Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 29. Juli 2010
Aktenzeichen: 15 W 33/10

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 29.07.2010, Az.: 15 W 33/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Beschluss vom 29. Juli 2010 (Aktenzeichen 15 W 33/10) entschieden, dass der Beschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Marburg vom 23. März 2010 aufgehoben wird. In diesem Beschluss ging es um die Festsetzung der Vergütung eines Anwalts für den Beklagten zu 1. Der Beklagte hatte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar 2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht entschied, dass die Sache zur erneuten Entscheidung an die Rechtspflegerin zurückverwiesen wird. Auch über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens muss die Rechtspflegerin erneut entscheiden.

Die sofortige Beschwerde des Anwalts des Beklagten zu 1 war zulässig, da der Beschwerdewert den Zulässigkeitsgrenzwert von 200 Euro offensichtlich überstieg. Das bedeutet, dass die Beschwerde berechtigt ist. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Rechtspflegerin erneut über die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1 entscheiden muss. Der Rechtspfleger wurde dazu aufgefordert, zu klären, ob der Beklagte zu 1 gegen die Kostenfestsetzung Einwendungen erhebt, die außerhalb des Gebührenrechts liegen. Bisher war aus dem Beschwerdeschreiben des Beklagten nicht erkennbar, ob er tatsächlich außerhalb des Gebührenrechts liegende Einwendungen erhebt.

Das Gesetz sieht vor, dass die Festsetzung der Anwaltsvergütung abgelehnt werden muss, wenn der Mandant Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht begründet sind. Die Anforderungen für die Darlegung von außergebührenrechtlichen Einwendungen müssen in diesem Fall gering bleiben. In der vorliegenden Entscheidung war nicht erkennbar, ob der Beklagte zu 1 überhaupt außergebührenrechtliche Einwendungen vorbringen möchte. Bisher hat er keine Tatsachen genannt, die in einer rechtlichen Beziehung zur Kostenfestsetzung stehen. Deshalb wurde die Rechtspflegerin angewiesen, zu klären, welche konkreten Einwendungen der Beklagte zu 1 gegen die Kostenfestsetzung erheben will und ob diese außergebührenrechtlicher Natur sind.

Sollte sich herausstellen, dass die Einwendungen außergebührenrechtlich sind, muss der Kostenfestsetzungsbeschluss erneut aufgehoben werden. In diesem Fall muss der Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen. Andernfalls bleibt das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens liegt ebenfalls bei der Rechtspflegerin. Die außergerichtlichen Kosten des Anwalts werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 29.07.2010, Az: 15 W 33/10


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des früheren Anwalts des Beklagtenzu 1) wird der Beschluss der Rechtspflegerinbeim Landgericht Marburg vom 23. März 2010 (5 O 11/07), durchwelchen im Rahmen der Abhilfeentscheidung über die sofortigeBeschwerde des Beklagten zu 1) der Vergütungsfestsetzungsbeschlussvom 25. Februar 2010, soweit er den Beklagten zu 1) betraf,aufgehoben wurde,

aufgehoben

und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über dieGerichtskosten des Beschwerdeverfahrens, an die Rechtspflegerinbeim Landgericht Marburg zurückverwiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nichterstattet.

Gründe

Die sofortige Beschwerde, welche der Beschwerdeführer als früherer Prozessbevollmächtigter des Beklagten zu 1) im eigenen Kosteninteresse gegen die von ihm vertretene Partei erhebt, ist zulässig - §§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 ZPO. Insbesondere übertrifft der Beschwerdewert offensichtlich den Zulässigkeitsgrenzwert von 200 Euro - § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht, welches nach gebotener Sachverhaltsaufklärung über die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) vom 11. März 2010 (Bl. 130 d.A.) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar erneut zu entscheiden haben wird. Der Rechtspflegerin wird gemäß § 572 Abs.3 ZPO aufgegeben, aufzuklären, ob der Beklagte zu 1) als Gegner des Kostenfestsetzungsantrags bzw. Schuldner des Kostenfestsetzungsbeschlusses in der Sache Einwendungen gegen die Kostenfestsetzung erhebt, die sachlich außerhalb des Gebührenrechts liegen. Das bisherige Vorbringen des Beklagten zu 1) im Beschwerdeschreiben vom 11. März 2010 (Bl. 130 d.A.)

"Durch die Arbeitsweise des Herrn X, der mich in den letzten Jahren vertreten hat, also auch in anderen Sachen, die nur aufgrund seiner Untätigkeit entstanden sind, bin ich in psychiatrischer Behandlung. (€) Durch geschicktes hinhalten hat Herrn X es immer wieder verstanden, mich nicht an andere Rechtsanwälte zu wenden. Durch Privatzahlungen von ihm an mich, nach dem Motto, wenn wir deine Forderungen einholen, verrechnen wir das, hielten mich bei ihm. Das war falsch. Auch dieser Fall muss durch ein Wiederaufnahmeverfahren aufgearbeitet werden, auch dort stimmt die Bearbeitung nicht. Wegen der Arbeitsweise und der Vorenthaltung von Originalunterlagen bin ich auch schon bei der Rechtsanwaltskammer in O1 vorstellig. Dort wartet man auf eine Stellungnahme des Herrn X. Auch hat er eingegangene Forderungen für mich, mir nicht mitgeteilt. (€)"

lässt nicht erkennen, ob der Beklagte zu 1) tatsächlich außergebührenrechtliche Einwendungen geltend macht, und ob ihnen die Qualität zukommt, die erforderlich ist, um ein dem Grunde nach gerechtfertigtes Kostenfestsetzungsbegehren eines Anwalts zu blockieren, ob der Kläger also wirklich außergebührenrechtliche Einwendungen "erhebt".

Nach § 11 Abs. 5 RVG ist die Festsetzung der Anwaltsvergütung abzulehnen, soweit der Mandant Einwendungen oder Einredenerhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.

Da es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift genügt, dass der Mandant außergebührenrechtliche Einwendungen oder Einreden €erhebt€, ist von dem für die Festsetzung der Vergütung zuständigen Rechtspfleger eine Prüfung der Begründetheit der Einwendungen oder eine Aufforderung an den Mandant, seine Einwendungen näher zu substantiieren, nicht verlangt, der Rechtspfleger hat auch keine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Deshalb müssen die Anforderungen an die Darlegung außergebührenrechtlicher Einwendungen seitens des Gegners eines Vergütungsfestsetzungsantrags gering bleiben. Zwar dient das Kostenfestsetzungsverfahren dazu, dem Anwalt in einem möglichst unkomplizierten und schnellen Verfahren einen Vollstreckungstitel zur Realisierung seines Vergütungsanspruchs gegen seinen Auftraggeber in die Hand zu geben. Dieses Verfahren will vor allem vermeiden, dass wegen jeglichen Honoraranspruchs des Anwalts gegen seinen Auftraggeber eigens ein gesonderter Rechtsstreit geführt werden muss. Andererseits dient das Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht dazu, außergebührenrechtliche Einwendungen des Mandanten auf kurzem Wege zu bescheiden, insbesondere abzuweisen. Für die Klärung materiell-rechtlicher Sachfragen ist der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zuständig.

Danach müssen Auffassungen, nach welchen schon im Vergütungsfestsetzungsverfahren Einwendungen unbeachtlich bleiben sollen, wenn sie offensichtlich unbegründet, offensichtlich halt- und substanzlos oder auch offensichtlich aus der Luft gegriffen sind, auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen die Offensichtlichkeit der Unbegründetheit der von einem Mandant erhobenen Einwendungen zweifelsfrei fest steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn Einwendungen vom Mandant offensichtlich arglistig in dem bloßen Bestreben konstruiert werden, die Vergütungsfestsetzung zu verzögern und die Realisierung des Vergütungsfestsetzungsanspruchs des Anwalts zu erschweren, gewissermaßen bewusst den für ihn von vornherein erfolglosen Umweg über eine Vergütungsklage im selbständigen Rechtsstreit zu provozieren (vgl. z. B. OLG Brandenburg, RPfl 2003, 538 f (zu der dem § 11 Abs. 5 RVG inhaltlich entsprechenden Vorschrift des § 19 Abs. 5 BRAGO), OLG Bamberg FamRZ 2001, 505; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 11 RVG Rdnr. 56,57; Gerold/Schmidt/v.Eicken, Madert/Müller-Rabe RVG, 17. Aufl., § 11 Rdnrn. 137€146 jeweils m. w. N.).

Die Anforderungen an die Darlegung von außergebührenrechtlichen Einwendungen des Mandanten müssen naturgemäß graduell noch geringer sein, wenn sich der Mandant gegen den Vergütungsfestsetzungsantrag seines Anwalts ohne anwaltliche Hilfe wendet, was er darf - §§ 11 Abs. 6 Satz 1 RVG, 78 Abs. 5 ZPO.

Selbst in Anwendung dieser geringen Anforderungen an die Beachtlichkeit außergebührenrechtlicher Einwendungen des Gegners eines Vergütungsfestsetzungsantrags ist vorliegend die Aufhebung des vom Beschwerdeführer erwirkten Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Beklagten zu 1) durch die Rechtspflegerin nach derzeitigem Sachstand nicht gerechtfertigt.

Das zitierte Vorbringen des Beklagten zu 1) lässt schon nicht erkennen, ob er überhaupt außergebührenrechtliche Einwendungen geltend machen möchte. Dem Beschwerdeschreiben vom 11. März 2010 lässt sich allenfalls entnehmen, dass er mit der Arbeitsweise des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt in anderen Angelegenheiten, wohl auch in dieser Angelegenheit nicht zufrieden ist. Aus seinem Vorbringen ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt, dass er daraus irgendwelche rechtlichen Folgerungen zieht, etwa dass die im vorliegenden Verfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren den Beschwerdegegner nicht zustünden, etwa weil dem Honoraranspruch irgendwelche Ansprüche des Beklagten zu 1 gegenüberstünden. Der Beklagte zu 1 hat bislang keinerlei Tatsachen vorgetragen, die auch nur in einer rechtlichen Beziehung zum festgesetzten Honoraranspruch stehen, geschweige denn geeignet sind, eine außergebührenrechtliche Einwendung erkennbar zu machen. Es lässt sich damit weder feststellen, welche Einwendungen der Beklagte zu 1 überhaupt gegen die Kostenfestsetzung erhebt, noch, ob etwaige Einwendungen gegebenenfalls ihren Ursprung außerhalb des Gebührenrechts haben.

Die Ablehnung eines Kostenfestsetzungsantrags wegen der Erhebung von Einwendungen durch den Kostenschuldner, die nicht im Gebührenrecht ihren Ursprung haben, setzt jedoch mindestens die Kenntnis dessen voraus, was der Kostenschuldner gegen den Gebührenanspruch des Anwalts einwenden will. Die außergebührenrechtlichen Einwendungen müssen konkret genannt und nicht lediglich angedeutet oder nur abstrakt angekündigt werden. Eine Auseinandersetzung in der Sache mit außergebührenrechtlichen Einwendungen im formalen Kostenfestsetzungsverfahren durch die Rechtspflegerin/den Rechtspfleger ist damit keineswegs verlangt.

Nach alledem wird die Rechtspflegerin aufzuklären haben, welche Einwendungen der Kläger konkret gegen die Kostenfestsetzung geltend machen will, und ob es sich dabei um außergebührenrechtliche Einwendungen handelt, die nicht offensichtlich halt- und substanzlos oder aus der Luft gegriffen sind. Sollte dies der Fall sein, so ist der Kostenfestsetzungsbeschluss erneut aufzuheben, anderenfalls die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Im erstgenannten Fall wird der Beschwerdeführer mit den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO Nr. 1812 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zu belasten sein, andernfalls bleibt das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Auch die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens wird der Rechtspflegerin aufgegeben.

Nach § 11 Abs.2 Satz 6 RVG werden die außergerichtlichen Kosten eines Anwalts im Beschwerdeverfahren um die Festsetzung seiner Kosten - eine 0,5-Gebühr für das Kostenbeschwerdeverfahren (§ 18 Nr. 5 RVG in Verbindung mit Nr. 3500 VV) - nicht erstattet.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 29.07.2010
Az: 15 W 33/10


Link zum Urteil:
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