Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 17. Juli 2008
Aktenzeichen: 4 U 97/08

(OLG Hamm: Urteil v. 17.07.2008, Az.: 4 U 97/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dem vorliegenden Urteil ging es um einen Wettbewerbsstreit zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin, die beide mit Druckern und Druckerzubehör handeln. Der Antragsteller warf der Antragsgegnerin vor, im Fernabsatz gegen bestimmte gesetzliche Vorschriften zu verstoßen und dadurch eine wettbewerbswidrige Handlung zu begehen. Konkret warf er ihr vor, Verbraucher nicht ausreichend über ihr Widerrufs- und Rückgaberecht zu informieren, nicht die genauen Liefer- und Versandkosten anzugeben, nicht ausreichend über die Garantieleistungen aufzuklären, unzulässige Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden und keine korrekten Preisangaben zu machen.

Das Landgericht Dortmund hatte das Verbotsbegehren des Antragstellers in erster Instanz zurückgewiesen und ihm eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Antragsgegnerin vorgeworfen. Dagegen legte der Antragsteller frist- und formgerecht Berufung beim Oberlandesgericht Hamm ein.

Das Oberlandesgericht Hamm kam zu dem Schluss, dass das Verbotsbegehren des Antragstellers zulässig und begründet ist. Es hielt die Gerichtsstandswahl des Landgerichts Dortmund nicht für rechtsmissbräuchlich und sah auch keine Anhaltspunkte für eine Gebührenschinderei seitens des Antragstellers. Das Gericht änderte das Urteil des Landgerichts Dortmund ab und verurteilte die Antragsgegnerin dazu, ihre Geschäftspraktiken zu ändern. Sie darf im Fernabsatz beispielsweise keine unzureichenden Belehrungen über das Widerrufsrecht verwenden, muss die genauen Liefer- und Versandkosten angeben, umfangreiche Informationen über Garantieleistungen machen und korrekte Preisangaben machen.

Das Gericht hielt fest, dass die Unterwerfungserklärung der Antragsgegnerin, in der sie sich freiwillig zu bestimmten Verhaltensänderungen verpflichtet hatte, die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Antragsgegnerin auferlegt und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Urteil v. 17.07.2008, Az: 4 U 97/08


Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 13. März 2008 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Verfügung verurteilt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken es zu unterlassen,

a)

Drucker und Druckerzubehör im Fernabsatz anzubieten und/oder zu verkau-fen und dabei Verbraucher über ihr Widerrufs- oder Rückgaberecht in der Weise zu belehren, wie geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ........................# in der Rubrik „Angaben des Verkäufers zur Rücknahme“ und in der Rubrik „Rücknahme - weitere Angaben“ (Anl. ASt 3 zur Antragsschrift)

und/oder

b)

Drucker und Druckerzubehör im Fernabsatz zu bewerben, anzubieten und/oder zu verkaufen und dabei Verbraucher nicht darüber zu informieren, in welcher Höhe Liefer- und Versandkosten für den Versand nach „weltweit“ anfallen, falls ein solcher Versand angeboten wird, es sei denn, dass die Angabe dieser Kosten nicht möglich ist und nur nähere Einzelheiten der Berechnung angegeben werden können, aufgrund derer der Verbraucher die Höhe errechnen kann, wie geschehen in dem K-Angebot mit der Artikel-nummer .................. in der Rubrik „Verpackung und Versandt“ (Anl. ASt 3 zur Antragsschrift)

und/oder

c)

gegenüber Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften im Zusammenhang mit Angeboten aus dem Bereich Drucker und Druckerzubehör mit der Aussage „Neuware mit ordentlicher Rechnung und 24 Monaten Garantie“ zu werben, ohne

aa)

auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers und darauf hinzuweisen, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden,

und/oder

bb)

den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben mit anzuführen, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers,

wie insgesamt geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ...............# (Anl. ASt 3 zur Antragsschrift)

und/oder

d)

innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Abschluss von Verträ-gen über die Online-Handelsplattform K die nachstehende Klausel zu ver-einbaren oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf diese zu berufen:

„Die Lieferzeit beträgt etwa 3 - 5 Werktage, wobei es hier natürlich vor Weihnachten, vor dem Valentinstag und weiteren Ereignissen auch zu längeren Laufzeiten kommen kann, auf die wir keinerlei Einfluss haben.“

wie geschehen in der Artikelbeschreibung des K-Angebotes mit der Arti-kelnummer ......#/...... unter dem Punkt „Standard-Lieferungen K3“ in den von der Antragsgegnerin verwendeten Geschäftsbedingungen (Anl. ASt 3 zur Antragsschrift)

und/oder

e)

im Fernabsatz Drucker und Druckerzubehör in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne neben dem Endpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Endpreises anzugeben, wie geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ...............# in der Rubrik „Sofort & Neu“ (Anlage ASt 3 zur Antragsschrift).

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. Die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den geschäftsführenden Gesellschaftern der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien handeln mit Druckern und Druckerzubehör, die sie im Internet zum Kauf anbieten.

Die Antragsgegnerin warb am 29. Januar 2008 auf der Internetplattform K für ihre Angebote mit folgenden Informationen:

"Angaben des Verkäufers zur Rücknahme:

Rücknahme - Weitere Angaben: Ist der Kunde Verbraucher, kann er seine Vertragserklärung innerhalb von 1 Monat ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, eMail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen.

Bedingung hierfür ist, dass sich die Ware in ungenütztem und als neu wiederverkaufsfähigem Zustand befindet und möglichst in der Originalverpackung zurückgeschickt wird. Die Kosten des Versandes gehen zu Lasten des Kunden (falls der Kunde in Deutschland wohnt).

Widerruf bzw. Rücknahmeverlangen und Warenrücksendung sind zu richten an:

C GbR, X2, D-......1 C

Versandkosten: EUR 4,80

K3 Paket (versichert)

Service nach: (Deutschland)

(Weitere Versandservices)

Versand nach: Weltweit

Weltweiter Versand. Nehmen Sie wegen zusätzlicher Versandkosten und services Kontakt zum Verkäufer auf.

Neuware

mit ordentlicher Rechnung und 24 Monaten Garantie!!

Die Lieferzeit beträgt etwa 3 - 5 Werktage, wobei es hier natürlich vor Weihnachten, vor dem Valentinstag und weiteren Ereignissen auch zu längeren Laufzeiten kommen kann, auf die wir keinerlei Einfluss haben."

Wegen der Ausgestaltung der Werbung im Einzelnen wird auf die Anlage ASt 3 zur Antragsschrift (Bl. 24 ff d.A.) verwiesen.

Der Antragsteller hat diese Angaben in mehrfacher Hinsicht für unzutreffend und damit wettbewerbswidrig gehalten.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die von der Antragsgegnerin erteilte Belehrung über das Widerrufs- und Rückgaberecht sei wettbewerbswidrig, weil der Verbraucher nur ungenügend über die Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe der Ware informiert werde. Wettbewerbswidrig sei auch, wenn die Kosten für den weltweiten Versand nicht unmittelbar mitgeteilt würden, sondern es dafür einer zusätzlichen Kontaktaufnahme mit der Antragsgegnerin bedürfe. Unklar bleibe ferner, welchen Inhalt die von der Antragsgegnerin ausgelobte Garantie habe, ferner der Hinweis, dass diese nur neben die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche trete. Die Lieferzeit, die sich die Antragsgegnerin vorbehalte, sei ebenfalls nicht rechtskonform. Letztlich verstoße die Antragsgegnerin gegen § 2 der Preisangabenverordnung, wenn Nachfülltoner in Fertigpackungen angeboten werde, ohne neben dem Endpreis des angebotenen Produktes auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile anzugeben.

Das Landgericht hat entsprechen dem Antrag der Antragsgegnerin das Verbotsbegehren des Antragstellers durch Urteil vom 13. März 2008 zurückgewiesen. Es hat dieses Begehren bereits als unzulässig angesehen, weil die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich sei. Entweder sei es darum gegangen, den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers einen möglichst hohen Gebührensatz zu erzeugen. Oder es sei darum gegangen, die Antragsgegnerin durch die Provokation möglichst hoher und von ihr zu tragender Rechtsverfolgungskosten zu behindern.

Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 86 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein Verbotsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt. Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages verteidigt er die Anrufung des sachlich wie örtlich zuständigen Landgerichts Dortmund und weist den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zurück. Er verteidigt mit näheren Ausführungen den von ihm vorläufig geschätzten Streitwert in Höhe von 30.000,00 €. Gerade wenn sich die Rechtsprechung im Bezirk eines Oberlandesgerichts durch mehrere kompetente Entscheidungen im Bereich des Ecommerce ausgezeichnet habe und in Bezug auf die zu Grunde liegenden Streitfragen gefestigt sei, müsse es einem Mitbewerber möglich sein, seine Ansprüche dort gerichtlich durchzusetzen, wenn eine sachliche und örtliche Zuständigkeit bestehe und eine Marktrelevanz gegeben sei, wie das im vorliegenden Fall zutreffe. Um seine Ansprüche möglichst risikolos durchsetzen zu können, habe er deshalb die Gerichtsstandswahl getroffen.

Der Antragsteller beantragt wie folgt zu erkennen:

1.

Auf die Berufung des Antragstellers hin wird die Antragsgegnerin in Abweichung von der angefochtenen Entscheidung des LG Dortmund (Urt. v. 13.03.2008 — 18 0 14/08) verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00 — Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu

unterlassen,

a)

im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen Drucker und -zubehör im Fernabsatz anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne Verbraucher in diesem Zusammenhang ordnungsgemäß nach § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 240 EGBGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu informieren über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung sowie die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe, wie geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ............... (Anlage Ast 3)

und/oder

b)

bei der Tätigkeit im Fernabsatz Drucker und -zubehör zu bewerben, anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne Letztverbraucher in diesem Zusammenhang ordnungsgemäß nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 PAngV zu informieren, in welcher Höhe Liefer- und Versandkosten für den Versand nach "weltweit" anfallen, falls dieser angeboten wird, und nur für den Fall, dass die Angabe dieser Kosten nicht möglich ist, die näheren Einzelheiten der Berechnung anzugeben, aufgrund derer der Käufer die Höhe leicht errechnen kann, wie geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ............# (Anlage Ast 3)

und/oder

c)

im Wettbewerb handelnd gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit Angeboten aus dem Bereich Drucker und -zubehör mit der Aussage

"Neuware mit ordentlicher Rechnung und 24 Monaten Garantie"

zu werben, ohne

aa.

auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers und darauf hinzuweisen, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden

und/oder

bb.

den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben mit anzuführen, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers,

wie insgesamt geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ...............# (Anlage ASt 3)

und/oder

d)

innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Abschluss von Verträgen über die Online-Handelsplattform K die nachstehende Klausel zu vereinbaren oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf diese zu berufen:

"Die Lieferzeit beträgt etwa 3 - 5 Werktage, wobei es hier natürlich vor Weihnachten, vor dem Valentinstag und weiteten Ereignissen auch zu längeren Laufzeiten kommen kann, auf die wir keinerlei Einfluss haben.‘‘

wie geschehen in der Artikelbeschreibung des K-Angebotes mit der Artikelnummer 350018341201 unter dem Punkt "Standard-Lieferungen K3-Gruppe" in den von der Verfügungsbeklagte verwendeten Geschäftsbedingungen (Anlage ASt 3)

und/oder

e)

bei der Tätigkeit als gewerblicher Anbieter im Fernabsatz Artikel aus dem Bereich Drucker und -zubehör in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne neben dem Endpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Endpreises gem. § 2 Absatz 3 S. 1, 2, 4 oder 5 PAngV anzugeben, wie geschehen in dem K-Angebot mit der Artikelnummer ...............# (Anlage ASt 3).

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung des Antragstellers ist begründet.

Das Verbotsbegehren des Antragstellers ist zulässig. Es ist weder allgemein rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG, noch stellt die Anrufung gerade des Landgerichts Dortmund eine missbräuchliche Gerichtsstandswahl dar. Die Abmahnung und die gerichtliche Geltendmachung des Verbotsbegehrens werden als solche vom Landgericht nicht beanstandet und auch nicht als Gebührenschinderei gebranntmarkt. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin nur deshalb in Anspruch genommen wird, um Kosten entstehen zu lassen, ohne dass an der Rechtsverfolgung selbst ein ernsthaftes Interesse besteht, sind nicht ersichtlich. Es ist weder etwas zum Umfang der Abmahntätigkeit des Antragstellers insgesamt vorgetragen, noch ergeben sich aus der vorliegenden Rechtsverfolgung anderweitige Umstände, die auf ein bloßes Gebührenerzielungsinteresse schließen lassen. Allein aus der bloßen Gerichtsstandswahl lässt sich in dieser Hinsicht nichts herleiten. Denn ein Kläger kann allein durch die Wahl eines entfernt gelegenen Gerichtsstandes die Kosten, die der Gegner zu erstatten hat, nicht erhöhen. Nach § 91 ZPO sind in jedem Falle nur die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten. Wählt ein Kläger als Gerichtsstand weder sein eigenes Sitzgericht noch das des Beklagten sind dadurch verursachte Mehrkosten regelmäßig nicht als notwendig anzusehen.

Auch die Gerichtsstandswahl als solche kann vorliegend nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass grundsätzlich zwischen den gegebenen Gerichtsständen frei gewählt werden kann. Auch die Ausnutzung einer für die klagende Partei günstigen Rechtsprechung stellt für sich genommen noch keinen Rechtsmissbrauch dar. Zu solchen auswählbaren Rechtsprechungsgewohnheiten zählt auch die Streitwertbemessung. Ein Missbrauch setzt eine zweckwidrige Ausnutzung von formal gegebenen Verfahrenspositionen voraus (Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 17, Rz. 5 m.w.N.). Es ist aber nicht zweckwidrig, den Gerichtsstand nach Erfolgsaussichten auszuwählen. Es ist auch nicht zweckwidrig, einen Gerichtsstand danach auszuwählen, ob dort eine Streitwertfestsetzung geübt wird, die man selbst für richtig hält.

Die Verbotsbegehren sind auch allesamt begründet. Soweit der Senat bei der Fassung der Verbote von dem Wortlaut der Anträge des Antragstellers abgewichen ist, hat der Senat lediglich von seinem Formulierungsermessen nach § 938 ZPO Gebrauch gemacht (Ahrens a.a.O., Kap. 52, Rz. 20).

Der Verbotsanspruch zu a) ist unproblematisch zu bejahen, da weder der Beginn der Widerrufsfrist genannt ist, noch die Widerrufsmöglichkeit von der Neuwertigkeit der Ware abhängig gemacht werden darf, §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Ziff. 1; 3; 4 Ziff. 11 UWG; 312 c BGB i.V.m. Art. 240 EGBGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB - InfoV.

Die Wiederholungsgefahr ist ebenfalls zu bejahen. Denn sie wird durch die Unterwerfungserklärung der Antragsgegnerin gegenüber der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nicht beseitigt. Diese Unterwerfungserklärung der Antragsgegnerin hat folgenden Wortlaut:

"1.

es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd

im Internet geschäftsmäßig aufzutreten und nicht deutlich Vor- u. Zuname des Gewerbetreibenden, im Falle des Vorliegens einer juristischen Person zusätzlich des Vertretungsberechtigten sowie die Anschrift unter Angabe der Straße und der Hausnummer anzugeben und/oder

im Fernabsatz vom Verbraucher die Rücksendung in Originalverpackung zu verlangen und/oder

im Falle der Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts unbenutzte Waren von diesem auszuschließen und/oder

im Fernabsatz dem Verbraucher die Kosten der Rücksendung aufzuerlegen".

Soweit dort verboten wird, vom Verbraucher die Rücksendung in Originalverpackung zu verlangen, bleibt unklar, in welchem Zusammenhang dieses Verbot gelten soll. Vorliegend geht es darum, dass die Widerrufsmöglichkeit nicht von einer solchen Rücksendung abhängig gemacht wird. Der Antragsteller hat einen Anspruch darauf, dass die fehlerhafte Widerrufsbelehrung einheitlich verboten wird. Er braucht sich nicht mit einer Zerlegung in ihre einzelnen Bestandteile zufrieden zu geben. Insofern beseitigt der Passus "es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd im Fernabsatz vom Verbraucher die Rücksendung in Originalverpackung zu verlangen" die Wiederholungsgefahr nicht.

Gleiches gilt für den nachfolgenden Passus der Unterwerfungserklärung "im Falle der Ausübung des Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechts unbenutzte Ware von diesem auszuschließen". Im beantragten Verbot geht es um die Widerrufsbelehrung selbst, nämlich um die Frage, wann der Verbraucher widerrufen kann. Die Unterwerfungserklärung befasst sich dagegen mit der Situation nach erfolgtem Widerruf, wobei der Begriff "unbenutzt" keinen Sinn ergibt. Es geht dort um die Weigerung der Antragsgegnerin, das Widerrufsrecht anzuerkennen, wenn die Ware benutzt ist. Die Wiederholungsgefahr wird auch durch den weiteren Passus der Unterwerfungserklärung nicht beseitigt. Die Antragsgegnerin hat sich verpflichtet, dem Verbraucher nicht die Kosten der Rücksendung aufzuerlegen. Damit knüpft die Unterwerfungserklärung an ein tatsächliches Verhalten an. Es geht dabei nicht um die Belehrung. Die Antragsgegnerin könnte bei falscher Belehrung einer Vertragsstrafe entgehen, wenn sie vorträgt, dass sie den Verbrauchern trotz fehlerhafter Belehrung tatsächlich die Kosten der Rücksendung nicht aufbürdet. Damit ist der Antragsteller nach wie vor nicht gegen die falsche Belehrung als solche geschützt.

Auch der Verbotsanspruch zu b) ist begründet. Denn auch beim Auslandsversand müssen die Kosten gemäß § 1 Abs. 2 PAngV angegeben werden (Senatsbeschluss vom 28. März 2007 - 4 W 19/07).

Auch der Verfügungsanspruch zu c) ist begründet. Der Passus "Neuware mit ordentlicher Rechnung und 24 Monaten Garantie" verstößt gegen § 477 BGB. Denn er enthält die von dieser Norm geforderten Informationen nicht. Dies hat der Antragsteller bereits in der Antragsschrift im Einzelnen ausgeführt (vgl. auch BGH WRP 2008, 782 - Umsatzsteuerhinweis). Die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen stellt aber zugleich einen Rechtsbruchtatbestand dar, der nach § 4 Ziff. 11 UWG zugleich auch einen Wettbewerbsverstoß begründet. Als verbraucherschützende Normen stellen sie eine Marktverhaltensregelung im Sinne dieser Vorschrift dar (Senatsurteil vom 13. März 2008 - 4 U 3/08).

Zu Recht beanstandet der Antragsteller auch die Klausel hinsichtlich der Lieferzeit (Verbotsausspruch zu d) des Senatsurteils). Die von der Antragsgegnerin verwendete Klausel verstößt gegen § 308 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Antragsgegnerin behält sich nämlich für nicht absehbare Fälle die freie Bestimmung der Lieferzeit vor, ohne dies auf den Versandweg zu beschränken. Dabei ist besonders die Formulierung "und weiteren Ereignissen" zu beanstanden.

Begründet ist schließlich auch der letzte Verbotsantrag zu e), der die Preisangabe betrifft. Die Antragsgegnerin unterlässt es hierbei, entgegen § 2 Abs. 3 PAngV den Preis je Mengeneinheit einschließlich Mehrwertsteuer in unmittelbarer Nähe des Endpreises anzugeben.

Auch in diesem Verstoß ist wie in den anderen auch keine Bagatelle i.S.d. § 3 UWG zu sehen. Denn es ist dem Verbraucher ohne die vom Verordnungsgeber verlangte Information nicht möglich, die Preise genau und schnell zu vergleichen. Insofern ist hier die Preiswahrheit, und nicht nur die Preisklarheit betroffen. Sieht der Gesetzgeber bestimmte Informationen zum Schutze des Verbrauchers als angezeigt an, kann diese Wertung nicht dadurch unterlaufen werden, dass ihnen in Anwendung der Bagatellklauseln des § 3 UWG der wettbewerbswidrige Charakter genommen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 17.07.2008
Az: 4 U 97/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1e5a28d71530/OLG-Hamm_Urteil_vom_17-Juli-2008_Az_4-U-97-08




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