Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 156/99

(BPatG: Beschluss v. 11.05.2000, Az.: 25 W (pat) 156/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in dieser Entscheidung eine Beschwerde gegen die Eintragung einer Marke zurückgewiesen. Es ging um die Marke "Kamilium", die für pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege und diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke eingetragen wurde. Die Beschwerdeführerin hatte Widerspruch gegen diese Eintragung eingelegt, da sie selbst eine ältere Marke mit ähnlichen Produkten besitzt.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte den Widerspruch jedoch abgelehnt. Sie sah keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, da die Vergleichsbezeichnungen deutlich voneinander abweichen und die Widerspruchsmarke "Kamilium" als kennzeichnungsschwach angesehen wird. Die Beschwerdeführerin war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und hat daher Beschwerde beim Bundespatentgericht eingelegt.

Das Bundespatentgericht bestätigte jedoch die Entscheidung der Markenstelle. Es stellte fest, dass die Marken in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht deutlich voneinander abweichen. Obwohl der Bestandteil "Kamil" in beiden Marken vorkommt, führen die Unterschiede in der Sprechsilbenzahl und im Sprech- und Betonungsrhythmus zu einem ausreichend unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck. Auch im schriftbildlichen Vergleich gibt es ausreichende Unterschiede zwischen den Marken.

Darüber hinaus sah das Gericht keine begriffliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken. Obwohl beide Marken Assoziationen an den warenbeschreibenden Begriff "Kamille" auslösen könnten, wird dies den Verkehr nicht dazu veranlassen, auf eine gemeinsame Herkunft der Produkte zu schließen.

Insgesamt kam das Bundespatentgericht daher zu dem Schluss, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken besteht und die Beschwerde daher abgewiesen werden muss.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.05.2000, Az: 25 W (pat) 156/99


Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Die Bezeichnung Kamiliumist unter der Nummer 396 03 996 als Marke für "pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 9. November 1996 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, am 28. April 1993 angemeldeten und seit dem 7. Juli 1999 für "Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandstoffe, Desinfektionsmittel" eingetragenen Marke 2 105 835 KAMILLIN ROBUGEN.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Vergleichsbezeichnungen könnten zwar zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, so daß bei anzunehmender normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein deutlicher Markenabstand erforderlich sei. Dieser sei aber eingehalten. Die Bezeichnungen "Kamilium" und "KAMIL-LINROBUGEN" unterschieden sich in ihrer Wortlänge auffallend. Selbst wenn der Bestandteil "ROBUGEN" der Widerspruchsmarke lediglich als Hinweis auf die Firma der Widersprechenden angesehen würde, seien auch die Wortbestandteile "Kamilium" und "KAMILLIN" nicht verwechselbar ähnlich. Diese Vergleichswörter unterschieden sich insbesondere in der Silbenzahl, woraus sich ein abweichender Sprech- und Betonungsrhythmus ergebe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Markenstelle gehe in ihrer Entscheidung schon von einer falschen Widerspruchsmarke aus, nämlich von einer Bezeichnung "KAMILLINROBUGEN". Die Widerspruchsmarke bestehe aber aus zwei Wörtern. Sie werde durch das Markenwort "KAMILLIN" geprägt, denn nicht nur der Fachverkehr, sondern auch der Endverbraucher werde in dem Markenbestandteil "ROBUGEN" die Herstellerbezeichnung erkennen. Diese sei aber als solche zur Bestimmung eines Produkts eher ungeeignet, weshalb der Verkehr die eigentliche Produktbezeichnung im Markenwort "KAMILLIN" sehen werde. Jedenfalls würden entscheidungserhebliche Verkehrskreise den kennzeichnenden Schwerpunkt in "KAMILLIN" sehen. Die Herstellerbezeichnung trete im übrigen sogar dann zurück, wenn sie im Verkehr noch nicht bekannt, aber als solcher erkennbar sei. Selbst wenn der Bestandteil "Kamillin" kennzeichnungsschwach wäre, könne er die Widerspruchsmarke allein kollisionsbegründend prägen. Zwischen den Bezeichnungen "KAMILLIN" und "Kamilium" bestehe Verwechslungsgefahr, zumal die Marken verwechslungsfördernd zur Kennzeichnung gleicher Waren bestimmt seien. Diese Markenwörter stimmten in der Laut- und Buchstabenfolge "KAMIL(L)I" identisch überein, wobei die besonders beachteten Wortanfänge kein einziges akustisches Unterscheidungsmerkmal aufwiesen. Außerdem vermittelten beide Markenwörter übereinstimmende Begriffsanklänge. Auch die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen könne nicht ohne weiteres verneint werden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat im Beschwerdeverfahren in der Sache nichts mehr vorgetragen. Im Verfahren vor der Markenstelle hatte sie die Auffassung vertreten, daß das Firmenschlagwort "ROBUGEN" bei der Widerspruchsmarke schon im Hinblick auf die Kennzeichnungsschwäche des weiteren Bestandteils "Kamillin" als deutlicher und allgemein verständlicher Hinweis auf "Kamille" nicht abgespalten werden dürfe. Aber selbst bei einer Gegenüberstellung von "Kamilium" und "Kamillin" könnten Verwechslungen ausgeschlossen werden, zumal der übereinstimmende Anfangsbestandteil "Kamil" als Bestandteil in Arzneimittelkennzeichnungen häufig verwendet werde und deshalb verbraucht sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Widersprechende rügt zwar zu Recht, daß die Widerspruchsmarke im angefochtenen Beschluß nicht korrekt wiedergegeben ist. Sie ist dort in einem Wort "KAMILLINROBUGEN" statt in zwei Wörtern geschrieben worden. Dieser Fehler, der die Qualität eines Schreibversehens hat und sich in der Begründung in den entscheidungserheblichen Punkten nicht ausgewirkt hat, rechtfertigt aber für sich genommen keine Sachentscheidung zugunsten der Widersprechenden und stellt im übrigen auch keinen Grund für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 70 Abs 3 Nr 1 oder Nr 2 MarkenG dar. Letzteres ist im übrigen auch von der Widersprechenden selbst nicht beantragt worden.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, die jeweils auch rezeptfrei in der Apotheke erhältliche Arzneimittel und in Drogerien, Reformhäusern oder auch Supermärkten erhältliche diätetische Erzeugnisse beinhalten können, weshalb die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der uneingeschränkt angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise und der Warenlage die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten.

Zunächst scheidet eine Verwechslungsgefahr in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht offensichtlich aus, wenn die Marken in ihrer Gesamtheit bei einigermaßen gleichmäßiger Berücksichtigung sämtlicher Bestandteile nach den für den Gesamteindruck sonst maßgeblichen allgemeinen Kriterien verglichen werden. Sie unterscheiden sich dann in den wesentlichen Kriterien, wobei die Widerspruchsmarke aus zwei Wörtern besteht und im Vergleich zur angegriffenen Einwortmarke doppelt so viele Sprechsilben und annähernd die doppelte Anzahl von Buchstaben aufweist.

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Bestandteil "KAMILLIN" die Widerspruchsmarke allein kollisionsbegründend prägt. Es erscheint zwar möglich, daß die Herstellerangabe "ROBUGEN" in nicht unerheblichem Umfang als solche erkannt wird und dann im Rahmen der markenmäßigen Orientierung in den Hintergrund tritt, mit der Folge, daß der Verkehr in dem anderen Bestandteil die eigentliche Produktkennzeichnung sieht und sich markenmäßig nur hieran orientiert (vgl dazu BGH GRUR 1996, 404 ff "Blendax Pep" und 1997, 897 ff "IONOFIL"). Es ist aber verfehlt, von einem Regelsatz auszugehen, daß einer Herstellerangabe als Bezeichnungsbestandteil eine prägende Kraft stets abzusprechen ist (vgl BGH aaO). Vielmehr ist diese Beurteilung im Einzelfall zu treffen. Insbesondere dann, wenn der weitere Zeichenbestandteil - wie vorliegend der sehr deutlich auf "Kamille" hinweisende Bestandteil "KAMILLIN" - beschreibend und eher schwach kennzeichnend ist, kann dies die Vorstellung des Verkehrs beeinflussen, die Herstellerangabe werde als zusätzliche Unterscheidungshilfe in einer für das Gesamtzeichen prägenden oder jedenfalls wesentlich mitbestimmenden Art eingesetzt (vgl dazu BGH GRUR 1996, 406 f "JUWEL").

Die Entscheidung darüber, ob der Bestandteil "Kamillin" die Widerspruchsmarke alleine prägt, kann aber dahinstehen. Denn auch wenn dies unterstellt wird und nur "Kamilium" und "Kamillin" miteinander verglichen werden, kann eine Verwechslungsgefahr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Bei einem solchen Vergleich ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Bezeichnung "KAMILLIN" kennzeichnungsschwach ist. Sie weist sehr deutlich und für jedermann ohne weiteres erkennbar warenbeschreibend auf die Heilpflanze "Kamille" hin. Demzufolge davon kann dem Zeichenwort "KAMILLIN" im einschlägigen Warenbereich nur ein geringer Schutzumfang eingeräumt werden, zumal im Bereich der Warenklasse 5 zahlreiche Marken existieren, in denen der warenbeschreibende Begriff "Kamille" ebenfalls mehr oder weniger deutlich anklingt. Ergänzend hierzu ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von Bedeutung, daß die Übereinstimmung der Markenwörter gerade im Anfangsbestandteil bzw in den Anfangslauten und -buchstaben "Kamil" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem originelleren Wortelement der Fall wäre (vgl dazu auch die Entscheidung des 24. Senats vom 19. Dezember 1995, PAVIS PROMA, Kliems 24 W (pat) 280/94, in der die verkürzte Bezeichnung "KAMILL" - allerdings in Alleinstellung - als schutzunfähig ua für "Parfümerien und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" angesehen wurde). Dieses Wortelement ist als Anfangsbestandteil recht beliebt und in zahlreichen Marken verschiedener Herstellern im einschlägigen Warenbereich enthalten. Selbst wenn von diesen eingetragenen Marken tatsächlich nur ein Teil benutzt wird, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht unbeachtet bleiben (vgl BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur"; MarkenR 1999, 57 - Lions). Der übereinstimmende Zeichenbestandteil "Kamil" muß bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zwar jeweils berücksichtigt werden, sein kennzeichnendes Gewicht ist aber erheblich reduziert. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs wird sich vergleichsweise stärker auf die weiteren Wortbestandteile richten und zwar selbst dann, wenn es sich dabei um Endungen handelt, denen bei originelleren Anfangsbestandteilen nur relativ wenig kennzeichnendes Gewicht beigemessen würde.

Die Markenwörter "Kamilium" und "KAMILLIN" stimmen klanglich zwar in den Anfangslauten "Kamil" überein und weisen im weiteren Lautbestand noch jeweils den Vokal "i" und die klangähnlichen Schlußkonsonanten "m" bzw "n" auf. Demgegenüber heben sie sich aber in der Vokalfolge und in der Sprechsilbenzahl und daraus folgend vor allem im Sprech- und Betonungsrhythmus bei einer Aussprache wie "Kamilium" gegenüber "Kamillin" bzw "Kamilin" deutlich voneinander ab. Die Bezeichnung "Kamilium" wird bei natürlicher Sprechweise auf der zweiten Silbe, "Kamillin" dagegen regelmäßig auf der Schlußsilbe betont gesprochen werden. Selbst wenn man von einer eher verschliffenen Aussprache der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vokale "i" und "u" in der angegriffenen Marke und demzufolge von einer Annäherung in der Sprechsilbenzahl der Vergleichsbezeichnungen ausgeht, bleibt der Unterschied im Sprech- und Betonungsrhythmus unüberhörbar bestehen. Der allein in der angegriffenen Marke vorhandene Vokallaut "u" tritt im übrigen klanglich trotz seiner Stellung am Wortende relativ auffällig in Erscheinung und bewirkt gegenüber dem Markenwort "Kamillin" der Widerspruchsmarke, das an entsprechender Stelle nur den hellen Vokal "i" enthält, einen deutlichen Kontrast. Diese Abweichungen führen nach Auffassung des Senats in der Summe zu einem ausreichend unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter.

Im schriftbildlichen Vergleich heben sich die Vergleichswörter unter Berücksichtigung der oben dargelegten Kennzeichnungsschwäche des Anfangsbestandteils aufgrund der deutlich abweichenden Buchstaben in den Endungen "Kamilium" und "Kamillin" bzw "KAMILIUM" und "KAMILLIN" in allen üblichen Wiedergabeformen auch im Gesamteindruck ausreichend deutlich voneinander ab. Bei der Beurteilung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr ist zudem zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Schließlich besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter den Gesichtspunkten, daß die Marken begrifflich verwechselt oder gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Soweit eine begriffliche bzw gedankliche Verbindung - und nur dies kommt vorliegend in Betracht - dadurch hergestellt werden sollte, daß durch beide Marken eine Assoziation an den warenbeschreibenden Begriff "Kamille" ausgelöst wird, ist dies unbeachtlich. Denn begriffliche Übereinstimmungen in warenbeschreibenden Angaben bzw dadurch ausgelöste Assoziationen führen regelmäßig nur dazu, daß der Verkehr bei den so gekennzeichneten Waren auf Übereinstimmungen in Bezug auf Art, Beschaffenheit, Bestimmung usw schließt. Vorliegend wird er gleiche Inhaltsstoffe oder eine gleiche Indikation vermuten. Der Verkehr wird aber daraus nicht - und nur dies wäre unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr relevant -, auf eine Herkunft der Waren aus demselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen schließen (vgl BGH GRUR 1999, 731, 733 2. Absatz "CANON II" mit den Ausführungen zu den Markenfunktionen und zur Auslegung des Begriffs der Verwechslungsgefahr). Solche begrifflichen Übereinstimmungen in warenbeschreibenden Angaben sind unter dem Gesichtspunkt der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr insbesondere dann irrelevant, wenn zahlreiche entsprechende Marken verschiedener Markeninhaberin existieren, was hier der Fall ist.

Soweit die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, daß angesichts der zahlreichen, sich an den warenbeschreibenden Begriff "Kamille" anlehnenden Marken aus Gründen der Arzneimittelsicherheit strenge Anforderungen bei neuen Markenanmeldung angelegt werden sollen, kann einer solchen Auffassung nicht beigetreten werden. Zunächst müssen die Inhaber von Marken, die sich mit ihren Markenbildungen sehr deutlich an warenbeschreibende Angaben anlehnen, hinnehmen, daß dies auch Mitkonkurrenten tun, wobei dies natürlich unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Inhaber von Rechten mit besserem Zeitrang, dh unter Einhaltung eines angemessenen Markenabstandes zu geschehen hat. Im Hinblick auf einen anzustrebenden funktionierenden fairen Wettbewerb wäre es auch nicht wünschenswert, wenn das Markenrecht zu einem überzogenen Schutz von Altrechten insbesondere im Bereich der besonders attraktiven beschreibenden bzw sprechenden Marken führen würde und dort neue Wettbewerber praktisch von vorn herein ausgeschlossen wären. Gesichtspunkte der Arzneimittelsicherheit können im übrigen im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren keine Berücksichtigung finden. Sinn und Zweck dieses Verfahrens ist nicht der Verbraucherschutz, sondern der Schutz der Markeninhaber vor unzulässigen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit geschäftlichen Vorgängen und sei es auch nur im Rahmen von Kaufempfehlungen unter Verbrauchern. Dies wird besonders deutlich, wenn die Auswirkungen des Warenabstandes für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach anerkannten markenrechtlichen Grundsätzen (vgl zB BGH GRUR 1993, 118 ff, 119 reSp unter II.3. "Corvaton/Corvasal") betrachtet werden. So ist die markenrechtliche Verwechslungsgefahr dann am größten, wenn die Waren im markenrechtlichen Sinne identisch sind. Dies schließt im Arzneimittelbereich Warenkonstellationen ein, bei denen sich Produkte für identische Indikationsbereiche mit gleichen Wirkstoffen gegenüberstehen. Verwechslungen solcher Waren sind unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit wenig relevant, da gerade in diesen Fällen regelmäßig keine Gefahr für die Gesundheit der Patienten besteht. Umgekehrt wirkt sich ein deutlicher Indikationsabstand markenrechtlich verwechslungsmindernd aus, obwohl gerade hier rein tatsächliche Verwechslungsfälle, insbesondere bei kontraindizierten Arzneimitteln für die Patienten besonders gefährlich sein können.

Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Knoll Pü






BPatG:
Beschluss v. 11.05.2000
Az: 25 W (pat) 156/99


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