Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 19. November 2013
Aktenzeichen: 20 W 335/13

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 19.11.2013, Az.: 20 W 335/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Beschwerdeführer hat beim Amtsgericht die Ergänzung des Aufsichtsrates einer GmbH beantragt. Zum Zeitpunkt des Antrags stand die konstituierende Sitzung des Aufsichtsrates an, bei der auch Arbeitnehmervertreter gewählt werden sollten. Da die Wahlen bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt waren, beantragte der Beschwerdeführer die gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter nach § 104 Absatz 2 AktG. Das Amtsgericht hat den Antrag jedoch zurückgewiesen mit der Begründung, dass § 104 AktG nicht auf Gesellschaften mit fakultativem Aufsichtsrat anwendbar sei. Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt, die vom Amtsgericht an das Oberlandesgericht weitergeleitet wurde.

Das Oberlandesgericht ist für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig und hat diese zurückgewiesen. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrates nach dem Drittelbeteiligungsgesetz oder dem Mitbestimmungsgesetz. Die Gesellschaft hat in ihrem Gesellschaftsvertrag die Bildung eines Aufsichtsrates festgelegt, der aus 21 Mitgliedern besteht, von denen sieben von Arbeitnehmern gewählt werden. Eine Analogie von § 104 AktG auf Gesellschaften mit fakultativem Aufsichtsrat kommt nicht in Frage. Die Gesellschaft bleibt auch ohne Aufsichtsrat handlungs- und aktionsfähig, da die Aufgaben des Aufsichtsrats in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung fallen. Daher ist eine gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder nicht erforderlich. Die Kosten des Verfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, da in der Kommentarliteratur unterschiedliche Auffassungen zur analogen Anwendung von § 104 AktG auf Gesellschaften mit fakultativem Aufsichtsrat vertreten werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 19.11.2013, Az: 20 W 335/13


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird festgesetzt auf Euro 60.000.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten an das Amtsgericht vom 10.09.2013 die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrates der A ... GmbH(nachfolgend: die Gesellschaft) nach § 104 Absatz 2 AktG beantragt (wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Antragsschrift nebst Anlagen Bezug genommen, Bl. 1 € 71 der Akte). Zum damaligen Zeitpunkt stand die konstituierende Sitzung des nach § 9 des neuen Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft zu bildenden Aufsichtsrats an. Die danach € in Analogie zu den Vorschriften des Drittelbeteiligungsgesetzes € durchzuführenden Wahlen der sieben Arbeitnehmervertreter in den aus insgesamt 21 Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat der Gesellschaft durch die Arbeitnehmer könne bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen, so dass deren gerichtliche Bestellung geboten sei. Ein Konzernbetriebsrat sei bislang noch nicht gebildet worden, der Gesamtbetriebsrat habe sich am 26.08.2013 konstituiert und dabei beschlossen, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Gesellschaft nach § 104 Absatz 2 AktG durch das Amtsgericht bestellen zu lassen. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des § 104 AktG auf Gesellschaften, die nicht über einen obligatorischen, sondern lediglich einen fakultativen Aufsichtsrat gemäß ihrer Satzung verfügen, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Es sei nachvollziehbar, wenn man von einer Entbehrlichkeit der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern für den Fall ausgehe, dass die Aufsichtsratsmitglieder durch die Gesellschafterversammlung bestellt werden könnten, denn in diesem Fall stehe die Einberufung einer Gesellschafterversammlung als einfacherer, schnellerer und sachgerechterer Weg zur Verfügung. Dieser Weg sei hier aber verschlossen, da die Arbeitnehmervertreter nach § 9 der Satzung gerade nicht von der Gesellschafterversammlung gewählt würden, sondern von den Arbeitnehmern und zwar € unabhängig vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen € stets nach den Grundsätzen des Drittelbeteiligungsgesetzes. Der Schutz der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und der ordnungsgemäßen Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gebiete hier die Anwendung von § 104 AktG. Auch sei der Aufsichtsrat ohne gerichtliche Bestellung der Arbeitnehmervertreter handlungsunfähig und könne nicht einmal wirksam konstituiert werden, da Voraussetzung für dessen Beschlussfähigkeit sei, dass €sämtliche Mitglieder€, also alle 21 Aufsichtsratsmitglieder ordnungsgemäß geladen worden seien. Gerade im Hinblick auf die bevorstehenden, tiefgreifenden betrieblichen Umstrukturierungen komme dem Aufsichtsrat bei der Kontrolle der Geschäftsführung eine besondere Bedeutung zu.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.09.2013 hat ein Richter am Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen (wegen der Begründung im Einzelnen wird auf Bl. 83 ff. der Akte Bezug genommen). Die Anwendung von § 104 AktG zur gerichtlichen Bestellung von Mitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrates einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei nicht möglich. § 52 Abs. 1 GmbHG verweise gerade nicht auf § 104 AktG, so dass nach herrschender Meinung eine entsprechende Anwendung nicht infrage komme.

Gegen diesen am 13.09.2013 zugestellten Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigen des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 14.10.2013 an das Amtsgericht € dort eingegangen am selben Tag (ein Montag) € Beschwerde eingelegt (wegen der Begründung im Einzelnen wird auf Blatt 87 ff. der Akte genommen). Entscheidend für die Frage der analogen Anwendbarkeit von § 104 AktG sei nicht, ob die Gesellschaft nach außen handlungsfähig sei, sondern ob ein zwingend vorgesehener Aufsichtsrat seine Arbeit ordnungsgemäß ausüben könne oder nicht, wozu selbstverständlich auch dessen ordnungsgemäße Besetzung gehöre, also vorliegend auch mit der notwendigen Zahl der Arbeitnehmervertreter, da die Gesellschaft in ihrem Gesellschaftsvertrag festgeschrieben habe, dass das Drittelbeteiligungsgesetz unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen zwingend Anwendung zu finden habe. Die Voraussetzungen von § 104 Absatz 2 Satz 1 AktG lägen vor, da der Aufsichtsrat der Gesellschaft mit sieben Mitgliedern weniger besetzt sei, als er nach der Satzung besetzt sein müsse; dies allein rechtfertige schon die analoge Anwendung des § 104 AktG. Die fehlende Vollständigkeit des Aufsichtsrates führe zu dessen Handlungsunfähigkeit, da eine wirksame Einladung zu Aufsichtsratssitzungen bereits voraussetze, dass alle notwendigen Mitglieder des Aufsichtsrats geladen würden und nicht nur die aktuell gerade bestellte Mitgliederzahl. Nach der am 22.07.2013 im Handelsregister der Gesellschaft erfolgten Eintragung des Formwechsels der Gesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter entsprechender Neufassung des Gesellschaftsvertrages sei daher mit Ablauf des 22.10.2013 in jedem Fall gemäß § 104 Absatz 2 Satz 1 AktG rechtlich die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats um die sieben Arbeitnehmervertreter zu ergänzen. Auch sei es nicht richtig, dass die entsprechenden Wahlen der Arbeitnehmervertreter bereits ab Mai hätten in die Wege geleitet werden können.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.10.2013 nicht abgeholfen und diese dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 93 der Akte). Dieses hat die Beschwerde zuständigkeitshalber an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main weitergeleitet (Bl. 95 R der Akte).

II.

Das Oberlandesgericht und nicht das Landgericht ist im Hinblick auf den am 11.09.2013 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag vom 10.09.2013 zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde (§§ 119 Absatz 1 Nr. 1 b) GVG, Art. 112 Absatz 1 FGGRG).

Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist gemäß §§ 402 Absatz 1 und 3, 375 Nr. 3 FamFG, 104 Absatz 2 Satz 4 AktG statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 63, 64 FamFG) und der Beschwerdeführer € der vorliegend auch Antragsteller ist € durch die Zurückweisung des Antrages in eigenen Rechten beeinträchtigt ist (§ 59 Absatz 1 und 2 FamFG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet; das Amtsgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Ergänzung von Aufsichtsratsmitgliedern vielmehr zu Recht zurückgewiesen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt auch in vorliegendem Fall eine analoge Anwendung von § 104 AktG über die gerichtliche Ergänzung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht in Frage.

Bei der Gesellschaft handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die nach eigenem Vortrag des Beschwerdeführers weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Somit besteht für die Gesellschaft insbesondere weder eine gesetzliche Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrats nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (vgl. dort § 1 Absatz 1 Nr. 3) noch nach dem Mitbestimmungsgesetz (vgl. dort § 1 Absatz 1).

Nachdem bei der Gesellschaft, die früher als Aktiengesellschaft geführt wurde und bei der damals nach Darstellung des Beschwerdeführers ein Aufsichtsrat gemäß Drittelbeteiligungsgesetz bestanden hat, im Zusammenhang mit dem Formwechsel in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Statusverfahren nach §§ 97 ff AktG ohne Antrag auf gerichtliche Überprüfung nach § 98 AktG durchgeführt wurde, bestimmt sich somit der dort gebildete Aufsichtsrat nach dem von der Geschäftsführung der Gesellschaft in der Bekanntmachung vom 24.07.2013 (Bl. 17 f. der Akte) in Bezug genommenen § 52 GmbHG i.V.m. den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft (§ 97 Absatz 2 Satz 1 AktG). Nach dessen Abschnitt II, B (§§ 9 bis 11; Bl. 25 € 27 der Akte) ist danach bei der Gesellschaft ein Aufsichtsrat zu bilden, der nach § 9 Absatz 1 des Gesellschaftsvertrages aus 21 Mitgliedern besteht. Davon werden 14 Mitglieder von der Gesellschafterversammlung und sieben Mitglieder von den Arbeitnehmern €nach den Grundsätzen des Drittelbeteiligungsgesetzes gewählt, auch wenn die erforderliche Arbeitnehmerzahl nach der jeweils gültigen Fassung des Drittelbeteiligungsgesetzes nicht erreicht ist€.

Somit besteht bei der Gesellschaft ein lediglich fakultativer Aufsichtsrat. Für diesen ist weiterhin nach dem maßgeblichen Text des Gesellschaftsvertrages lediglich insoweit auf das Drittelbeteiligungsgesetz verwiesen, als es dessen Bestimmungen zur Wahl der Arbeitnehmervertreter betrifft; eine darüber hinausgehende generelle Einbeziehung der in § 1 Absatz 1 Nr. 3 Drittelbeteiligungsgesetz in Bezug genommenen Bestimmungen des AktG, insbesondere des dort aufgeführten § 104 AktG, ist damit somit nicht verbunden.

Für den nach § 52 GmbHG i.V.m. mit dem Gesellschaftsvertrag gebildeten Aufsichtsrat einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung € für den eine gesetzlich zwingende Vorschrift zu dessen Bildung nicht besteht € entspricht es jedoch der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur € der sich der Senat anschließt €, dass die Ergänzung des Aufsichtsrats und damit die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in entsprechender Anwendung des § 104 AktG (oder von § 29 BGB) nicht in Betracht kommt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.06.2000, Az. 3Z BR 92/00, OLG Hamm, Beschluss vom 23.02.2000, Az. 15 W 46/00, jeweils zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.1982, Az. 6 W 61/81, BB 1982, 1574, 1575; Raiser/Heermann in Ulmer, Großkommentar GmbHG, 2006, § 52, Rn. 46; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 52, Rn. 45; Schmidt in Ernsthaler/Füller/Schmidt, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 52, Rn. 24; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 52, Rn. 10; Koppensteiner/Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., 2013, § 52, Rn. 17; Ziemons/Jaeger in Beck'scher Online-Kommentar GmbHG, Stand 01.09.2013, § 52, Rn. 7; Giedinghagen in Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 52, Rn. 107 (wonach allerdings eine analoge Anwendung in Betracht kommen soll, wenn die Satzung eine Verweisung auf § 104 AktG oder § 29 BGB enthält), in diesem Sinne auch Spindler in Münchner Kommentar zum GmbHG, 2012, § 52, Rn. 136; a.A. Schneider in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 52, Rn. 242, wonach jedenfalls dann, wenn dem Aufsichtsrat wesentliche Funktionen innerhalb der Entscheidungsorganisation der Gesellschaft zugebilligt worden seien, eine derartige gerichtliche Ersatzbestellung zu verlangen sei).

Neben den Umständen, dass § 52 GmbHG bei seinen Verweisungen auf Bestimmungen des Aktiengesetzes § 104 AktG gerade nicht benennt, und die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern von €Staats wegen€ bereits wegen des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrats als Organ der Gesellschaft Bedenken unterliegen könnte, spricht entscheidend gegen eine analoge Anwendung von §§ 104 AktG bzw. 29 BGB der Umstand, dass für eine derartige Analogie auch kein Bedürfnis besteht.

Zwar mag vorliegend € worauf der Beschwerdeführer zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht hinweist € die besondere Konstellation bestehen, dass die Gesellschafterversammlung nach der Regelung in § 9 des Gesellschaftsvertrages € dessen rechtliche Zulässigkeit unterstellt € die derzeit fehlenden sieben Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nicht selbst wählen kann. Insoweit greift somit das teilweise zur Begründung der herrschenden Meinung € und auch vom OLG Hamm in seinem oben zitierten Beschluss aufgrund der dort bestehenden Sachverhaltskonstellation € ergänzend herangezogene Argument nicht, wonach die Gesellschafterversammlung als zuständiges Organ ja jederzeit die Funktionsfähigkeit bzw. Vollständigkeit des Aufsichtsrates sicherstellen könne; darauf weist auch der Beschwerdeführer hin. Diese Argumentation des Beschwerdeführers übersieht aber das daneben bestehende entscheidende Argument für die herrschende Meinung, wonach es an einem Bedürfnis für eine analoge Anwendung der §§ 104 AktG, 29 BGB deswegen fehlt, weil die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei fehlender gesetzlicher Verpflichtung zur Einrichtung eines Aufsichtsrates aktions- und handlungsfähig bleibt, auch dann, wenn ihr satzungsmäßig vorgesehener Aufsichtsrat nicht mehr besteht oder dieser € wie der Beschwerdeführer meint € funktionsunfähig sein sollte. Die Gesellschaft bleibt vielmehr auch ohne Aufsichtsrat stets handlungsfähig. In einem derartigen Fall fallen nämlich die Aufgaben, für die der Aufsichtsrat nach der Satzung zuständig ist, in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung zurück (€Rückfallkompetenz€; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24.02.1954, Az. II ZR 88/53, NJW 1954, 799 ff., 800, zitiert nach beck-online; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.10.1993, Az. 16 U 87/92, NJW-RR 1995, 36 ff., 38, zitiert nach beck-online; Raiser/Heermann in Ulmer, a.a.O.; Koppensteiner/Gruber in Rowedder/Schmidt-Leithoff, a.a.O., § 45, Rn. 16; Ziemons/Jaeger in Beck'scher Online-Kommentar, a.a.O., Rn. 6 m.w.N., auch zur teilweisen einschränkenden Ansicht in Teilen der Literatur auf Notfälle; Giedinghagen in Michalski, a.a.O. und Rn. 216).

Aus der von dem Beschwerdeführer in Bezug genommenen Entscheidung des erkennenden Senats vom 02.11.2010 (Az. 20 W 362/10, veröffentlicht in juris) ergibt sich demgegenüber nichts anderes. Dort ging es lediglich um die Frage, ob die Voraussetzungen einer gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrates bis zur Beschlussfähigkeit nach § 104 Absatz 1 AktG i.V.m § 27 EGAktG i.V.m. § 96 Absatz 2 AktG, § 6 Absatz 2 MitbestG, §§ 1 Absatz 1, 5 Absatz 1, 7 Absatz 1 Nr. 3, Absatz 2 Nr. 3 MitbestG, § 15 Absatz 1 Satz 2 MitbestG, § 28 MitbestG i.V.m. § 108 Absatz 2 Satz 4 AktG bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei der bislang aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zwingend ein Aufsichtsrat gebildet war, auch dann gegeben sind, wenn die Arbeitnehmerzahl dauerhaft unter 500 absinkt und mangels Durchführung des Verfahrens nach §§ 97, 98 AktG von einem Fortbestehen des Aufsichtsrates auszugehen ist. Zur Frage der Anwendung von § 104 AktG auf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die lediglich einen fakultativen Aufsichtsrat hat, enthält dieser Beschluss des Senats hingegen keine Ausführungen. Der von dem Beschwerdeführer indirekt aus dieser Entscheidung zitierte Passus, wonach auch für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die aufgrund der gesetzlichen Vorschriften einen Aufsichtsrat installiert hat, der vom Gesetzgeber für die Einführung des § 96 Absatz 2 AktG (damals noch § 93 AktG) gesehene Zweck bestehe, dass dem Aufsichtsrat eine sichere Rechtsgrundlage zu geben sei, nimmt ausdrücklich auf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bezug, die einen €nach den gesetzlichen Vorschriften€ installierten Aufsichtsrat hat, was vorliegend gerade nicht der Fall ist; insoweit entspricht das indirekte Zitat durch den Beschwerdeführer nicht dem genauen Wortlaut der zitierten Entscheidung. Es geht hier im Übrigen auch gerade nicht mehr darum, nach welchen Vorgaben ein Aufsichtsrat zu bilden ist; dies steht im Unterschied zu der in Bezug genommenen Entscheidung des Senats aufgrund des hier bereits durchgeführten Statusverfahrens vielmehr schon fest.

Auch wenn vorliegend € worauf der Beschwerdeführer in seinem Antrag ebenfalls abgestellt hat € dem Aufsichtsrat in § 9 Absatz 7 und 8 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft umfassende und wesentliche Aufgaben übertragen worden sind, kann der insoweit vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen € oben zitierten € Gegenmeinung von Schneider in Scholz, GmbHG, wonach jedenfalls dann, wenn dem Aufsichtsrat wesentliche Funktionen innerhalb der Entscheidungsorganisation der Gesellschaft zugebilligt worden seien, eine derartige gerichtliche Ersatzbestellung verlangt werden könne, nicht gefolgt werden. So steht zum einen bereits die Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat im Belieben der Gesellschafter (vgl. Spindler in Münchner Kommentar zum AktG, a.a.O.) und zum anderen bestehen die oben für die herrschende Ansicht genannten Argumente unabhängig davon, ob dem Aufsichtsrat auch wesentliche Aufgaben übertragen worden sind.

Zwar käme es für die € abgelehnte € Anwendung von § 104 Absatz 2 AktG nicht darauf an, aus welchem Grund dem Aufsichtsrat nicht die notwendige Anzahl seiner Mitglieder angehört (vgl. Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 104, Rn. 6, zitiert nach beck-online), so dass dem Beschwerdeführer insoweit Recht zu geben ist, dass es entgegen den Darlegungen des Amtsgerichts in seinem angefochtenen Beschluss nicht auf die Frage ankäme, ob die Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat bereits längst hätte vorbereitet und durchgeführt werden können. Soweit der Beschwerdeführer insoweit in der Beschwerdeschrift allerdings darauf hinweist, dass ihm bis heute nicht die notwendigen Informationen über die in die Wahl einzubeziehenden Arbeitnehmer vorlägen, bestünde für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, für die Wahl unabdingliche Informationen von Seiten der Gesellschaft erforderlichenfalls im Klageweg einzufordern. Dies zeigt, dass der Beschwerdeführer trotz der nunmehr getroffenen Entscheidung des Senats im Hinblick auf eine vollständige Besetzung des Aufsichtsrats auch mit Arbeitnehmervertretern nicht völlig rechtlos gestellt ist.

Hinsichtlich der Gerichtskosten war eine ausdrückliche Auferlegung auf den Beschwerdeführer nicht erforderlich, da sich dessen Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten bereits aus § 22 Absatz 1 GNotKG ergibt.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 67 Absatz 1 Nr. 1 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde war nach § 70 Absatz 2 Nr. 1 FamFG zuzulassen, weil zu der maßgeblichen Rechtsfrage der analogen Anwendbarkeit von § 104 AktG auf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die lediglich über einen fakultativen Aufsichtsrat verfügt, in der Kommentarliteratur gegensätzliche Auffassungen vertreten werden, nach denen auch der vorliegende Sachverhalt mit unterschiedlichem Ergebnis zu entscheiden wäre und diese Rechtsfrage in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen auftreten kann. Somit ist das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts hinsichtlich dieser bislang € soweit ersichtlich € höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage betroffen.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 19.11.2013
Az: 20 W 335/13


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