Landgericht Osnabrück:
Urteil vom 1. September 2005
Aktenzeichen: 18 O 472/05

(LG Osnabrück: Urteil v. 01.09.2005, Az.: 18 O 472/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Osnabrück hat in einem Urteil vom 1. September 2005 (Aktenzeichen 18 O 472/05) entschieden, dass die Beklagte mit ihrem Angebot von nicht mehr vorrätigen Projektoren und der Angabe, diese seien nachbestellt, irreführende Werbung betreibt. Die Klägerin, die elektronische Geräte vertreibt, sieht dies als wettbewerbswidrig an. Sie beantragt, dass der Beklagten untersagt wird, für nicht vorrätige Projektoren zu werben und dabei den Eindruck zu erwecken, dass diese nachbestellt werden können, ohne auf die Nicht-Verfügbarkeit hinzuweisen.

Das Gericht stellt fest, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht, da sie sich an den selben Abnehmerkreis wenden. Das Angebot der Beklagten auf ihrer Internetseite qualifiziert als Werbung, da es darauf abzielt, den Absatz zu fördern. Die Voraussetzungen für irreführende Werbung nach § 5 Absatz 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sind im vorliegenden Fall erfüllt. Diese Regelung ist auch auf Internet-Shops anwendbar. Der Verbraucher erwartet, dass die beworbene Ware sofort verfügbar ist, und kann daher durch nicht vorrätige Ware irreführt werden.

Das Gericht bezieht sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das festhält, dass die Grundsätze zur Vorratshaltung im stationären Handel auch im Internet-Handel gelten. Der Verbraucher geht in der Regel davon aus, dass die beworbene Ware sofort versandt werden kann. Da die Beklagte in ihrer E-Mail selbst angibt, dass die Nachbestellung erfolglos sein wird, war die Werbung irreführend. Auch die Verwendung des Zusatzes "nachbestellt" war irreführend, da der Verbraucher davon ausgehen musste, dass das Gerät bald wieder verfügbar sein würde.

Das Gericht gibt dem Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt und untersagt der Beklagten die irreführende Werbung. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 25.000 Euro festgesetzt, da das Interesse der Klägerin an der Verhinderung weiterer Wettbewerbsverstöße ausreichend berücksichtigt ist.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Osnabrück: Urteil v. 01.09.2005, Az: 18 O 472/05


Tatbestand

Die Klägerin vertreibt die von ihrer Muttergesellschaft in Japan hergestellten elektronischen Geräte in Deutschland, unter anderem Projektoren für den Einsatz mit Personalcomputern, sogenannte Beamer.

Die Beklagte betreibt unter den Adressen www.xxx.de sowie www.yyy.de, einen Internet-Shop, über den sie hauptsächlich elektronische Geräte, u. a. Projektoren verschieden er Hersteller in ganz Deutschland anbietet.

Am 14.07.2005 entdeckte ein Kaufinteressent, in dem Online-Shop der Beklagten das Angebot des YX-Projektors mit der Bezeichnung XXX zu dem Niedrigpreis von x Euro (UVP des Herstellers: Y Euro). Auf der Angebotsseite, die u. a. eine Produktbeschreibung des Geräts und den Kaufpreis enthielt, wurde folgende Angabe zur Verfügbarkeit bzw. Lieferzeit des Geräts gemacht:

"lieferbar! Versandzeit ca. 2-4 Tagen".

Am 14.07.2005 gegen 13:30 Uhr bestellte Herr D. das Gerät zu einem Gesamtbetrag in Höhe von YY Euro. Der Zugang der Bestellung wurde ihm wenige Minuten später von der Beklagten bestätigt. Am 15.07.2005 erhielt er dann eine Email von der Beklagten, in der ihm Folgendes mitgeteilt wurde:

"Leider ist der XXX nicht mehr verfügbar und wird voraussichtlich auch nicht mehr reinkommen, Sorry! Alternativ können wird Ihnen den YYY für 1.185,00 Euro anbieten."

Am 19.07.2005 wurde das Angebot im Internet-Shop der Beklagten weiterhin dargestellt (vgl. Anlage K7, Bl. 22), jedoch mit dem Hinweis "Nachbestellt". Auf eine erneute Bestellung reagierte die Beklagte mit der aus der Anlage K9 (Bl. 24) ersichtlichen Mail.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Vorgehen der Beklagten sei wegen Irreführung der Verbraucher über den vorhandenen Warenbestand wettbewerbswidrig.

Sie beantragt,

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren - Ordnungshaft zu vollstrecken an den geschäftsführenden Gesellschaftern Y und Z verboten,

a) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet für den Absatz von XXX - Projektoren, insbesondere den Projektor "XXX", zu werben, wenn sie diese zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht vorrätig hat;

b) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet für den Absatz von XXX - Projektoren, insbesondere den Projektor "XXX" , mit der Angabe zu werben, die Geräte seien "nachbestellt" wenn sie zum Zeitpunkt der Verbreitung der Werbung beim Lieferanten nicht verfügbar sind, ohne zugleich auf diesen Umstand in der Werbung hinzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass zwischen der Klägerin als Vertreterin eines Herstellers und den Beklagten als Einzelhändlern kein Wettbewerbsverhältnis existiere, Angebote in Internet-Shops, zu denen man sich über mehrere Menüseiten durchfinden müsse, nicht als Werbung zu qualifizieren seien und die Regelung des § 5 Abs. 5 UWG nicht auf Internetshops anwendbar sei.

Darüberhinaus behauptet sie, der letzte der im Juli 2005 vorrätigen 3 Projektoren sei erst am 13.7.2005 verkauft worden. Daraus ergebe sich, dass keine Irreführung beabsichtigt gewesen sei. Im übrigen sei in der Folgezeit auf die Nachbestellung hingewiesen worden, und zwar auch mit dem Zusatz "Aktionsware. Nur solange der Vorrat reicht !".

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet, denn mit dem Angebot von bereits nicht mehr vorrätigen Projektoren und der Angabe, diese seien nachbestellt, betreibt die Beklagte irreführende Werbung i.S.d. § 5 Abs. 5 UWG.

Zwischen den Parteien besteht ungeachtet der Zuordnung zu verschiedenen Handelsstufen ein die Klägerin aktivlegitimierendes Wettbewerbsverhältnis. Entscheidend ist für ein solches nur, dass sich die Parteien letztlich an den selben Abnehmerkreis wenden, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieses - wie beim Einzelhändler - unmittelbar oder - wie beim Hersteller - mittelbar über Gross- und Einzelhändler erfolgt.

Bei den Angeboten der Beklagten handelt es sich auch um Werbung iSd. § 5 UWG. Der Begriff der Werbung wird in Art 2 Nr. 1 Irreführungs-Richtlinie 49 (84/450/EWG) definiert als "jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fordern". Da die §§ 5 und 6 richtlinienkonform auszulegen sind, muss diese Definition auch für die Auslegung dieser Bestimmungen gelten. Werbung setzt daher eine irgendwie geartete Äußerung gegenüber Dritten mit dem Ziel der Absatzforderung voraus. Gerade das aber ist Sinn und Zweck der Internet-Angebote von Online-Shops wie des der Beklagten. Mit der Darstellung der zum Verkauf stehenden Waren soll deren Absatz gefördert werden. Die Beklagten verweisen auf ihrer Internetseite sogar auf bekannte Internet-Preissuchmaschinen und verdeutlichen damit ihre Absicht, ihre Angebote einem möglichst großen Kreis von Interessenten zur Kenntnis zu bringen. Eine andere Absicht als die der Verkaufsförderung kann damit ernsthaft nicht verbunden sein.

Die von der Klägerin beanstandete Werbung der Beklagten war auch irreführend iSd. § 5 Abs. 5 UWG. Diese Vorschrift ist auch auf Internet-Shops anzuwenden. Die von der Beklagten angeführte Intention des Gesetzgebers, zu vermeiden, dass der Verbraucher veranlaßt werden kann, andere Waren zu kaufen, wenn für den Verkauf bestimmter Waren öffentlich geworben wird und so die Erwartung des Verbrauchers geweckt wird, das Produkt auch erwerben zu können, trifft auch auf irreführende Werbung im Internet zu.

Der Bundesgerichtshof hat dazu in seinem Urteil vom 7. April 2005 - I ZR 314/02 ausgeführt:

"Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG ist es irreführend, für eine Ware zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage zur Verfügung steht. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Verbraucher erwartet, daß die angebotenen Waren zu dem angekündigten oder nach den Umständen zu erwartenden Zeitpunkt verfügbar sind, so daß die Nachfrage befriedigt werden kann. Die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Satz 1 UWG knüpft damit an die Grundsätze an, die die Rechtsprechung zur Vorratshaltung im stationären Handel im Rahmen des § 3 UWG a.F. entwickelt hat.

23Diese Grundsätze gelten in modifizierter Weise auch hinsichtlich der Werbung für einen Versandhandel im Internet. Hier erwartet der Verbraucher in der Regel, daß die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann.

Der Verkehr erwartet bei Angeboten im Internet, die anders als Angebote in einem Versandhauskatalog ständig aktualisiert werden können, mangels anderslautender Angaben die sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Ware. Die Rücksichtnahme auf diese Erwartung des Verkehrs belastet den Unternehmer, der einen Versandhandel betreibt und sein Warenangebot im Internet bewirbt, nicht in unzumutbarer Weise. Es bleibt ihm unbenommen, durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinzuweisen, wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen."

Danach sind die Anforderungen für die Internet-Werbung wegen der einfachen Veränderbarkeit höher als im normalen (Katalog-) Versandhandel und entsprechen - lediglich modifiziert durch die Notwendigkeit des Versands - denen im stationären Handel. Die besondere Gefährdung des Verbrauchers iSd. der o.a. gesetzgeberischen Absicht wird im vorliegenden Fall durch die Email der Beklagten vom 15.7.2005 unterstrichen, mit der an Stelle des nicht mehr verfügbaren Projektors ein anderes Gerät angeboten wurde, die durch das unzutreffende Angebot einmal angebahnte Geschäftsbeziehung dazu ausgenutzt werden sollte, dem Kunden ein ursprünglich nicht gewünschtes Gerät zu verkaufen. Durch eine geeignete Gestaltung seiner Internet-Seite hätte die Beklagte auch auf den nach ihren Angaben erst am 13.7.2005 erfolgten Verkauf des letzten vorrätigen Geräts kurzfristig, d.h. in wenigen Stunden, reagieren können. Ebenso wie die Beklagte automatisiert die Bestellungen per Mail bestätigt, hätte das Angebot automatisiert korrigiert werden können. Wenn die Beklagte den damit verbundenen und eher durchschnittlichen Programmieraufwand scheute, hätte sie für eine entsprechende kurzfristige manuelle Korrektur Sorge tragen müssen.

26Irreführend war dabei auch die nach dem 15.7.2005 verwendete Gestaltung des Angebots, in dem das Gerät als "nachbestellt" ausgewiesen wurde. Auch das folgt aus der oben zitierten Entscheidung. Wenn eine Belieferung nicht kurzfristig erfolgen kann, hat der Werbende "durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinzuweisen". Der Zusatz "nachbestellt" ist dazu nicht aussagekräftig und im konkreten Fall eindeutig irreführend. Die Beklagte ging nämlich - ausweislich ihrer Email vom 15.7.2005 - selbst davon aus, dass ihre Nachbestellung erfolglos bleiben würde, während der Verbraucher den Eindruck erhalten musste, aufgrund der Bestellung werde das Gerät alsbald wieder verfügbar sein. Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st. Rspr.; vgl. BGHZ 156, 250, 252 f.). Für diesen gibt es keinen Anlass, am Erfolg der Bestellung zu zweifeln, da er von einer Abklärung der Lieferbarkeit zwischen dem Anbieter und dessen Lieferanten ausgehen kann. Ein Zusatz, in dem auf einen begrenzten Vorrat hingewiesen wurde, war nicht geeignet, diese Erwartung zu beeinträchtigen, da er angesichts der ausdrücklichen Erklärung, dass der Vorrat erschöpft war, ersichtlich überholt war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Streitwert ist mit 25.000.- EUR ausreichend bemessen. Maßgebend ist das Interesse der Klägerin an der Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen. Der Umfang des Interesses hängt von der Gefährlichkeit der zu verbietenden Handlung, d.h. der Wahrscheinlichkeit und dem Ausmaß einer künftigen Beeinträchtigung dieses Interesses ab (OLG Stuttgart WRP 1997, 239). Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber ist anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen und hängt von den Umständen ab. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer und beim Verletzten, d.h. Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft und Marktstellung der Unternehmen unter Berücksichtigung ihrer künftigen Entwicklung, Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht sowie Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen. Von den genannten Kriterien weisen allein der relativ hohe Preis der zur Diskussion stehenden Waren und die Notwendigkeit der Generalprävention auf ein gesteigertes Interesse der Klägerin hin. Auch insoweit erscheint aber ein Betrag von 25.000.- EUR angesichts der Größe und Leistungsfähigkeit der potentiellen Nachahmer angemessen und ausreichend.






LG Osnabrück:
Urteil v. 01.09.2005
Az: 18 O 472/05


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