Sozialgericht Köln:
Urteil vom 9. Januar 2002
Aktenzeichen: S 19 KA 55/01

(SG Köln: Urteil v. 09.01.2002, Az.: S 19 KA 55/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Sozialgericht Köln hat in einem Urteil vom 9. Januar 2002 entschieden, dass die Beklagten dazu verurteilt werden, das Verbreiten einer Tabelle im "Gemeinsamen Aktionsprogramm zur Einhaltung des Arznei- und Heilmittelbudgets 1999" zu unterlassen. Diese Tabelle betrifft die Präparate "Q" und die Gruppe der "HMG-CoA-Reduktasehemmer". Die Klägerin, die die Arzneimittel "Q" vertreibt, hatte gegen diese Tabelle geklagt, da sie sich in ihrem Recht auf freie Teilnahme am Wettbewerb behindert sah.

Das Gericht stellte fest, dass die Herausgeber des Aktionsprogramms die Beklagten waren, nämlich die Kassenärztliche Bundesvereinigung, das Bundesministerium für Gesundheit und die Spitzenverbände der Krankenkassen. Obwohl das Aktionsprogramm von der Beklagten zu 9 alleine herausgegeben wurde, sei dies als Rechtsschein anzusehen, dass sie auch im Namen der übrigen Beklagten gehandelt habe. Das Aktionsprogramm tangiere die Berufsfreiheit der Klägerin, da es Auswirkungen auf ihre berufliche Betätigung habe. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten die Präparate der Klägerin in der Tabelle diskriminierten, da sie unter der Kategorie "Vermeidung des Einsatzes teurer Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischen Zusatznutzen" aufgeführt seien. Diese Kategorisierung vermittelt laut Gericht einen falschen Eindruck, da die Wirksamkeit der Präparate der Klägerin durch die ubiquitäre Wirkung dokumentiert sei. Das Gericht untersagte den Beklagten daher das weitere Verbreiten der Tabelle.

Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen, argumentierten jedoch erfolglos, dass das Aktionsprogramm lediglich eine Information für die Ärzte sei und keine Preis- und Marktregelungstendenzen habe. Das Gericht sah in dem Aktionsprogramm eine Preis- und Marktlenkungstendenz und stellte fest, dass die Bewertung der Präparate der Klägerin unvollständig und auf falschen Wertmaßstäben beruhe. Die Richter argumentierten weiterhin, dass die Preisvergleiche der Beklagten die teuren Präparate zurückdrängen sollen, was zu einer Diskriminierung der Klägerin führe.

Die Klage der Klägerin wurde daher für zulässig und begründet erklärt, da das Aktionsprogramm ihre Rechte verletze. Das Gericht verurteilte die Beklagten dazu, das Verbreiten der Tabelle zu unterlassen, da die Klägerin weiterhin von einer Neuauflage bedroht sei. Die außergerichtlichen Kosten wurden den Beklagten auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

SG Köln: Urteil v. 09.01.2002, Az: S 19 KA 55/01


Tenor

Die Beklagten werden verurteilt, das Verbreiten der Tabelle S. 14 des "Gemeinsamen Aktionsprogramms zur Einhaltung des Arznei- und Heilmittelbudgets 1999" betreffend die "HMG-CoA-Reduktasehemmer" ebenso zu unterlassen wie vergleichbare Darstellungen der Präparate "Q". Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten auferlegt, sonst sind keine Kosten unter den Beteiligten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Teile des "Gemeinsamen Aktionsprogramms zur Einhaltung der Arznei- und Heilmittelbudgets 1999" (GAP) vom September 1999.

Durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG) waren in § 84 Buch V des Sozialgesetzbuches (SGB V) zur Steuerung unter anderem der Arzneimittelausgaben von 1993 an Budgets eingeführt worden mit der Sanktion, dass bei deren Überschreiten der übersteigende Betrag gegenüber den Krankenkassen auszugleichen war. Nachdem sich die Ablösung der Budgets durch Richtgrößen, wie sie durch das zweite GKV Neuordnungsgesetz ab 1997 eingeführt war, zur Kostenbegrenzung als ungeeignet erwiesen hatte, sind die Budgets mit Wirkung zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG) wieder eingeführt worden. Dennoch stiegen die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen im ersten Halbjahr 1999 in einem Umfange an, dass ein Überschreiten der Budgets drohte. Nachdem zwischen den Beklagten zunächst ein von der Beklagten zu 9) entworfenes Notprogramm erörtert war, ist schließlich das in diesem Rechtsstreit angegriffene GAP am 16.09.1999 vorgestellt worden, das als Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise auf der Basis der Arznei- und Heilmittelrichtlinien herausgegeben wurde. Seine Ziffer 1) "Umsetzung des Aktionsprogramms zur Einhaltung der Arznei- und Heilmittelbudgets 1999" ist unterschrieben "Bundesministerium für Gesundheit - Kassenärztliche Bundesvereinigung - Spitzenverbände der Krankenkassen".

Die Klägerin vertreibt die Arzneimittel "Q", sogenannte Lipidsenker. Die Präparate enthalten neben weiteren Bestandteilen den Wirkstoff Pravastatin. Unter Ziffer 7) des GAP "Vermeidung des Einsatzes teurer Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischen Zusatznutzen" sind in einer Tabelle 6 der umsatzstärksten Wirkstoffgruppen aufgeführt, klassifiziert nach dem ATC-Code (Anatomical Therapeutic Chemical) einschließlich der dort aufgeführten durchschnittlichen Tagestherapiekosten (DDD-Defined Daily Doses), wie sie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Stand Januar 1999 herausgegeben war. Die oben genannte Rangfolge führen die Lipidsenker unter ihrer Wirkbezeichnung HMG-CoA-Reduktasehemmer (Abkürzung für Hydroxy-Methyl-Glutaryl-Coenzym-A) an. Als mittlere durchschnittliche Tagestherapiekosten werden 2,86 DM angegeben. Es sind die Wirkstoffe aufgeführt, daneben die jeweiligen Präparatenamen ohne Wirkstoffmenge und daneben wiederum eine graphische Darstellung des Preises der auf dem Markt befindlichen Präparate. Bei dem Wirkstoff Pravastatin ist dieses neben Q M. Der graphische Balken weist bei Pravastatin-Präparaten einen ca. 40 v.H. höheren Preis als den Mittelwert aus.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Unterlassungsklage vom 06.03.2000 beim Landgericht Hamburg. Mit Beschluss vom 13.12.2000 stellte das Landgericht fest, dass der Zivilrechtsweg nicht eröffnet ist und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 03.05.2001 zurückgewiesen.

Die Klägerin sieht sich nach wie vor in ihrem Recht auf freie Teilnahme am Wettbewerb behindert und meint, auch nach Neufassung des § 69 Buch V des Sozialgesetzbuches (SGB V) seien die nationalen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften weiterhin zu beachten, insbesondere das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG); ungeachtet jedoch der Wertung nach nationalem Recht seien die Ansprüche nach europäischem Kartellrecht gemäß Artikel 81 Abs. 1 des EG-Vertrages begründet; im übrigen sei der Preisvergleich unzulässig weil irreführend; Q habe ein breiteres Indikationsspektrum insbesondere als die niedrigpreisigen Arzneimittel D, M2 und T, selbst aber auch im Vergleich zu N.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagten werden verurteilt, das Verbreiten der Tabelle S. 14 des "Gemeinsamen Aktionsprogramms zur Einhaltung des Arznei- und Heilmittelbudgets 1999" ebenso zu unterlassen wie vergleichbare Darstellungen der Präparate "Q".

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie schildern die Entwicklung der Ausgaben und leiten daraus ab, dass zum Einhalten des Budgets und Vermeiden von Regressen der Handlungsbedarf während des Jahres 1999 immer dringlicher geworden sei; deshalb hätte sich die Beklagte zu 9) mit dem Aktionspapier an die Ärzte gewandt; daraus folge bereits, dass die Klage gegen die übrigen Beteiligten unzulässig sei; sie hätten zwar das GAP mitgetragen, herausgegeben aber sei es nicht von den ansonst in Anspruch genommenen Beklagten zu 1) bis 8) sowie 10); auch habe allein der Beklagte zu 9) das Papier verbreitet; die Berechtigung dazu folge aus § 75 Abs. 10 SGB V in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung; diese Vorschrift berechtige darüber hinaus die übrigen Beteiligten, das GAP mit zu tragen; schließlich sei damit nicht regelnd in den Markt eingegriffen, auch habe das Papier keine Preis- und Marktregelungstendenzen zum Inhalt sondern lediglich eine Information; damit aber werde auf die Ärzte kein Druck ausgeübt; bewusst sei auf den Hinweis verzichtet, dass die Ärzte selbst für eine Budgetüberschreitung gerade zustehen hätten; schließlich sei der Vergleich auch inhaltlich richtig, weil er sich an anerkannten internationalen Standards orientiere.

Gründe

Die Klage ist zulässig, auch soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) bis 8) sowie 10) richtet. Dabei brauchte die Kammer nicht zu erörtern, inwieweit die übrigen Beteiligten gemeinsam mit der Beklagten zu 9) entschieden haben, mithin die Spitzenverbände der Krankenkassen und das Bundesministerium für Gesundheit (als Vertreterin für die Beklagte zu 10) das Vorhaben der vertragsärztlichen Selbstverwaltung auf Bundesebene lediglich unterstützt haben, oder aber diese das GAP als für die übrigen Beklagten federführend Tätige unter ihrem Namen aber im Namen aller Beklagten veröffentlicht hat.

Zunächst allerdings spricht das gesamte Erscheinungsbild dafür, dass alle Beklagten gemeinsam die angegriffene Empfehlung herausgeben wollten. Denn wenn ein Papier als "Gemeinsames" Aktionsprogramm überschrieben ist und der unter Ziffer 1) als Umsetzung des Aktionsprogramms bezeichnete allgemeine Inhalt der Erklärung neben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auch vom Bundesministerium für Gesundheit (an erster Stelle) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen unterzeichnet ist, so lässt dies nur einen Schluss zu: die Unterzeichner sind die Herausgeber des Papiers.

Selbst wenn aber die Beklagte zu 9) sich lediglich des fachlichen, rechtlichen und politischen Rückhalts der übrigen Beklagten versichert hätte, so dass diese lediglich - wie sie vortragen - hinter den Aussagen der Beklagten zu 9) stehen, sind sie doch als Störer im rechtlichen Sinne anzusehen. Zwar spricht dafür, dass die Beklagte zu 9) Alleinherausgeber ist, die (kleingedruckte) Absenderbezeichnung auf dem Deckblatt: "Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise auf der Basis der Arznei- und Heilmittel-Richtlinien (gem. § 75 Abs. 10 SGB V)". Angesichts des oben genannten Zusammenhanges von Titel der Erklärung und Unterzeichnung der Einleitung wird jedoch gleichwohl ein Rechtsschein dahin gesetzt, dass die Beklagte zu 9) auch in Vertretung des Bundesministeriums und der Spitzenverbände tätig geworden ist. Das von der Zivilrechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der Rechtsscheinsvollmacht - hier in der Ausprägung der Anscheinsvollmacht - gilt auch bei Rechtshandlungen der öffentlichen Hand (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Auflage, § 35 Rdnr. 3).

Schließlich hat die Klägerin sich zu Recht gegen die Beklagte zu 10) gewandt. Unterzeichnet ist das angegriffene GAP vom Bundesministerium für Gesundheit. Dieses ist (lediglich) oberste Bundesbehörde, ihr Leiter - der Bundesminister - Mitglied des kollegialen obersten Staatsorgans, der Bundesregierung. Als Organ wird sie für die Bundesrepublik tätig, die ihrerseits Trägerin der Rechte und Pflichten ist.

Die auch im übrigen nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Klage ist begründet. Das GAP verletzt die Klägerin in ihren Rechten aus Artikel 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), sowie aus den §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in entsprechender Anwendung. Die Kammer sieht durch die Äußerungen der Beklagten zu den Präparaten der Klägerin diese bezüglich ihrer unter dem Handelsnamen Q vertriebenen Arzneimittel diskriminiert.

Nach Auffassung der Kammer muss sich das Aktionsprogramm zunächst an den Vorschriften der Artikel 13, 14 GG messen lassen. Zwar ist die berufliche Betätigung der Klägerin selbst nicht reglementiert. In den Schutzbereich des Artikel 12 Abs. 1 jedoch wird auch dann eingegriffen, wenn sich staatliche Maßnahmen tatsächlich auf die berufliche Betätigung - hier die Preisfestsetzung - auswirken, soweit sie in engem Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen und eine deutlich erkennbare objektiv berufsregelnde Tendenz haben (BVerwGE 71, 1183, 191). Mittelbar wird in die Berufsfreiheit eingegriffen, wenn sich eine staatliche Maßnahme zwar an Dritte richtet, sie aber dennoch gezielt die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers einschränken soll. Diese Voraussetzung liegt vor. Zwar haben die Beklagten vorgetragen, dass sie die Vertragsärzte lediglich haben informieren wollen. Richtig ist auch, dass § 75 Abs. 10 SGB V die Beklagte zu 9) berechtigt, zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise die Vertragsärzte über verordnungsfähige Leistungen und deren Preise oder Entgelte informieren sowie nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zur Indikation und therapeutischem Nutzen zu geben. Darüber hinaus stimmt die Kammer den Beklagten zu, dass sich aus dem allgemeinen Sicherstellungsauftrag die Berechtigung der übrigen Beklagten ergibt, an dieser Aufgabe der Beklagten zu 9) mitzuwirken. Dies folgt daraus, dass einerseits allein die Krankenkassen über die für eine solche Beratung erforderlichen Daten zum Verordnungsverhalten der Vertragsärzte verfügen, andererseits der Sicherstellungsauftrag überwiegend eine Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung der Beklagten zu 1 - 9 ist. Zwar mussten nach der (nur) im Jahre 1999 geltenden Vorschrift des § 75 Abs. 10 SGB V sich die Informationen auf die Grundlage der Richtlinien der Bundesausschüsse der Vertragsärzte stützen. Die Beklagten aber haben das GAP auf Daten der WHO gestützt, nicht auf die nach § 92 Abs. 2 SGB V herausgegebenen Preisvergleichsliste. Jedoch ist diese Vorschrift durch § 305a SGB V abgelöst, der ab 01.01.2000 in Kraft ist. Dessen Abs. 1, der die Informationsberechtigung der Beklagten zu 9) fortschreibt, ist der Bezug auf die Richtlinien der Bundesausschüsse entfallen. Nach Auffassung der Kammer ist diese Vorschrift für den Klageantrag heranzuziehen, weil die Klägerin ein Unterlassen für die Zeit nach 1999 begehrt. Damit ist die Beklagte zu 9) berechtigt, zur wirtschaftlichen Versorgung Arzneimittel nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse selbst zu bewerten. Dazu kann sie zwar allgemein anerkannte Daten heranziehen, wie die von der WHO errechnete tägliche Dosis für Pravastatin und die übrigen HMG-CoA-Reduktasehemmer. Da aber in dem GAP die einzelnen Präparate zu den Wirkstoffen aufgeführt sind, müssen auch die Auswirkungen der einzelnen Arzneimittelzulassungen überprüft werden, wie etwa die Galenik, die die Bioverfügbarkeit bestimmt; sie wiederum bestimmt die Wirksamkeit der Arznei beim Patienten. Aus den Rechtsstreitigkeiten um die Bewertung von Arzneimitteln in der Preisvergleichsliste oder den Festbeträgen ist der Kammer bekannt, dass durch die Zubereitungsform der Wirkstoffe für Fertigarzneimittel Änderungen gegenüber den für den Wirkstoff festgesetzten Wirkgrößen eintreten können. Dass sich aber die Beklagte zu 9) oder einer der übrigen Beklagten auch nur Gedanken über die Äquivalenz der einzelnen Präparate gemacht hätte, ist von ihnen nicht vorgetragen. Darüber hinaus sieht die Kammer die Präparate der Klägerin dadurch diskriminiert, dass sie in einer Tabelle unter der Überschrift "Vermeidung des Einsatzes teurer Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischen Zusatznutzen" aufgeführt sind. Richtig ist, dass mit M1 der erste HMG-CoA-Reduktasehemmer auf den Markt gekommen ist. Dem steht aber gegenüber, dass keine der später am Markt aufgetretenen Schrittinnovationen bezüglich ihrer Wirksamkeit so dokumentiert ist, wie gerade Q, dies insbesondere auch im Hinblick auf die ubiquitäre Wirkung. Das Aufführen von Pravastatin-Präparaten unter der Überschrift zu Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischen Zusatznutzen vermittelt deshalb einen falschen Eindruck. Bezüglich dieser Bewertung stützt sich die Kammer auf die Sachkunde des ehrenamtlichen ärztlichen Beisitzers.

Da das System der täglichen Wirkstoffdosis für den jeweiligen Indikationsbereich und die daraus folgende Festsetzung von Tagesbehandlungskosten ein von Wertungen bestimmter Vorgang ist (vgl. dazu OVG Berlin, Beschluss vom 03.07.1991 - OVG 5 S 5.91 - in PharmR 92, 19 ff.) ist die richterliche Kontrolle zwar darauf beschränkt, dass der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt ist und die Grenzen der Beurteilungsermächtigung eingehalten sowie keine falschen Wertmaßstäbe eingeflossen sind (OVG Berlin, Beschluss vom 28.01.1987 - OVG 5 S 1.87 -). Diese Grundsätze aber sieht die Kammer gerade verletzt. Die Preis- und Marktlenkungstendenz leitet die Kammer daraus ab, dass besonders die teuren Präparate - in der ersten Gruppe M und Q - zurückgedrängt werden sollen. Da innerhalb des dafür notwendigen Preisvergleiches der Sachverhalt eben nicht vollständig ermittelt ist und im Hinblick auf die Bewertung der Schrittinnovation Pravastatin falsche Wertmaßstäbe eingeflossen sind, ist die Rechtsverletzung der Klägerin offenbar. Aus dem allgemeinen - auch im Verwaltungsrecht gültigen - Gedanken, dass rechtswidrige Verletzungen zu unterlassen sind, hat die Kammer das weitere Verbreiten der im Tenor genannten Tabelle untersagt. Die Wiederholungsgefahr sieht die Kammer darin, dass nach wie vor die HMG-CoA-Reduktasehemmer mit Abstand die umsatzstärkste Gruppe der verordneten Fertigarzneien ist, so dass die Klägerin von einer Neuauflage bedroht ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.






SG Köln:
Urteil v. 09.01.2002
Az: S 19 KA 55/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/20465c792285/SG-Koeln_Urteil_vom_9-Januar-2002_Az_S-19-KA-55-01




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