Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 425/03

(BPatG: Beschluss v. 24.06.2004, Az.: 5 W (pat) 425/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 24. Juni 2004 (Aktenzeichen 5 W (pat) 425/03) die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben. Das Gebrauchsmuster 299 13 420 wird im Umfang der Schutzansprüche 1, 2, 3, 5, 6 und 8 gelöscht. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin.

In dem Fall ging es um eine Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung, die von der Antragstellerin beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet wurde. Die Antragstellerin beantragte die Löschung des Gebrauchsmusters, da sie der Meinung war, dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters nicht schutzfähig sei. Sie machte dabei Bezug auf den Produktkatalog eines Unternehmens sowie auf die offenkundige Vorbenutzung eines Proportionsmodells einer Toilettensitzerhöhung.

Das Deutsche Patent- und Markenamt wies den Löschungsantrag zunächst zurück. Die Antragstellerin legte daraufhin Beschwerde ein und führte weitere Druckschriften als Belege für die fehlende Schutzfähigkeit an.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht und daher nicht schutzfähig ist. Es verwies auf bekannte Armlehnen aus dem Vorverkaufskatalog sowie aus anderen Geschmacksmustern, die bereits ähnliche Merkmale aufwiesen.

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts bedeutet, dass das Gebrauchsmuster im genannten Umfang gelöscht wird und die Kosten des Verfahrens von der Antragsgegnerin getragen werden müssen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 24.06.2004, Az: 5 W (pat) 425/03


Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - 25. November 2002 aufgehoben.

Das Gebrauchsmuster 299 13 420 wird im Umfang der Schutzansprüche 1, 2, 3, 5, 6 und 8 gelöscht.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 6. August 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten und am 4. November 1999 mit der Bezeichnung Armlehne für eine Toilettensitzerhöhungin die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters 299 13 420, dessen Schutzdauer verlängert ist. Der Eintragung liegen die Schutzansprüche 1 bis 8 vom Anmeldetag zugrunde. Diese Schutzansprüche lauten wie folgt:

1. Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung, die aus einem mehrfach gebogenen Bügel besteht, der im hinteren Teil der kastenartigen Toilettensitzerhöhung um eine horizontale Achse schwenkbar gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Armlehne (7, 20, 24, 30) an mindestens einem Ende freitragend ausgebildet ist.

2. Armlehne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das hintere Ende der Armlehne (7, 20, 24, 30) freitragend ausgebildet ist.

3. Armlehne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das vordere Ende der Armlehne freitragend ausgebildet ist, (Fig. 12).

4. Armlehne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das vordere und hintere Ende der Armlehne freitragend ausgebildet ist und daß ein querverlaufendes Rohrstück im Mittenbereich der Armlehne angesetzt ist, welches die Verbindung zur Toilettensitzerhöhung (1) schafft, (Fig. 13).

5. Armlehne nach einem der Ansprüche 1-4, dadurch gekennzeichnet, daß die Armlehne (7) aus einem unteren und hinteren, sitznahen Ansatz (10) besteht, der schwenkbar in einer Aufnahmebohrung der Toilettensitzerhöhung (1) aufgenommen ist, und daß der Ansatz (10) über eine erste Biegung (11) in ein etwa horizontal liegendes Rohrstück (12) übergeht, welches auf einem Auflager (13) aufliegt, das an der Seitenwand der Toilettensitzerhöhung (1) ausgebildet ist und daß am freien Ende des Rohrstückes (12) eine weitere Biegung (14) ansetzt, von der ausgehend ein Rohrstück (15) schräg nach oben und auswärts gebogen ist, welches seinerseits über eine Biegung (16) in ein etwa horizontales Rohrstück (17) übergeht, welches das freitragende, obere Ende der Armlehne (7) bildet.

6. Armlehne nach einem der Ansprüche 1-4, dadurch gekennzeichnet, daß ausgehend von dem das hintere Schwenklager bildenden Rohrstück (10) ein schräg nach vorn und oben gerichtetes Rohrstück (21) vorgesehen ist, welches über eine Biegung (16) in das freitragende Rohrstück (22) der Armlehne (20) übergeht.

7. Armlehne nach einem der Ansprüche 1-6, dadurch gekennzeichnet, daß das obere und freitragende Rohrstück (17) über eine Biegung (25) in ein vertikal nach unten gerichtetes Rohrstück (26) mündet, welches über eine Biegung (28) in ein vorwärts gerichtetes, horizontales Rohrstück (27) übergeht.

8. Armlehne nach einem der Ansprüche 1-7, dadurch gekennzeichnet, daß die freitragende Armlehne (7, 20, 24, 30) eine gepolsterte Armauflage (31) trägt.

Die Antragstellerin hat am 28. August 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1, 2, 3, 5 und 8 zu löschen.

Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2001 hat sie zusätzlich die Löschung des Gebrauchsmusters auch im Umfang des Schutzanspruchs 6 beantragt. Sie macht geltend, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters im angegriffenen Umfang nicht schutzfähig sei. Zum Stand der Technik hat sie im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt den Produktkatalog der Firma Meyra "Rollstühle und Rehabilitationsmittel", Ausgabe März 1998, Seiten 58 und 59 (Anl 3 zum Löschungsantrag) genannt. Sie macht außerdem die offenkundige Vorbenutzung eines Proportionsmodells einer Toilettensitzerhöhung geltend und hat dazu ein Photo dieses Modells vorgelegt (Anl 5 zum Löschungsantrag).

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag teilweise widersprochen und zwar im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 vom 6. Dezember 2000, eingegangen am 8. Dezember 2000. Diese Schutzansprüche lauten wie folgt:

1. Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung, die aus einem mehrfach gebogenen Bügel besteht, der im hinteren Teil der kastenartigen Toilettensitzerhöhung (1) um eine horizontale Achse (19) schwenkbar gelagert ist, wobei die Armlehne (7, 20, 24,30) eine gepolsterte Armauflage (31) trägt, dadurch gekennzeichnet, daß

das hintere Ende der Armlehne (7, 20, 24, 30) freitragend ausgebildet ist.

2. Armlehne nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Armlehne (7) aus einem unteren und hinteren, sitznahen Ansatz (10) besteht, der schwenkbar in einer Aufnahmebohrung der Toilettensitzerhöhung (1) aufgenommen ist, und daß der Ansatz (10) über eine erste Biegung (11) in ein etwa horizontal liegendes Rohrstück (12) übergeht, welches auf einem Auflager (13) aufliegt, das an der Seitenwand der Toilettensitzerhöhung (1) ausgebildet ist, und daß am freien Ende des Rohrstückes (12) eine weitere Biegung (14) ansetzt, von der ausgehend ein Rohrstück (15) schräg nach oben und auswärts gebogen ist, welches seinerseits über eine Biegung (16) in ein etwa horizontales Rohrstück (17) übergeht, welches das freitragende, obere Ende der Armlehne (7) bildet.

3. Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung, die aus einem mehrfach gebogenen Bügel besteht, der im hinteren Teil der kastenartigen Toilettensitzerhöhung (1) um eine horizontale Achse (19) schwenkbar gelagert ist, wobei die Armlehne (7, 20, 24, 30) eine gepolsterte Armauflage (31) trägt, dadurch gekennzeichnet, daß

das vordere und hintere Ende der Armlehne freitragend ausgebildet sind, und daß ein querverlaufendes Rohrstück im Mittenbereich der Armlehne angesetzt ist, welches die Verbindung zur Toilettensitzerhöhung (1) schafft, (Fig. 13).

4. Armlehne nach einem der Ansprüche 1 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß ausgehend von dem das hintere Schwenklager bildenden Rohrstück (10) ein schräg nach vorn und oben gerichtetes Rohrstück (21) vorgesehen ist, welches über eine Biegung (16) in das freitragende Rohrstück (22) der Armlehne (20) übergeht.

5. Armlehne nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß das obere und freitragende Rohrstück (17) über eine Biegung (25) in ein vertikal nach unten gerichtetes Rohrstück (26) mündet, welches über eine Biegung (28) in ein vorwärts gerichtetes, horizontales Rohrstück (27) übergeht.

Die Antragsgegnerin bestreitet, daß das Proportionsmodell vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters einer unbeschränkten Öffentlichkeit zugänglich war. Sie vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters im verteidigten Umfang schutzfähig sei.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Gebrauchsmusterabteilung I - hat den Löschungsantrag mit Beschluß vom 25. November 2002 im Umfang der Schutzansprüche 1, 2 und 4, letzterer rückbezogen auf den Schutzanspruch 1, vom 6. Dezember 2000 zurückgewiesen. Sie hat die Offenkundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzung verneint.

Gegen den Beschluß hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie macht weiter die offenkundige Vorbenutzung des Proportionsmodells geltend. Zum Stand der Technik hat sie noch folgende Druckschriften vorgelegt:

schwedisches Geschmacksmuster M 750/1995 (Anl 2 zum Schriftsatz vom 16. Juni 2003), deutsches Geschmacksmuster M 95 08 011 (Anl 3 zum Schriftsatz vom 16. Juni 2003).

Sie vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters im angegriffenen Umfang im Hinblick auf den druckschriftlich nachgewiesenen Stand der Technik nicht schutzfähig sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 3, 5, 6 und 8 zu löschen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, den Löschungsantrag im Umfang des Schutzanspruchs 1 vom 6. Dezember 2000 unter Ergänzung des Merkmals "und die Armlehne einen vorderen Bügel mit Verbindung zur Toilettensitzerhöhung aufweist" als letztes Merkmal zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters im verteidigten Umfang auch unter Berücksichtigung des neu genannten Standes der Technik auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

II 1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und in der Sache auch gerechtfertigt. Der Löschungsantrag ist begründet. Soweit das Gebrauchsmuster nicht verteidigt wird, folgt die Löschung aus § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG. Im übrigen ist der Löschungsanspruch gemäß § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG gegeben.

Der Löschungsantrag ist, wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat und wovon auch die Gebrauchsmusterabteilung ausgegangen ist, so zu verstehen, daß das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 5, 6 und 8 insoweit zu löschen ist, als diese Ansprüche nicht auf einen nicht angegriffenen vorhergehenden Schutzanspruch rückbezogen sind. Soweit im Beschlußtenor die Löschung der Schutzansprüche 5, 6 und 8 ausgesprochen ist, erfaßt sie also nicht diese Schutzansprüche in ihrer Rückbeziehung auf die Schutzansprüche 4 und 7.

2. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung. In der Beschreibung des Gebrauchsmusters ist ausgeführt, daß Toilettensitzerhöhungen insbesondere für Behinderte und Invaliden verwendet würden, die mit der vorhandenen Sitzhöhe einer Toilettenschüssel nicht zurechtkämen. Die Armlehnen der Toilettenschüsseln unterlägen hohen Belastungen, weil die Stützkraft der Benutzer beim Aufsetzen auf die Toilettensitzerhöhung praktisch vollkommen über die Armlehnen aufgefangen werden müsse. Es sei bekannt, jeweils eine Armlehne um eine horizontale Achse schwenkbar im hinteren Bereich der Toilettensitzerhöhung anzuordnen, wobei diese Armlehne im wesentlichen aus einem mehrfach gebogenen Bügel bestehe. Um eine unzulässige Durchbiegung des oberen Bügelteils der Armlehne zu verhindern, sei es bisher lediglich bekannt, Querstreben in dem Bügel anzuordnen, um den oberen Bügelteil mit dem unteren Bügelteil zu verbinden. Querliegende Bügel und Querstreben seien hinderlich, und die Herstellungskosten einer derartigen Armlehne seien stark erhöht (S 1 Z 14 bis S 2 Z 18 der Gebrauchsmusterschrift).

Vor diesem Hintergrund soll die Aufgabe gelöst werden, eine hoch belastbare Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung der genanten Art so weiterzubilden, daß sie in den Herstellungskosten wesentlich günstiger ist und gleiche Kräfte übertragen kann (S 2 Z 20 bis 23).

3. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters ist weder in der nach Hauptantrag, noch in der nach Hilfsantrag verteidigten Fassung schutzfähig. Denn er beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 GebrMG).

Als Fachmann, an dem sich die Bewertung orientiert, ist hier ein Ingenieur oder qualifizierter Techniker des Maschinenbaus oder verwandter Fachrichtungen anzusehen, der Erfahrungen in der Konstruktion von Hilfsmitteln im Sanitärbereich für die Kranken- oder Altenpflege hat.

3.1 Zum Hauptantrag Der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag enthält die Merkmale aus den eingetragenen Schutzansprüchen 1, 2 und 8 und ist somit unter Gesichtspunkten der ursprünglichen Offenbarung zulässig. Er läßt sich wie folgt gliedern:

Armlehne (7, 20, 24, 30) für eine Toilettensitzerhöhung (1), a) die Armlehne besteht aus einem mehrfach gebogenen Bügel, b) der im hinteren Teil der kastenartigen Toilettensitzerhöhung um eine horizontale Achse (19) schwenkbar gelagert ist, c) die Armlehne trägt eine gepolsterte Armauflage (31), d) das hintere Ende der Armlehne ist freitragend ausgebildet.

Aus dem unbestritten vorveröffentlichten Meyra-Katalog ist eine aus einem mehrfach gebogenen Bügel bestehende Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung bekannt, die im hinteren Teil der kastenartigen Toilettensitzerhöhung um eine horizontale Achse schwenkbar gelagert ist (S 58 reSp untere Hälfte). Die Armlehne hat eine Armauflage, bei der davon auszugehen ist, daß sie gepolstert ist. Somit ist aus der Druckschrift eine Armlehne mit den Merkmalen a bis c der vorstehenden Merkmalsgliederung bekannt.

Eine ähnliche Armlehne weist auch die Toilettensitzerhöhung nach dem deutschen Geschmacksmuster M 95 08 011 auf, bei der aber zusätzlich eine Querstrebe zwischen einem oberen und einem unteren sitznahen Bügelteil vorhanden ist (vgl Beschreibung des Streitgebrauchsmusters S 2 Z 11 bis 14).

Bei den aus dem Meyra-Katalog bekannten Armlehnen geht der von der Armauflage nach unten führende Bügelteil vom hinteren Ende der Armauflage aus. Die bekannten Armlehnen haben somit in der Diktion des Streitgebrauchsmusters ein freitragendes vorderes Ende, während bei der Armlehne gemäß dem Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag das hintere Ende freitragend ausgebildet sein soll.

Eine Toilettensitzerhöhung mit Armlehnen ist auch Gegenstand des schwedischen Geschmacksmusters M 750/1995. Die Armlehnen sind, wie der Fachmann den Zeichnungen des Geschmacksmusters ohne weiteres entnimmt, im hinteren Teil der Toilettensitzerhöhung um eine horizontale Achse schwenkbar gelagert. Aus den Zeichnungen sind nämlich sowohl eine horizontal verlaufende, die hinteren unteren Enden der Armlehnen durchgreifende Achse bzw Welle als auch Auflager für die Armlehnen auf beiden Seiten des Toilettenaufsatzes in einem gewissen Abstand vor der Drehachse ersichtlich. Die Armlehnen bestehen jeweils aus rechteckigen Profilen, nämlich einem horizontalen, die Armauflage bildenden Teil und einem daran auf etwa einem Viertel seiner Länge von vorn unten ansetzenden, zunächst schräg nach hinten und unten und dann etwa horizontal nach hinten zum Auflager und weiter zur Schwenkachse führenden Teil. Sowohl das vordere als auch das hintere Ende der Armlehne, dh der Armauflage, sind freitragend ausgebildet, wobei das hintere Ende wesentlich länger ist als das vordere. Diese Form der Armlehnen unterscheidet sich deutlich von der aus dem Meyra-Katalog bekannten Form, bei welcher der die Armauflage tragende Teil der Armlehne vom hinteren Teil der Armauflage nach unten führt. Somit fügt das schwedische Gebrauchsmuster dem Vorrat an Grundformen für Armlehnen eine weitere Form hinzu.

Es gehört zum routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns, so zu konstruieren, daß der angestrebte Zweck mit möglichst geringem Aufwand erreicht wird. Die Herstellung einer Armlehne aus einem einzigen mehrfach gebogenen Bügel, wie sie aus dem Meyra-Katalog bekannt ist, stellt offensichtlich eine technisch und ökonomisch vorteilhafte Lösung dar. Es drängt sich daher dem Fachmann auf, auch die aus dem schwedischen Gebrauchsmuster bekannte Armlehnenform mit einem einteiligen, mehrfach gebogenen Bügel nachzubilden. Das Vorbild aus dem schwedischen Geschmacksmuster mit einem längeren hinteren freitragenden Ende der Armauflage führt bei einer Konstruktion der Armlehne aus einem einzigen mehrfach gebogenen Bügel ohne weiteres zu einer Armlehne mit einem freitragenden hinteren Ende.

3.2 Zum Hilfsantrag Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag ist ebenfalls nicht schutzfähig. Denn er beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Der Schutzanspruch nach Hilfsantrag enthält zusätzlich zu den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag folgendes Merkmal:

e) die Armlehne weist einen vorderen Bügel mit Verbindung zur Toilettensitzerhöhung auf.

Dieses Merkmal ist in der Beschreibung (S 4 Abs 6) offenbart.

Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich nicht von dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag. Da dort bereits angegeben ist, daß die Armlehne aus einem mehrfach gebogenen Bügel besteht und das hintere Ende der Armlehne freitragend ausgebildet ist (Merkmale a und d), impliziert der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag bereits, daß das vordere Ende des die Armauflage bildenden Teils der Armlehne mit einem Bogen in den zur Toilettensitzerhöhung führenden Teil übergeht. Die Ausführungen zur Schutzfähigkeit des Gegenstands des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag gelten daher in gleicher Weise für den Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag.

4. Die Gegenstände der Schutzansprüche 2 und 4 (letzterer soweit nur auf Anspruch 1 rückbezogen) vom 6. Dezember 2000 sind ebenfalls nicht schutzfähig.

Der Schutzanspruch 2 entspricht dem eingetragenen Schutzanspruch 5. Er enthält eine genaue Spezifizierung des Verlaufs des die Armlehne bildenden Bügels. Über den Schutzanspruch 1 hinausgehend sind dabei die Angaben,

- daß die Armlehne aus einem unteren und hinteren, sitznahen Ansatz besteht,

- der schwenkbar in einer Aufnahmebohrung der Toilettensitzerhöhung aufgenommen ist,

- daß der Ansatz über eine erste Biegung in ein etwa horizontal liegendes Rohrstück übergeht,

- welches auf einem Auflager aufliegt, das an einer Seitenwand der Toilettensitzerhöhung ausgebildet ist,

- daß daran anschließend eine weitere Biegung ansetzt, von der ausgehend ein Rohrstück schräg nach oben und auswärts gebogen ist.

Die restlichen Merkmale sind bereits im Schutzanspruch 1 enthalten. Die vorgenannten zusätzlichen Merkmale gemäß Schutzanspruch 2 gehen über den Stand der Technik nicht hinaus. So weisen die aus dem Meyra-Katalog und dem deutschen Geschmacksmuster M 95 08 011 bekannten Armlehnen jeweils einen unteren und hinteren, sitznahen Ansatz auf, der schwenkbar in einer Aufnahmebohrung der Toilettensitzerhöhung aufgenommen ist. Dieser Ansatz geht jeweils über eine Biegung in den anschließenden Teil der Armlehne über. Die Armlehne nach dem schwedischen Geschmacksmuster M 750/1995 weist, wie zum Hauptantrag bereits ausgeführt wurde, unten hinten einen etwa horizontal liegenden Abschnitt auf, welcher auf einem Auflager aufliegt, das an der Seitenwand der Toilettensitzerhöhung ausgebildet ist. Dieser Abschnitt geht in einen schräg nach oben und vorn verlaufenden Abschnitt der Armlehne über. Bei der Armlehne nach dem schwedischen Geschmacksmuster weist der horizontal liegende Abschnitt eine Biegung nach außen auf, so daß der Zwischenraum zwischen den Armlehnen sich von hinten nach vorn verbreitert. Bei der Toilettensitzerhöhung nach dem deutschen Geschmacksmuster verlaufen die nach oben laufenden Teile der Armlehne schräg nach außen. Mit beiden Maßnahmen soll offensichtlich erreicht werden, daß der Zwischenraum zwischen den Armauflagen der Armlehnen zur Erleichterung der Benutzung größer ist als der Abstand zwischen den unteren Teilen der Armlehnen. Es handelt sich dabei um Konstruktionsvarianten, die dem Fachmann ohne weiteres zur Verfügung stehen und unter denen er nach Bedarf und Belieben auswählt. Auch die zusätzlichen Merkmale gemäß dem verteidigten Schutzanspruch 2 liegen daher bei der Konstruktion einer Armlehne für eine Toilettensitzerhöhung im unmittelbaren Griffbereich des Fachmanns und erfordern für ihren Einsatz keine über das routinemäßige Überlegen und Auswählen hinausgehende Leistung.

Bei der Armlehne nach dem verteidigten Schutzanspruch 4, der dem eingetragenen Schutzanspruch 6 entspricht, ist das Rohrstück zwischen dem das hintere Schwenklager bildenden Rohrstück bzw dem es damit verbindenden Rohrbogen und dem bogenförmigen Übergang zur Armauflage gerade. Hierin ist lediglich eine einfache konstruktive Abwandlung der Armlehne gemäß Schutzanspruch 1 bzw Schutzanspruch 2 zu sehen, die für den Fachmann ohne weiteres vorhersehbar einerseits eine Vereinfachung der Konstruktion durch weniger Biegungen in dem die Armlehne bildenden Rohrbügel bewirkt und andererseits eine Anpassung des Auflagers, an dem sich die Armlehne abstützt, erfordert (vgl Fig 4 des Streitgebrauchsmusters).

Der Schutzanspruch 3 vom 6. Dezember 2000 enthält die Merkmale aus den eingetragenen Schutzansprüchen 1, 4 und 8; der Schutzanspruch 5 vom 6. Dezember 2000 entspricht dem eingetragenen Schutzanspruch 7. Insoweit ist das Gebrauchsmuster nicht angegriffen und also vom Löschungsverfahren nicht erfaßt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §18 Abs 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 91 Abs 1, § 97 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

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BPatG:
Beschluss v. 24.06.2004
Az: 5 W (pat) 425/03


Link zum Urteil:
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