Landgericht Bamberg:
Urteil vom 8. November 2011
Aktenzeichen: 1 O 336/10

(LG Bamberg: Urteil v. 08.11.2011, Az.: 1 O 336/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Bamberg hat in einem Urteil entschieden, dass die Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen und somit gültig sind. Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskammer, hatte die Wirksamkeit zweier Klauseln in den Bedingungen der Rechtsschutzversicherung angegriffen. Es ging dabei um die Definition eines "schadenfreien" und "schadenbelasteten Verlaufs" des Vertrages und die Auswirkungen auf die Selbstbeteiligung und Rückerstattung von Anwaltskosten. Die Klägerin war der Meinung, dass diese Klauseln das Recht des Versicherten auf freie Anwaltswahl einschränken und gegen verschiedene Gesetze verstoßen. Das Gericht entschied jedoch, dass die Versicherungsbedingungen klar und verständlich formuliert sind und den Versicherungsnehmer ausreichend informieren. Zudem sei ein schadenfreier Verlauf nicht ausschließlich an die Beauftragung eines von der Versicherung empfohlenen Anwalts geknüpft. Die finanziellen Unterschiede, je nach Verlauf des Versicherungsvertrags, seien nicht so gravierend, dass sie die Entscheidungsfreiheit des Versicherten einschränken. Das Gericht sah somit keinen Verstoß gegen das Recht der freien Anwaltswahl, gegen das Wettbewerbsrecht oder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Klage wurde abgewiesen und die Klägerin musste die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wurde auf 50.000,00 € festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Bamberg: Urteil v. 08.11.2011, Az: 1 O 336/10


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Klauseln in den Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten. Die Klägerin, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk M. Bei der Beklagten handelt es sich um eine große deutsche Rechtsschutzversicherung.

Den Rechtsschutzversicherungen der Beklagten liegen deren allgemeine Bedingungen für Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) (vorgelegt als Anlage K1) zu Grunde. Es handelt sich hierbei um Bedingungen mit einer variablen Selbstbeteiligung. Mit Abschluss des Vertrages wird der Versicherte in eine "SF-Klasse 0" eingestuft. Bei einem schadenfreien Verlauf gelangt der Versicherte pro Jahr in eine ihm günstigere SF-Klasse. Zu Versicherungsbeginn hat der Versicherte im Versicherungsfall eine Selbstbeteiligung von 150,00 € zu tragen. Bei einem schadenfreien Verlauf reduziert sich diese Selbstbeteiligung in späteren Jahren auf 100,00 € (nach zwei schadenfreien Vertragsjahren) bzw. auf 50,00 € (nach 4 schadenfreien Vertragsjahren) und entfällt schließlich ganz (0,00 € nach sechs schadenfreien Vertragsjahren). Diese Regelung ergibt sich aus § 5 a Abs. 2, Abs. 3 ABR i. V. m. der nachstehend aufgeführten und in den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unter § 5a Abs. 6a abgebildeten Tabelle:

a) Einstufung und Selbstbeteiligung

Dauer des schadenfreien ununterbrochenen Verlaufs

Versicherungsjahre SF- Klasse Selbstbeteiligung €6 und mehr6055504450331002210011150 0150 M 0150 M 1200 M 2200 M 3250 M 4250 M 5300 M 6300Bei einem schadenbelasteten Verlauf wird der Versicherte hingegen nach Maßgabe der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unter § 5a Abs. 6b aufgeführten und im Folgenden abgebildeten Tabelle in eine Klasse mit höherer Selbstbeteiligung zurückgestuft:

b) Rückstufung im Rechtsschutzfall

aus SF-Klasse nach SF-Klasse 6M 05M 04M 03M 02M 01M 00M 0M 0M 4M 1M 6M 2M 6M 3M 6M 4M6M 5M 6M 6M 6Die variable Selbstbeteiligung beträgt danach zwischen 0,00 € und 300,00 €.

In § 5 a Abs. 5 der allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) der Beklagten ist definiert, was unter schadenfreien oder schadenbelastetem Verlauf zu verstehen ist. In § 5 a Abs. 5 heißt es wie folgt:

a) Schadenfreier Verlauf:

aa)

Ein schadenfreier Verlauf des Vertrages liegt vor, wenn der Versicherungsschutz von Anfang bis Ende eines Versicherungsjahres bestanden hat und der Versicherer in dieser Zeit für keinen Rechtsschutzfall eine Deckungszusagen erteilt hat und keine Maßnahmen eingeleitet sind, die ein Kostenrisiko gemäß § 5 auslösen (z. B. Beauftragung eines Rechtsanwalts, Einreichung einer Klage).

bb)

Der Vertrag gilt auch als schadenfrei, wenn der Rechtsschutzfall durch eine Erstberatung abgeschlossen ist oder wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird.

b) Schadenbelasteter Verlauf:

aa)

Ein schadenbelasteter Verlauf des Vertrages liegt vor, wenn der Versicherer während eines Versicherungsjahres für einen Rechtsschutzfall eine Deckungszusage erteilt und Maßnahmen eingeleitet sind, die ein Kostenrisiko gemäß § 5 auslösen (z. B. Beauftragung eines Rechtsanwalts, Einreichung einer Klage).

bb)

Ein schadenbelasteter Verlauf des Vertrages liegt nicht vor, wenn der Rechtsschutzfall durch eine Erstberatung abgeschlossen ist oder wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird.

Für die weiteren Einzelheiten des Inhaltes der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) der Beklagten, sowie deren genauen Wortlaut wird auf die als Anlage K1 vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten Bezug genommen.

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 15.07.2010 (Anlage K3) ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zur Unterlassung des Gebrauchs der angegriffenen Klauseln abzugeben. Mit Schriftsatz vom 28.07.2010 (Anlage K4) wies die Beklagte das Begehren der Klägerin zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, die in den allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten enthaltenen Regelungen, dass ein schadenfreier Verlauf auch vorliege, wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird und umgekehrt, dass ein schadenbelasteter Verlauf nicht vorliegt, wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird und die hieran geknüpfte Schlechterstufung in den Schadenfreiheitsklassen mit einer damit verbundenen höheren Selbstbeteiligung verstoße gegen §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO, §§ 4 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 11 UWG sowie § 307 Abs. 2 BGB. Die Klägerin ist der Ansicht, dass durch diese vertraglichen Regelungen das Recht des Versicherten auf freie Anwaltswahl eingeschränkt werde. Es werde zumindest aufgrund der nicht unerheblichen finanziellen Nachteile einer Größenordnung von 150 € bis zu 300 € mittelbar von der Beklagten auf den Versicherten eingewirkt. Der Versicherte treffe daher seine Entscheidung im Hinblick auf den von ihm zu beauftragenden Rechtsanwalt nicht mehr frei. Eine derartige Einschränkung sei bereits nach den Regelungen der §§ 127, 129 VVG und § 3 Abs. 3 BRAO verboten. Die Klägerin führt zudem aus, dass durch die Aufnahme bestimmter Rechtsanwälte in den von der Beklagten empfohlenen Kreis eine Verzerrung des Wettbewerbs unter den Anwälten zu befürchten sei. Zudem ist die Klägerin der Ansicht, dass die Empfehlung bestimmter Anwälte durch die Beklagte die Gefahr berge, dass nicht das Interesse des Mandanten - und somit des Rechtssuchenden - sondern wirtschaftliche Erwägungen der Beklagten im Vordergrund stünden. Es sei zu befürchten, dass zwischen der Beklagten und den von ihr in die Empfehlungsliste aufgenommenen Anwälten besondere Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen würden. Die Klägerin ist der Meinung, dass die von ihr angegriffenen Klauseln in den Versicherungsbedingungen der Beklagten gegen § 4 Nr. 1 UWG verstieße, da hiermit in unzulässiger Weise Druck auf die Versicherten in finanzieller Hinsicht ausgeübt werde. Zudem bestünde darin ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG, da die angegriffenen Klauseln gegen gesetzliche Vorschriften (§§ 127, 129 VVG und § 3 Abs. 3 BRAO) verstießen. Desweiteren sei ein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG gegeben. Die Klägerin ist ferner der Ansicht, die angegriffenen Versicherungsbedingungen verstießen gegen §§ 307 ff. BGB, da diese intransparent seien und den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen würden. Für den Versicherten sei es bei Vertragsschluss nicht nachzuvollziehen, unter welchen Prämissen und Auswahlkriterien die Beklagte die von ihr empfohlenen Anwälte auswählen würde.

Die Klägerin beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung es für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei Ordnungshaft zu vollziehen ist an den Mitgliedern des Vorstandes, zu unterlassen,

1. in Rechtsschutzversicherungsverträgen mit einer vom Schadensverlauf abhängigen, variablen Selbstbeteiligung nachfolgende oder diesen inhaltsgleiche Bestimmungen einzubeziehen oder sich auf diese zu berufen:

"Besserstufung bei schadenfreiem Verlauf

...

a) Schadenfreier Verlauf

...

bb) Der Vertrag gilt auch dann als schadenfrei, ... wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird.

Rückstufung bei schadenbelastetem Verlauf

...

b) Schadenbelasteter Verlauf

...

bb) Ein schadenbelasteter Verlauf des Vertrages liegt nicht vor, ... wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird".

2. gegenüber Rechtsschutzversicherten, die im Versicherungsfall einen nicht von der Beklagten empfohlenen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen mandatieren wollen oder mandatiert haben, für nachfolgende Versicherungsfälle eine Selbstbeteiligung anzukündigen, die höher ist als jene, die der Versicherte bei Mandatierung eines von der Beklagten empfohlenen Anwalts zu leisten hätte, und / oder eine solche höhere Selbstbeteiligung einzufordern.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.379,80 € zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Aufnahme von Anwälten in den von ihr empfohlenen Kreis erfolge nach strengen Vorschriften und Regeln, die sich zum einen daran orientieren, ob die ausgewählten Anwälte über besondere Fachanwaltskenntnisse verfügen, an Fortbildungen teilnähmen, und zum anderen ob mit den Anwälten eine problemlose und effiziente Kommunikation möglich sei. Die Beklagte verwahrt sich dagegen, mit den von ihr in den Kreis der empfohlenen Anwälten aufgenommenen Anwälten Vergütungsvereinbarungen zu treffen, welche unterhalb der vom RVG vorgesehenen Beträge lägen. Sie führt hierzu aus, die entsprechenden Anwälte würden streng nach RVG vergütet. Die Beklagte trägt ferner vor, dass es häufig der Fall wäre, dass die Versicherten über eine Anwaltsempfehlung erfreut wären oder diese aktiv einfordern, respektive nachfragen würden.

Die Beklagte ist der Meinung, die gestellten Unterlassungsanträge seien bereits unzulässig. Insbesondere der Klageantrag zu I. 1. sei zu unbestimmt. Er lasse nicht erkennen, ob und in welcher Weise sich ein schadenfreier oder ein schadenbelasteter Verlauf auf die vom Versicherungsnehmer zu tragende variable Selbstbeteiligung auswirkt. Der Klageantrag zu I. 2. sei in der Sache auf dasselbe oder zumindest ein ähnliches Begehren wie der Klageantrag zu I. 1. gerichtet. Prozessual stelle das mit dem Antrag I. 1. angestrebte Verbot einen Ausschnitt aus dem erheblich allgemeiner formulierten Antrag I. 2. dar und werde von diesem miterfasst.

Die Beklagte ist der Ansicht, die von ihr verwendeten Versicherungsbedingungen verstießen nicht gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere würde hierdurch das Recht der freien Anwaltswahl nicht eingeschränkt. Der Versicherte könne, anders als in bereits höchstrichterlich entschiedenen Fällen, frei wählen, ob er einen von der Beklagten empfohlenen Anwalt mandatiert oder nicht. Zudem sei es nach den Regelungen der Versicherungsbedingungen der Beklagten ungewiss, ob sich die Rückstufung eines Versicherten in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse mit höherem Selbstbehalt auswirkt, da dies allenfalls bei dem zweiten Versicherungsfall gegeben sein könnte. Es sei jedoch ungewiss, ob nicht bis dahin der Versicherte bereits wieder seine ursprüngliche SF-Klasse erreicht habe. Zudem seien die finanziellen Unterschiede, je nach Grad der Rückstufung allerhöchstens in Höhe von bis zu 150,00 € gegeben, dies sei nach dem höchstrichterlich ausgearbeiteten Begriff des informierten und vernünftigen Verbrauchers keine Größenordnung, die ernsthaft auf die Entscheidungsfreiheit des Versicherten Einfluss nehmen könne. Die Beklagte ist daher der Auffassung, ein Verstoß gegen die Hat der Versicherte im Falle der Rechtsschutzversicherung die Möglichkeit frei zu wählen, ob er einen vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwalt oder einen, von ihm selbst ausgewählten, Anwalt beauftragt, stellt dies grundsätzlich keinen Verstoß gegen das Recht der freien Anwaltswahl dar, auch wenn in den AVB der Rechtsschutzversicherung ein finanzieller Anreiz für diejenigen Versicherungsnehmer enthalten ist, die der Empfehlung der Versicherung Folge leisten.

Der finanzielle Anreiz darf nicht derart hoch bemessen sein, dass er zu einer Aushöhlung der Wahlfreiheit führt und § 3 Abs. 3 BRAO läge nicht vor. Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG sei ebenfalls nicht gegeben, da die Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss nicht gegeben sei. Zudem sei ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG nicht gegeben; dieser Regelung komme im vorliegenden Verfahren keinerlei eigenständige Bedeutung zu. Die Beklagte führt zudem aus, dass die angegriffenen Normen nicht gegen §§ 307 ff. BGB verstießen; die Regelungen seien nicht intransparent. Für den durchschnittlichen und informierten Verbraucher sei es bei normaler Lektüre der Versicherungsbedingungen nachzuvollziehen, welche Rück- bzw. Einstufung im Schadensfall in die jeweilige Schadenfreiheitsklasse mit dem jeweiligen Selbstbehalt erfolge.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt den vorgelegten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27.09.2011 (Bl. 142 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingeholt. Hinsichtlich des Inhaltes und des Ergebnisses wird auf die von der BaFin vorgelegte Stellungnahme vom 18.04.2011 (Bl. 106 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Das Landgericht Bamberg ist für Streitigkeiten nach den §§ 1, 2 UKlaG, § 4 UWG unabhängig vom Streitwert nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 UKlaG i. V. m. § 7 Nr. 3 GZVJu zuständig. Die Beklagte hat ihren Sitz im Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Ansprüche gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG und § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt (für den Unterlassungsanspruch nach dem UKlaG vgl. Palandt/Bassenge, 70. Auflage, § 3 UKlaG Rn. 6; für die Ansprüche nach dem UWG vgl. Piper/Ohly/Sosnitza, 5. Auflage, § 8 Rn. 89).

2.

Die von der Klägerin angegriffenen Regelungen in den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten, wann ein schadenfreier und schadenbelasteter Verlauf im Zusammenhang mit der Mandatierung eines von der Beklagten empfohlenen Rechtsanwalts vorliegt, verstoßen weder gegen die §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO, § 307 BGB noch gegen die §§ 4 Nr. 1, Nr. 4, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO.

a) Kein Verstoß gegen §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO.

Ausgangspunkt bildet zunächst § 127 Abs. 1 VVG. Dort heißt es:

"Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann."

Sowie § 129 VVG:

"Von den §§ 126 bis 128 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden."

Und § 3 Abs. 3 BRAO, welcher lautet:

"Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gericht, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen."

aa)

Jedermann kann seinen Anwalt im Rahmen der Gesetze frei wählen (so bereits BVerfG NJW 1975, 103).

In diesem Kernbereich der Auswahl seines Rechtsanwalts erfährt der Versicherungsnehmer keine Einschränkung durch die Versicherungsbedingungen der Beklagten.

53Anders als in den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 26.10.1989, AZ.: I ZR 242/87, NJW 1990, 578) und dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall (Urteil vom 10.09.2009 - AZ.: C 199/08; NJW 2010, 355) wird dem Versicherungsnehmer durch die Regelungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten gerade nicht das Recht abgeschnitten einen, von ihm selbständig und frei ausgewählten Anwalt seines Vertrauens mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Die von der Klägerin angegriffenen Versicherungsbedingungen der Beklagten schränken dieses Recht des Versicherungsnehmers im entscheidenden Punkt nicht ein. Dem Versicherungsnehmer wird weder ausdrücklich vorgeschrieben, welchen Anwalt er zu mandatieren hat, noch werden ihm zwingende Kriterien für die Auswahl eines Anwalts vorgegeben oder ein gewählter Anwalt abgelehnt. Die Entscheidung, auf einen bestimmten Rechtsanwalt zurückzugreifen, gleich ob er in den Kreis der von der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt empfohlenen fällt oder ob bereits eine Mandatsbeziehung besteht oder gar ein neues Verhältnis begründet wird, obliegt zu jeder Zeit allein dem Versicherungsnehmer selbst.

In der vom Bundesgerichtshof vorbenannten Entscheidung vom 26.10.1989 stand dieses Wahlrecht dem Betroffenen gerade nicht mehr zu. Eine vertragliche Regelung legte vielmehr fest, dass das Recht, den Anwalt auszuwählen, allein dem vom Mieter beigetretenen Mieterverein zusteht. Auch dem vom Europäischen Gerichtshof am 10.09.2009 gefällten Urteil wohnt der entscheidende Unterschied inne, dass dem Rechtssuchenden im Falle eines Sammelverfahrens das Recht, einen eigenen Anwalt zu wählen, gänzlich abgeschnitten wurde. Im vorliegenden Fall hat es jedoch allein der Versicherungsnehmer in der Hand und es obliegt allein seiner Entscheidung, welchen Rechtsanwalt er mandatiert. Zwingende Vorgaben, welchen Rechtsanwalt der Versicherungsnehmer zu beauftragen hat, erfolgen durch die Versicherungsbedingungen der Beklagten gerade nicht.

bb)

Zu klären ist daher, ob die von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen das Recht der freien Anwaltswahl des Versicherungsnehmers mittelbar und in verbotener Art und Weise einschränken. Dies ist im Ergebnis nicht der Fall.

Zunächst ist das Recht der freien Anwaltswahl von der Frage der Leistungs- bzw. Kostentragungspflicht des Versicherers im Rechtsschutzfall zu unterscheiden. Der Grundsatz der freien Anwaltswahl hat jedoch keine unmittelbare rechtliche Auswirkung auf die Kostentragungspflicht des Versicherers. Die Regelung des § 127 VVG bezieht sich ausdrücklich nur auf die freie Auswahl des Rechtsanwalts, nicht jedoch auf dem im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistungsumfang und der damit verbundenen Kostentragungspflicht des Versicherers im Rechtsschutzfall (Münchener Kommentar _ VVG/Richter, Band 2 §§ 100 bis 191, 1. Auflage, § 127 Rn. 11). In diesen Kontext fällt daher auch die Frage, in welchem Umfang Versicherungsbedingungen ausgestaltet werden können, ohne dass hiervon das Recht der freien Anwaltswahl des Versicherten beeinträchtigt ist.

(1)

Ausgangspunkt der Betrachtung muss daher zunächst sein, ob der Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsschluss feststellen kann, wann ein schadenfreier und wann ein schadenbelasteter Verlauf seines Vertrages vorliegt. In einem weiteren Schritt ist danach zu fragen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss sicher erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen eine Rückstufung in eine schlechtere Schadenfreiheitsklasse mit gegebenenfalls höherer Selbstbeteiligung erfolgt. Nach Auffassung der Kammer ist dies für einen durchschnittlich informierten und verständlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres möglich (siehe dazu im Folgenden auch Ziffer 2. e)). Beim aufmerksamen Lesen der Regelungen wird zum einen ohne Mühe deutlich und verständlich, wann ein schadenfreier und wann ein schadenbelasteter Verlauf vorliegt. Zum anderen ist für den Versicherungsnehmer auch problemlos zu ermitteln, dass bei einem schadenbelasteten Verlauf des Versicherungsvertrages eine Rückstufung in der Schadenfreiheitsklasse und eine damit möglicherweise einhergehende Erhöhung der Selbstbeteiligung erfolgt. Die Voraussetzungen hierfür sind in § 5a Abs. 4 und 5 der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen klar und eindeutig formuliert. Anhand der in den Versicherungsbedingungen abgebildeten und abgedruckten Tabellen ist nach Ansicht der Kammer auch eindeutig und systematisch dargestellt, wie sich die Rückstufung, d.h. in welche jeweilige Schadenfreiheitsklasse, konkret gestaltet. Die Form einer tabellarischen Darstellung erscheint der Kammer im Ergebnis gegenüber einer Regelung im Fließtext vorzugswürdig, da übersichtlicher und schneller sowie besser zu erfassen. Mit dem angemessenen Zeitaufwand, der im Falle eines Vertragsschlusses von derartiger Tragweite vom Versicherungsnehmer stets zu fordern und aufzuwenden ist, kann dieser ohne weiteres die vertraglichen Regelungen nachvollziehen und verstehen. Dies gilt auch für die Regelung des § 5a a) bb), in der geregelt wird, dass ein schadenfreier Verlauf auch gegeben ist, wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird. Umgekehrt, dass ein schadenbelasteter Verlauf nicht vorliegt, wenn die Beauftragung eines solchen Anwalts erfolgt (§ 5a b) bb)). Der Versicherungsnehmer weiß daher bereits bei Abschluss des Vertrages, dass es im Versicherungsfall für ihn durchaus von Vorteil sein kann, wenn er einen Anwalt aus dem von der Beklagten empfohlenen Kreis auswählt. Sofern dies der Versicherungsnehmer nicht wünscht, steht es ihm bereits an dieser Stelle frei, den Vertrag nicht abzuschließen und sich an eine andere Versicherung mit anderen Versicherungsbedingungen oder Tarifen zu wenden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Laufzeit des Versicherungsvertrages (§ 8 der Versicherungsbedingungen) auf ein Jahr beschränkt ist, sodass es dem Versicherungsnehmer auch am Ende eines jeden Versicherungsjahres unbenommen bleibt, sich neu zu entscheiden, ob er den Vertrag mit den gegebenen Bedingungen fortsetzt oder nicht.

Soweit sich die Klägerin zur Untermauerung ihrer Auffassung auf in der Literatur aufgeführte Beispiele bezieht, vermag dies nicht zu überzeugen. Nach Harbauer, Rechtsschutzversicherung, ARB-Kommentar wäre es beispielsweise unzulässig, die Kosten einer telefonischen Beratung nur bei Inanspruchnahme eines Vertrauensanwaltes zu erstatten oder bei außergerichtlichen oder gerichtlichen Interessensvertretungen dann auf den Abzug einer vereinbarten Selbstbeteiligung zu verzichten, wenn der Versicherungsnehmer der Empfehlung des Versicherers folgt (so Harbauer/Cornelius-Winkler, Rechtsschutzversicherung, 8. Auflage, § 5 ARB 2000 Rn. 283). Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch die Kammer derartige Fallkonstellationen als unzulässig erachtet, jedoch sind diese Beispiele mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu vergleichen. Durch die Formulierung und der Verwendung des Wortes "Verzicht" wird deutlich, dass es sich um einen im Nachhinein von der Versicherung an den Versicherer gewährten Vorteil handelt, der so offenbar nicht von Anfang an vereinbart war. Anderenfalls ergäbe die Verwendung des Wortes "Verzicht" keinerlei Sinn, da eine Vertragspartei nur auf einen Anspruch verzichten kann, der ihr zusteht. Eine derartige vertragliche Ausgestaltung ist hier jedoch nicht erfolgt. Wie bereits oben angeführt, weiß der Versicherungsnehmer von Anfang an, dass er im Falle der Wahl eines Rechtsanwalts, welcher nicht dem aktuell von der Beklagten vorgeschlagenen Kreis angehört, mit einer Rückstufung in der SF-Klasse und ggf. in einem weiteren Fall mit einer erhöhten Selbstbeteiligung zu rechnen hat. Die beiden Sachverhalte sind daher nach Auffassung der Kammer nicht vergleichbar, im ersteren versucht der Versicherer tatsächlich den Versicherungsnehmer mit einem unvorhersehbaren finanziellen Anreiz in gewissem Maße zu beeinflussen. Im hier vorliegenden Fall ist dies dem Versicherten von Anfang an bekannt. Ein Ausschluss oder die Beschränkung von Leistungen findet durch die Regelungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten ebenfalls gerade nicht statt.

(2)

59Ein Verstoß gegen §§ 127, 129 VVG wäre nur dann gegeben, wenn eine gravierende Einflussnahme auf die Auswahlentscheidung des Versicherungsnehmers erfolgt, d. h. dem Versicherungsnehmer auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Wahl mehr bleibt. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Solange der rechtssuchende Versicherungsnehmer genügend Auswahlmöglichkeiten hat und er selbst die Entscheidung bei der Beauftragung über den Anwalt seines Vertrauens trifft, sind vertragliche Vereinbarungen wie die vorliegenden nicht zu beanstanden (vgl. abstrakt dazu van Bühren/Plote, ARB-Kommentar, 2. Auflage, ARB § 17 Rn. 6 aE).

Ein anderes, gegenteiliges Verständnis des Rechts auf freie Anwaltswahl ergibt sich weder aus der Gesetzesbegründung zu § 127 VVG (BT-DruckS 16/3945, Seite 91) noch aus der Gesetzesbegründung der Vorgängernorm (§ 158m VVG a.F; BT-Drucks 11/6341, Seite 37) noch aus der durch die Normen umgesetzten EG-Richtlinie (87/344/EWG).

Wie bereits ausgeführt, steht es dem Versicherungsnehmer nach den von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen frei, entweder seinen eigenen Anwalt oder einen Anwalt aus dem Kreis der aktuell von der Beklagten empfohlenen Rechtsanwälte zu beauftragen. Dass unverbindliche Empfehlungen für einen Rechtsanwalt durch den Versicherer nicht zu beanstanden sind, hat bereits das Landgericht Bremen in seinem Urteil vom 04.09.1997 (AZ: 12 O 626/96, VersR 1998, 974; so auch Schwintowski/Brömelmeyer/Hilmer-Möbius/Michaelis, PK-VersR, 1. Auflage, § 127 Rn. 7) hinlänglich klargestellt und bejaht. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.

(3)

Der von der Klägerin angeführte finanzielle Aspekt bzw. die als Nachteil dargestellte Folge der Rückstufung in eine andere Schadensfreiheitsklasse mit möglicherweise einhergehender Erhöhung der Selbstbeteiligung ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Die Kammer geht zunächst davon aus, dass sich ein verständiger und informierter Versicherungsnehmer durch derartige finanzielle Überlegungen nicht in der Auswahl seines Rechtsanwalts beeinflussen lässt.

Im Falle der Versicherungsbedingungen der Beklagten beläuft sich der finanzielle "Vor- oder Nachteil" im Einzelfall auf durchschnittlich 150,00 € sofern ein Versicherungsnehmer den Empfehlungen der Beklagten keine Folge leistet. Die Kammer übersieht dabei nicht, dass ein Betrag in Höhe von 150,00 € für den Einzelnen eine durchaus erhebliche finanzielle Größenordnung darstellt. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass es in Fällen, in denen sich der Versicherte an einen Rechtsanwalt wendet, es für den Betroffenen nicht um die Regelung von alltäglichen Dingen mit geringer Bedeutung geht. Vielmehr liegt im Falle der Einschaltung eines Rechtsanwaltes in der Regel ein komplexerer Sachverhalt mit dementsprechender Tragweite in persönlicher und finanzieller Hinsicht für den Rechtssuchenden vor. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass das Vertrauen in den zu beauftragenden Rechtsanwalt das erste Auswahlkriterium auf Seiten eines verständigen informierten Versicherungsnehmers darstellt und gerade nicht die Aussicht auf den Verbleib in einer günstigeren Schadenfreiheitsklasse im Rahmen des Versicherungsvertrages. Dieser geringe finanzielle Vor- oder Nachteil hat eher kurzfristigen Charakter und wiegt die finanziellen Folgen im Falle eines Scheiterns des Rechtssuchenden in nahezu allen Fällen nicht auf. Die Kammer geht davon aus, dass sich ein durchschnittlich informierter Versicherungsnehmer bei der Entscheidung der Anwaltswahl gerade nicht von der Überlegung nach dem "schnellen Geld" leiten lässt. Sofern sich daher, wie im vorliegenden Fall, die finanziellen Vor- oder Nachteile in einem Rahmen von durchschnittlich 150,00 € bewegen, ist dies nicht zu beanstanden (zu letzterem vgl. auch Münchener Kommentar zum VVG/Richter, Band 2 §§ 100 bis 191, § 127 Rn. 14).

Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass es sich bei dem gewählten Schadenfreiheitssystem nicht um eine Benachteiligung schadenbelasteter Versicherungsnehmer sondern vielmehr um eine Belohnung schadenfreier Versicherungsnehmer handelt. Ausgehend von der Überlegung, dass zunächst jeder Versicherungsnehmer in die SF-Klasse 0 mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 € eingestuft wird, ist dies als der Regelfall anzusehen. Ähnlich wie im Falle der Kfz-Versicherung erfolgt im Verlauf der Jahre bei einem schadenfreien Versicherungsvertrag eine schrittweise Besserstellung in den SF-Klassen und eine damit verbundene Reduzierung der Selbstbeteiligung. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein Versicherungsnehmer, der die Versicherung nicht in Anspruch nimmt der Versicherungsgemeinschaft keine Kosten zufügt. Ein derartiges Bonussystem ist nicht zu beanstanden. Sofern ein Versicherungsnehmer dann einen Rechtsschutzfall meldet, erfolgt eine Rückstufung in der SF-Klasse und damit unter Umständen gleichzeitig eine Erhöhung der Selbstbeteiligung. Da nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten bereits bei Vertragsschluss für den Versicherungsnehmer feststeht, dass eine solche Rückstufung nicht erfolgt, sofern er nach seiner freien Entscheidung einen Anwalt aus dem Kreis der von der Beklagten empfohlenen Rechtsanwälte mandatiert, vermag die Kammer keine Benachteiligung für Versicherungsnehmer zu erkennen, die der Empfehlung nicht folgen und einen €eigenen€ Anwalt beauftragen.

Ein anderer Gesichtspunkt ist zudem, dass sich der Versicherungsnehmer mit Abschluss einer Rechtsschutzversicherung möglicher finanzieller Risiken und Kosten im Rahmen der Anwaltsbeauftragung und gerichtlicher Verfahren begeben will. Dem Versicherten ist bei Vertragschluss bewusst, dass er hierfür eine Versicherungsprämie zu entrichten und im Falle der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen im Schadensfalle einen Selbstbehalt zu tragen hat. Der Versicherte kennt die Höhe des Selbstbehalts und weiß auch, dass sich dieser im Schadensfalle erhöht oder bei Schadensfreiheit vermindert. Der grundsätzlich hinter diesen Regelungen stehende Gedanke der Belohnung schadenfreier Versicherungsnehmer bzw. "Bestrafung" schadenbelasteter Versicherungsnehmer tritt in den Versicherungsbedingungen der Beklagten deutlich zu tage, so dass sich auch der Versicherungsnehmer von Anfang an hierauf einstellen kann. Gegen ein derartiges System sind nach Ansicht der Kammer grundsätzlich keine Einwände zu erheben, zumal dies bei anderen Versicherungen, etwa im Bereich der KfZ-Haftplichtversicherung und Teil- bzw. Vollkaskoversicherung, Standard und daher den meisten Versicherungsnehmern bekannt ist.

Andererseits muss sich der Versicherungsnehmer nicht abstrakt bereits bei Vertragsschluss festlegen, ob er den Empfehlungen des Versicherers folgen oder einen eigenen Anwalt beauftragen will, sondern kann sich in jedem neuen Rechtsschutzfall entscheiden.

(4)

Für die Wirksamkeit der von der Beklagten verwendeten vertraglichen Regelungen im Hinblick auf einen schadenbelasteten und schadenfreien Verlauf bei Auswahl eines aus dem Kreis der von der Beklagten empfohlenen Rechtsanwälte sowie der damit einhergehenden Rückstufung in der Schadenfreiheitsklasse und damit verbundenen Erhöhung der Selbstbeteiligung spricht auch, dass nach den derzeit geltenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) nur die Vergütung eines Rechtsanwaltes bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwaltes erstattet wird. Diese entspricht der in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten unter § 5 Abs. 1a enthaltenen Regelung. Dass eine derartige Vertragsgestaltung zulässig ist, wird in der Literatur nicht in Abrede gestellt (vgl. statt aller Harbauer/Bauer, 8. Auflage, § 127 Rn. 2). Auch aus der Begrenzung der Übernahme der Kosten für einen ortsansässigen Rechtsanwalt folgt, dass der Versicherungsnehmer unter Umständen mit der Entscheidung konfrontiert ist, welchen Anwalt er beauftragt. Konkret heißt dies, ob er einen Anwalt seines derzeitigen Wohnortes oder ggf. einen Anwalt von außerhalb mandatiert. Vor eine solche Entscheidung kann der Rechtssuchende im Falle seines eigenen Umzugs oder des Kanzleiwechsels seines Anwaltes gestellt werden. Ebenfalls vergleichbar hiermit sind Fälle, in denen der Anwalt des Vertrauens lediglich aufgrund einer Vergütungsvereinbarung tätig wird und die dann zu entrichtenden Gebühren im Einzelfall über denen des RVG liegen. Auch hier kommen auf den Versicherungsnehmer unter Umständen Kosten (finanzielle Nachteile) zu, welche vom Versicherer nicht getragen werden. Aus diesem Vergleich mit der vorliegend von der Klägerin beanstandeten Regelung folgt jedoch, dass gewisse vertragliche Ausgestaltungen möglich und gerade nicht zu beanstanden sind. Auch zeigt sich, dass auf die finanziellen Folgen einer vertraglichen Regelung allein nicht abgestellt werden kann. Diese müssen vielmehr im jeweiligen Einzelfall und in dem geltenden Kontext und der konkreten Höhe überprüft und berücksichtigt werden.

cc)

Das soeben zu den §§ 127, 129 VVG Ausgeführte ist entsprechend auf den § 3 Abs. 3 BRAO anzuwenden. Um Wiederholungen zu vermeiden nimmt die Kammer auf die vorstehenden Ausführungen Bezug.

b) kein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG

Einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG vermag die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen. Voraussetzung hierfür wäre, dass gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird. Dies ist - wie bereits oben ausgeführt - nicht der Fall. Einzig möglich denkbare Normen sind die §§ 127, 129 VVG und § 3 Abs. 3 BRAO.

c) kein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG

Ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG ist ebenfalls nicht gegeben. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist der durchschnittliche, aufmerksame und kritische Versicherungsnehmer/Verbraucher (Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Auflage, § 4.1 Rn. 1/13). Dies hat bereits die Beklagte zutreffend ausgeführt. Die Kammer geht nicht davon aus, dass sich ein informierter und aufmerksamer Versicherungsnehmer durch den im Einzelfall möglichen finanziellen Vor- oder Nachteil, der sich aus der Rückstufung in den Schadensfreiheitsklassen ergibt, leiten und von seiner freien Willensbestimmung abbringen lässt (vgl. dazu bereits ausführlich a) bb) (3)). Lediglich ergänzend ist an dieser Stelle auf den Wortlaut des § 4 Nr. 1 VVG, wo es heißt "durch Ausübung von Druck in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessen unsachlichen Einfluss", hinzuweisen. Mit die Formulierung "in menschenverachtender Weise" wird deutlich, dass die Fallgestaltung durch sonstigen unangemessenen unsachlicher Einfluss von einem gewissen vergleichbaren Ausmaß und vergleichbarer Intensität geprägt sein muss. Dies ist durch die vorliegend von der Klägerin angegriffenen vertraglichen Regelungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten jedoch nicht der Fall.

d) kein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG

Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässe, Zugaben oder Geschenke für deren Inanspruchnahme die Bedingungen nicht klar und eindeutig angegeben sind, liegen nach Auffassung der Kammer in den beanstandeten Regelungen nicht vor.

Zunächst sei auf die obigen Ausführungen verwiesen, wonach der Inhalt der beanstandeten Regelungen nach Ansicht der Kammer für jeden aufmerksamen informierten Versicherungsnehmer klar und verständlich ist (vgl. oben a) bb) (1)). Insofern fehlt es bereits an der entscheidenden Voraussetzung für das Eingreifen von § 4 Nr. 4 UWG.

Sofern die Klägerin in diesem Zusammenhang anführt, es stünde zu befürchten, dass die Beklagte mit dem Kreis der von ihr empfohlenen Rechtsanwälte Gebührenvereinbarungen treffe, die zu einer Unterschreitung der Gebührentatbestände nach dem RVG führen, ist sie hierfür beweisfällig geblieben. Die Beklagte betont, dass die von ihr in den Kreis der empfohlenen Anwälte aufgenommen Rechtsanwälte nach dem RVG vergütet werden und dass keinerlei Einflussnahme auf diese Anwälte erfolge. Die von der Klägerin überreichte Vorlage für eine Gebührenvereinbarung sowie das Schreiben eines Rechtsanwalts (Anlage K 7) vermögen nicht zu überzeugen, da es sich hierbei nicht um eine Gebührenvereinbarung der Beklagten mit einem Rechtsanwalt sondern vielmehr um eine solche im Rahmen der X Haftpflichtversicherung AG handelt. Hieraus wird deutlich, dass es sich gerade nicht um eine Beauftragung eines Anwalts im Rahmen der Rechtschutzversicherung sondern vielmehr um eine Beauftragung im Rahmen der Abwicklung eines KfZ-Haftpflichtfalls handelt. Hieraus Rückschlüsse auf den streitgegenständlichen Sachverhalt der Rechtsschutzversicherung zuziehen, ist nach Ansicht der Kammer nicht möglich.

e) kein Verstoß gegen §§ 307 ff. BGB

Ein Verstoß gegen § 307 Abs.1 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt, sind die vertraglichen Regelungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten für einen durchschnittlich verständigen Verbraucher / Versicherungsnehmer ohne weiteres verständlich. Zuzugeben ist, dass es eines aufmerksamen Lesens und einer gewissen Zeit bedarf, jedoch ist die tabellarische Ausgestaltung plakativ und bildhaft, so dass auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der an sich mit komplexen Vertragswerken und Versicherungsbedingungen sonst nicht konfrontiert wird, diese ohne weiteres erfassen und verstehen kann. Sofern die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, für den Versicherungsnehmer sei nicht erkennbar, anhand welcher Kriterien die Beklagte die von ihr empfohlenen Anwälte auswählt, geht dies in dem vorliegenden Zusammenhang fehl. Für einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB kommt es einzig und allein darauf an, ob die angegriffenen Klauseln und Vertragsbedingungen zu beanstanden sind, dies ist wie bereits ausgeführt nicht der Fall. In diesem Zusammenhang spielt es jedoch keine Rolle, anhand welcher Kriterien die Beklagte die von ihr in ihre Empfehlungsliste aufgenommenen Anwälte auswählt. Wie bereits ausführlich dargestellt, wird durch die von der Klägerin angegriffenen Regelungen auch nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von gesetzlichen Regelungen abgewichen. Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers iSd § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt daher nicht vor.

3.

Der Klageantrag I. 2. ist ebenfalls unbegründet.

Da eine Unwirksamkeit der von der Klägerin angegriffenen Klauseln wie oben ausführlich unter Ziffer 2. dargestellt nicht gegeben ist, kann auch dem von der Beklagten unter Ziffer I. 2. gestellte Antrag keinerlei Erfolg beschieden sein. Wie bereits dargestellt ist ein Verstoß gegen die §§ 127, 129 VVG, § 3 Abs. 3 BRAO, § 4 Nr. 1, 4, 11 UWG, § 307 BGB nicht gegeben.

4.

Ohne das Bestehen eines Hauptsacheanspruchs hat die Beklagte auch keinerlei Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.379,80 €.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

III.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1, 536 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO festgesetzt. Das Gericht hat dabei das rechtliche Interesse der Klägerin am Verbot der beanstandeten Klauseln sowie den unter Ziffer I. 2. gestellten weitergehenden Antrag berücksichtigt. Abweichend vom üblicherweise ausgehenden Streitwert i. H. v. 2.500,00 € je beanstandeter Klausel (BGH-Beschluss vom 28.09.2006, NJW-RR 2007, 497; Palandt/Bassenge, 70. Auflage, § 5 UKlaG, Rn. 14) hat die Kammer in Anbetracht der Bedeutung der Streitigkeit im vorliegenden Fall den Streitwert für den Klageantrag I. Ziffer 1. auf 10.000,00 € festgesetzt. Der Streitwert für den Antrag I. 2. erscheint der Kammer mit von der Klägerin selbst angegebenen 40.000,00 € angemessen und sachgerecht. In diesem Zusammenhang war abermals die Bedeutung der Rechtssache sowie das mit dem Klageantrag I. 2. verfolgte umfassende Begehren der Klägerin auf Unterlassung zu berücksichtigen.






LG Bamberg:
Urteil v. 08.11.2011
Az: 1 O 336/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/224b2357b6e6/LG-Bamberg_Urteil_vom_8-November-2011_Az_1-O-336-10




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