Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Mai 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 3/05

(BPatG: Beschluss v. 04.05.2009, Az.: 19 W (pat) 3/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 4. Mai 2009 die Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Anmeldung zur Erteilung eines Patents zurückgewiesen. Das Deutsche Patent- und Markenamt hatte die Anmeldung mit der Begründung abgelehnt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs nicht erfinderisch sei. Die Anmelderin hat dagegen Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht. Sie beantragt die Aufhebung der Zurückweisung und die Erteilung des Patents aufgrund der eingereichten Unterlagen.

Die Anmelderin argumentiert, dass ihr Handbediengerät anders ist als ein Industrie-PC, der in Werkzeug- oder Produktionsmaschinen eingebaut ist. Das Handbediengerät kann an Geräte angeschlossen werden, in denen noch keine Intelligenz oder Software installiert ist. Nach Anspruch 5 des Patents wird zwar ein PC als Rechner beansprucht, aber es handelt sich dabei um einen tragbaren Laptop.

Die erfindungsgemäße Vorrichtung erlaubt es, mit einem Handbediengerät ohne eigenen Bildschirm auszukommen. Die Ansteuersoftware kann dabei in dem Handbediengerät untergebracht werden. Außerdem ermöglicht die parallelprozessige Arbeitsweise des Rechners die Ansteuerung mehrerer Werkzeug- oder Produktionsmaschinen.

Das Gericht entscheidet, dass die Anmeldung nicht neu ist, da eine ähnliche Vorrichtung bereits in einer früheren Patentanmeldung beschrieben wurde. Auch die Hilfsanträge der Anmelderin sind nicht erfinderisch, da die darin beanspruchten Merkmale bereits bekannt sind.

Insgesamt wird die Beschwerde zurückgewiesen und das Patent wird nicht erteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 04.05.2009, Az: 19 W (pat) 3/05


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse G 05 B -hat die am 6. Februar 2003 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 26. Mai 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat inder mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht. Sie stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 05 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. Mai 2004 aufzuheben und das Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 9 vom 13. Juli 2004, hilfsweise Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 1 wie überreicht, Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 2 wie überreicht, Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 3 wie überreicht, Beschreibung und Zeichnungen jeweils vom Anmeldetag 6. Februar 2003.

Die Anmelderin führt aus, das anmeldungsgemäße Handbediengerät werde fallweise zur Inbetriebnahme an Geräte angesteckt, in denen noch keine Intelligenz bzw. Software installiert sei. Ein solches Handbediengerät sei nicht vergleichbar mit dem bekannten Industrie-PC nach DE 100 21 838 A1 oder EP 903 654 A2, der in die Werkzeugoder Produktionsmaschine eingebaut sei. Nach Anspruch 5 werde zwar ein PC als Rechner beansprucht. Das sei aber dann ein tragbarer Laptop.

Der Ultra Thin Client nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 erlaube es, mit einem Handbediengerät ohne eigenen Bildschirm auszukommen. Die Ansteuersoftware könne dabei in dem Handbediengerät untergebracht werden.

Die parallelprozessige Arbeitsweise des Rechners nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 sei als Multitasking zu verstehen. Sie erlaube die Ansteuerung mehrerer Werkzeugoder Produktionsmaschinen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

1. Gegenstand der Patentanmeldung, Aufgabe Die Patentanmeldung betrifft eine Vorrichtung zur Automatisierung und/oder Steuerung von Werkzeugoder Produktionsmaschinen. Die Patentschrift führt dazu aus, dass es bekannt sei, mehrere derartige NC/CNC-Maschinen an einem gemeinsamen Zentralrechner anzuschließen. Nach dem derzeit praktizierten DNC ("Direct numerical control") -Konzept würden die Steuerfunktionen komplett auf der internen Hardware der jeweiligen Maschine berechnet. Bei einer älteren Idee des DNC-Konzepts verbleibe eine Rumpfsteuerung in jeder Maschine.

Davon ausgehend ergibt sich die Aufgabe, eine einfache und kostengünstige Vorrichtung zur Automatisierung und/oder Steuerung von Werkzeugoder Produktionsmaschinen zu schaffen (Abs. 0004 der Offenlegungsschrift).

Diese Aufgabe wird nach Anspruch 1 (in Merkmale aufgegliedert) gelöst durch eine:

"Vorrichtung zur Automatisierung und/oder Steuerung von Werkzeugoder Produktionsmaschinen, a) wobei mindestens ein von mindestens einer Maschine (3a, 3b) örtlich entfernter Rechner (1)

b) über mindestens ein Bussystem (2) mit jeder Maschine (3a, 3b) zum unioder bidirektionalen Datenund Steuerverkehr miteinander verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, c) dass alle Steuerungsfunktionen von NC/PLC-geführten Achsenbewegungen der Maschine (3a, 3b) in den mindestens einen örtlich entfernten Rechner (1) integriert sind, d) der als Handbediengerät (HBG) mit integrierter Steuerungsfunktionalität ausgebildet ist."

Die Verwendung nur eines Rechners zur Steuerung mehrerer Maschinen erlaube eine besonders kostengünstige Realisierung der Vorrichtung.

Nach Hilfsantrag 1 wird der Anspruch 1 nach Hauptantrag ergänzt durch das Merkmal:

"e) wobei die Maschine (3a, 3b) mit einem Ultra Thin Client (5a, 5b) ohne eigene Intelligenz versehen ist", nach Hilfsantrag 2 weiterhin durch das Merkmal:

"e1) ",wobei der mindestens eine örtlich entfernte Rechner (1) einen HMI-Server (6a, 6b) aufweist, der den ihm zugeordneten Ultra Thin Client (5a, 5b) verwaltet und steuert."

Nach Hilfsantrag 3 wird der Anspruch 1 nach Hauptantrag ergänzt durch das Merkmal:

f) "wobei auf jeweils einem Rechner (1) die Steuerungsfunktionen mehrerer Maschinen (3a, 3b) parallelprozessig abarbeitbar sind."

2. Fachmann Als Fachmann sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik / Informatik mit Erfahrungen in der Entwicklung von Numerischen Steuerungen und Automatisierungstechnik.

3. Auslegung der Ansprüche Einige Merkmale der Ansprüche sind aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich oder eindeutig und bedürfen der Auslegung:

Unter einer Werkzeugoder Produktionsmaschine versteht der Fachmann eine Maschine die im Produktionsprozess eingesetzt wird. Darunter fällt auch ein Roboter (der selbst kein Werkzeug ist und nichts produziert), wie in der Beschreibung, Absatz 0002 ausdrücklich festgestellt wird.

Unter einem Handbediengerät könnte der Fachmann ein nicht ortsfestes, mit der Hand zu haltendes Gerät verstehen. Die auf den Anspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 5 bis 7 fordern aber ein umfassenderes Verständnis. Ein PC oder eine Workstation, oder gar mehrere parallel betriebene Rechner sind im Wesentlichen ortsfest und nicht ohne weiteres mit der Hand zu halten. Demnach kann hier unter Handbediengerät nur ein Rechner mit manueller Eingabemöglichkeit (= Handbedienung), also Bildschirm/Anzeige, Maus, Tastatur usw. verstanden werden. Ein Laptop oder Notebook fällt auch darunter. Der Begriff Handbediengerät beschränkt aber den Anspruchsgegenstand nicht darauf.

Der Senat folgt der Anmelderin in der Auffassung "parallelprozessig" fasse der Fachmann als "multitaskingfähig" auf.

4. Hauptantrag Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist nicht neu.

Die EP 903 654 A2, beschreibt eine Palettieranlage mit Robotern. Es sollen dabei sämtliche Steuerungseinrichtungen, insbesondere die Funktionen einer Roboterablaufsteuerung, einer SPS und eines Bedienpults auf einem Mikroprozessorsystem eines Industrie-PC's integriert werden (Abs. 0004, 0009). In der Beschreibung wird dabei ausführlich auf die Art der Roboterablaufsteuerung eingegangen. Es wird beschrieben, dass die (NC-)Robotersteuerung in dem IRL-Interpreter 26, dem Positionierungsmodul 28 und dem Zusatzmodul 29 abläuft, und über Echtzeitbefehle den Roboter ansteuert (Abs. 0011, 0016, Sp. 7, Z. 2 bis 4 "Echtzeit", Sp. 7, Z. 31 bis 43). Die Steuerungsfunktionen für NC/PLC-Achsenbewegungen sind also in dem örtlich entfernten Rechner 13, 23 integriert.

Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt eine:

Vorrichtung zur Automatisierung und/oder Steuerung von Werkzeugoder Produktionsmaschinen 11, 17,19, 20 a) wobei mindestens ein von mindestens einer Maschine (insgesamt vier: Roboter 11, Zuführtisch 19, Kippeinrichtung 20, Greifer 17) örtlich entfernter Rechner 13, 23 (Abs. 0008, Fig. 1)

b) über mindestens ein Bussystem 12 (Fig. 1, Sp. 3, Z. 15 bis 17) mit jeder Maschine zum unioder bidirektionalen Datenund Steuerverkehr miteinander verbunden ist, c) wobei alle Steuerungsfunktionen von NC/PLC-geführten Achsenbewegungen (Positionierungsmodul 28, Zusatzmodul 29, SPS -Module 30, 31) der Maschine in den mindestens einen örtlich entfernten Rechner 13, 23 integriert sind, d) der als Handbediengerät (= Industrie-PC mit integriertem Bedienpult) mit integrierter Steuerungsfunktionalität ausgebildet ist (Abs. 0004, 0009, 0023, 0028).

Das genaue Aussehen des Industrie-PCs ist zwar in der EP 903 654 A2 nicht beschrieben. Der Fachmann sieht jedoch, dass es sich um ein zentrales, separates Gerät mit integriertem Bedienpult handelt (Abs. 0004). Für die Vorstellung der Anmelderin, der PC werde in den Maschinen integriert oder sei integrierbar, sieht der Senat keine Anhaltspunkte.

Damit sind alle Merkmale des Anspruchs 1 bekannt.

5. Hilfsanträge 1 bis 3 Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 ist jeweils nicht erfinderisch.

Dem Fachmann ist geläufig, dass viele numerisch gesteuerte Maschinen einen Bildschirm zur Anzeige und gegebenenfalls eine Vor-Ort-Bedienung aufweisen. Ein solches Gerät wird er also ohne weiteres bei Bedarf vorsehen. Bei Geräten, bei denen die Intelligenz an den zentralen Rechner abgegeben wurde, wie bei den aus der EP 903 654 A2 bekannten, liegt es auf der Hand, auch für die Anzeigegeräte an der Maschine keine eigene Intelligenz vorzusehen und sie bei Platzproblemen dünn als Ultra Thin Client auszuführen, wie im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 beansprucht.

Für die Annahme der Anmelderin, der Ultra Thin Client, solle den Bildschirm des Handbediengeräts ersetzen, findet sich in den Anmeldeunterlagen keine Stütze.

Dann muss aber auch deren Verwaltung und Steuerung, also der HMI-Server, auf den zentralen Rechner abgegeben werden, wie im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 gefordert.

Die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist nicht neu.

Zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 aus dem Hauptantrag ist auch die als parallelprozessig bezeichnete Abarbeitung im Multitasking -Betrieb aus der EP 903 654 A2 (Abs. 0021 "multitaskingfähiges Betriebssystem") bekannt.

Bertl Dr. Kaminski Kirschneck Dr. Scholz Be






BPatG:
Beschluss v. 04.05.2009
Az: 19 W (pat) 3/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/242f8d224088/BPatG_Beschluss_vom_4-Mai-2009_Az_19-W-pat-3-05




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