entgegen der Auffassung der Beklagten zollrechtliche Bestimmungen nicht bindend, da die maßgebliche Verkehrsauffassung hiermit nicht notwendigerweise übereinstimmen muss. Für die Verwendung der Bezeichnung "Deutsches Erzeugnis" ist nicht erforderlich, dass die Ware vom gedanklichen Entwurf bis zur endgültigen Fertigstellung in Deutschland hergestellt worden ist. Doch ist zu verlangen, dass der maßgebliche Herstellungsvorgang, bei dem die Ware wesentliche Teile und bestimmende Eigenschaften erhält, in Deutschland stattgefunden hat. Ob die verwendeten Rohstoffe oder Halbfabrikate deutschen Ursprungs sind, ist bei einem industriellen Erzeugnis, dessen Wert vorwiegend in der Verarbeitung liegt, grundsätzlich ohne Belang. Wohl aber kommt es auch darauf an, ob eine in Deutschland hergestellte Ware nach ihrer geistigen Konzeption und Formgebung vom Publikum als deutsches Erzeugnis anzusehen ist. Ebenso wie bei der Prüfung, ob eine geografische Herkunftsangabe richtig ist, ist darauf abzustellen, ob die Eigenschaften oder Teile einer Ware, die nach der Auffassung des Publikums ihren Wert ausmachen, auf einer deutschen oder einer ausländischen Leistung beruhen (BGH GRUR 1973, 594, 595 - Ski-Sicherheitsbindung). Daher ist die Angabe "Made in Germany" irreführend, wenn zahlreiche wesentliche Teile eines Geräts aus dem Ausland kommen, es sei denn, dass die Leistungen in Deutschland erbracht worden sind, die für jene Eigenschaften der Ware ausschlaggebend sind und die für die Wertschätzung des Verkehrs im Vordergrund stehen (OLG Stuttgart NJWE-WettbR 1996, 53, 54 und zu allem Vorstehenden, Köhler/Bornkamm-Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 5, Rn. 4.84).

Nach den vorstehenden Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die Bezeichnung "Produziert in Deutschland" unzutreffend. Die Messer sind im Wesentlichen in China und nicht in Deutschland hergestellt worden. Unstreitig werden die Messer in China erhitzt, geschmiedet, der Klingenbereich umschnitten, gehärtet und geschliffen. In Deutschland werden die Messer poliert, wobei hier dahinstehen kann, in welchem Umfang dies stattfindet. Allein die Arbeitsschritte, die unstreitig in China stattfinden, sind so wesentlich, dass der Verkehr die Nachbehandlung in Deutschland nicht mehr als Produktion des Messers versteht, sondern hierin eine reine Überarbeitung sieht. Das Messer wird bereits vollständig hergestellt und in Deutschland nur noch poliert. Auch wenn dies ein maßgeblicher Schritt für die Qualität des Messers darstellt, ist das Messer selbst zu einem großen Teil bereits fertig, wenn es nach Deutschland geliefert wird. Insbesondere ist die Klinge schon geschliffen, die in den Augen der Verbraucher maßgeblich ist für die Qualität eines Messers.

Dabei ist es unerheblich, ob die Messer in China mit Hilfe deutscher Technologie hergestellt werden. Maßgeblich ist allein der Herstellungsort und nicht die Herstellungsart.

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt auch die Herstellung allein der Messer in China, um das Besteckset nicht mit "Made in Germany" bewerben zu dürfen. Auch insoweit ist die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen. Eine rein mathematische Betrachtung ist nicht entscheidend, sodass es nicht darauf ankommt, dass hier nur die Messer, d.h. nur ein Viertel des gesamten Bestecksets in China hergestellt wurde. Die Klägerin hat zutreffend ausgeführt, dass den Messern ein höherer Stellenwert zukommt als den Gabeln und Löffeln. Zum einen werden die Messer in der Regel am häufigsten gebraucht und zum anderen werden die Verbraucher gerade hinsichtlich der Messer besonderen Wert auf die Qualität legen und ggf. Wert darauf legen, dass die Messer die hohen Qualitätsvorstellungen widerspiegeln, die mit deutschen Produkten verbunden werden, da es gerade bei Messern besonders wichtig, ist, dass die Messer nicht stumpf aber auch nicht zu scharf sind und auch größerem Druck standhalten müssen. Diese Funktionen müssen Gabeln und Löffel nicht erfüllen.

Auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist dem Grunde nach gegeben (§§ 683, 677, 670 BGB).

Der Kläger hat die Beklagte zu Recht abgemahnt, da sie eine unzutreffende geografische Herkunftsangabe verwendet (s.o.). Die Abmahnung liegt zumindest auch im Interesse der Beklagten, da sie einen kostspieligen Verletzungsprozess vermeiden kann.

Auch der Höhe nach ist der Anspruch nicht zu beanstanden. Der Kläger macht 208,65 € geltend. Zwar hätte dem Kläger bei einem Streitwert von 15.000,00 € und einer 1,3 Geschäftsgebühr sogar ein höher Betrag zugestanden. Da der aber nicht beantragt ist, kann dem Anspruch nur im geltend gemachten Umfang stattgegeben werden.

Die mündliche Verhandlung war angesichts des neuen Vortrags der Klägerin durch Schriftsatz vom 30. Juni 2010 nicht wieder zu eröffnen, da dieser Vortrag keine Berücksichtigung in der gerichtlichen Entscheidung gefunden hat.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 14.07.2010
Az: 2a O 12/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/41d486c6eb64/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_14-Juli-2010_Az_2a-O-12-10




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