Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 20. Juli 1994
Aktenzeichen: 6 S 1442/94

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 20.07.1994, Az.: 6 S 1442/94)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Beschluss vom 20. Juli 1994 entschieden, dass die im Rahmen einer Prozesskostenhilfe-Bewilligung erfolgte Beiordnung eines Rechtsanwalts sich nicht auf das Vorverfahren nach den §§ 68ff VwGO erstreckt. Dem Anwalt steht daher insoweit kein Vergütungsanspruch nach den §§ 121ff BRAGO zu.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Festsetzung einer Vergütung für das Vorverfahren wurde vom Verwaltungsgerichtshof als unbegründet abgelehnt. Maßgeblich hierfür ist § 122 Abs. 1 BRAGO, wonach sich der Anspruch des beigeordneten Anwalts nach den Beschlüssen bestimmt, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet wurde. In diesem Sinne wurde der Klägerin nur für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer zur Wahrnehmung ihrer Interessen beigeordnet. Das Vorverfahren gehört jedoch nicht zum Klageverfahren.

Der Begriff des Rechtszuges entspricht dem der Instanz in § 27 GKG und beginnt mit der Einreichung der Klage bzw. des Antrags bei Gericht. Das Vorverfahren ist dem Gerichtsverfahren vorgeschaltet und hat verfahrensrechtlich nur die Bedeutung einer Sachurteilsvoraussetzung. Auch gebührenrechtlich ist das Vorverfahren nicht Teil des Gerichtsverfahrens, sondern Teil des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.

Daher ist die Beschwerde gegen die Ablehnung der Vergütung für das Vorverfahren unbegründet und wird zurückgewiesen. Ob dem Beschwerdeführer Ansprüche nach dem Beratungshilfegesetz zustehen, wird in diesem Verfahren nicht entschieden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 20.07.1994, Az: 6 S 1442/94


1. Die im Rahmen einer Prozeßkostenhilfe-Bewilligung erfolgte Beiordnung eines Rechtsanwalts erstreckt sich nicht auf das Vorverfahren nach den §§ 68ff VwGO. Dem Anwalt steht daher insoweit nicht nach den §§ 121ff BRAGO (BRAGebO) ein Vergütungsanspruch zu.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist der nach § 128 Abs. 4 BRAGO i.V.m. § 166 VwGO vorgeschriebene Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von mehr als 100,-- DM erreicht. Dagegen kommt die Regelung der für Beschwerden nach der Verwaltungsgerichtsordnung vorgeschriebenen Beschwerdesumme von 200,-- DM (§ 146 Abs. 3 VwGO) nicht zur Anwendung. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Festsetzung der Vergütung des nach § 121 ZPO i.V.m. § 166 VwGO der Klägerin beigeordneten Beschwerdeführers. Hierfür gelten die - nach § 166 VwGO auf verwaltungsgerichtliche Verfahren anwendbaren - Vorschriften der §§ 121 ff. BRAGO, die eine den §§ 146 ff. VwGO vorgehende spezielle Regelung enthalten (vgl. Beschluß des 11. Senats v. 16.03.1988 - 11 S 847/87 -, ESVGH 38, 194/197 m.w.N.).

Die sonach maßgebliche Beschwerdesumme von mehr als 100,-- DM ist erreicht, denn der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung der beantragten Festsetzung einer Vergütung für das Vorverfahren in Höhe von 822,24 DM, woraus sich eine Beschwer in dieser Höhe ergibt.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Festsetzung der Vergütung des Beschwerdeführers für das Vorverfahren abgelehnt. Auszugehen ist von § 122 Abs. 1 BRAGO, wonach sich der Anspruch des beigeordneten Anwalts nach den Beschlüssen bestimmt, durch die die Prozeßkostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet worden ist. In diesem Sinne ist jedoch der Klägerin nur für die Durchführung des Klageverfahrens Prozeßkostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer zur Wahrnehmung ihrer Interessen beigeordnet worden. Zum Klageverfahren gehört jedoch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers das Vorverfahren nicht. Bereits nach dem Wortlaut erstreckt sich das Klageverfahren nicht auf das Vorverfahren, sondern lediglich auf das mit der Klageerhebung eingeleitete Gerichtsverfahren. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe sowie die Beiordnung des Anwalts erfolgt zudem nur für den jeweiligen Rechtszug des Gerichts (§ 119 ZPO i.V.m. § 166 VwGO), wozu nicht das Vorverfahren zu rechnen ist (zum Begriff des Rechtszuges vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 43. Aufl., § 119 Anm. 1 B). Der Begriff des Rechtszuges entspricht vielmehr dem der Instanz in § 27 GKG, die mit der Einreichung der Klage bzw. des Antrags bei Gericht beginnt (vgl. Hartmann a.a.O., § 27 RdNr. 3). Etwas anderes folgt auch nicht aus Sinn und Zweck des Vorverfahrens, das - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht einen Teil des Gerichtsverfahrens bildet (vgl. Beschluß des 10. Senats v. 20.05.1986 a.a.O.; Redeker-v. Oertzen, VwGO, 11. Aufl., § 68 RdNr. 1; und Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl., § 23, S. 117). Es ist dem Gerichtsverfahren vorgeschaltet und hat verfahrensrechtlich nur die Bedeutung einer Sachurteilsvoraussetzung (vgl. Redeker-v. Oertzen a.a.O., § 68 RdNr. 3). Auch gebührenrechtlich ist das Vorverfahren nicht Teil des Gerichtsverfahrens, sondern, wie sich aus § 119 Abs. 1 BRAGO ergibt, Teil des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens. Schließlich ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 162 Abs. 1 VwGO etwas anderes. Zwar sind nach dieser Vorschrift auch die Kosten des Vorverfahrens Teil der Gerichtskosten. Dies hat indessen nicht zur Konsequenz, daß das Vorverfahren zur Gerichtsinstanz zu rechnen wäre; vielmehr stellt § 162 Abs. 1 VwGO eine ausschließliche Kostenregelung dar, die der Gesetzgeber aus Zweckmäßigkeitsgründen deshalb getroffen hat, weil das Vorverfahren gerade nicht Teil des Gerichtsverfahrens bildet und demzufolge die diesbezüglichen Kosten an sich auch nicht den Gerichtskosten zugerechnet werden können. Schließlich begründet die nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO getroffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Notwendigkeit der Zuziehung des Beschwerdeführers für das Vorverfahren den strittigen Vergütungsanspruch nicht, denn diese Entscheidung hat ausschließlich Bedeutung für die Kostenerstattung des unterlegenen Verfahrensbeteiligten gegenüber dem obsiegenden, während es hier um die davon gänzlich unterschiedene Festsetzung der Vergütung eines beigeordneten Anwalts geht.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen. Ob dem Beschwerdeführer Ansprüche nach dem Beratungshilfegesetz zustehen (vgl. dazu Beschluß des 10. Senats v. 20.05.1986 - 10 S 107/86 -), bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 20.07.1994
Az: 6 S 1442/94


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/356167019e00/VGH-Baden-Wuerttemberg_Beschluss_vom_20-Juli-1994_Az_6-S-1442-94




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