Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 31. Mai 2012
Aktenzeichen: 6 U 10/11

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 31.05.2012, Az.: 6 U 10/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in dem vorliegenden Urteil entschieden, dass bei Ansprüchen auf Drittauskunft und Schadensersatz wegen Verletzungshandlungen in anderen Mitgliedstaaten vor einem deutschen Gemeinschaftsmarkengericht die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen dieser Mitgliedsstaaten anwendbar sind. Gemäß der Umsetzungsverpflichtung aus der Durchsetzungsrichtlinie kann es ausreichen, wenn der Kläger Stellungnahmen von Anwälten aus den betroffenen Mitgliedsstaaten vorlegt.

Eine frühere Entscheidung des Senats wurde hinsichtlich eines Teils des Tenors aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zurückgewiesen. Die Klage wurde teilweise zurückgenommen und das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Die Beklagte zu 1) muss die weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil, das Versäumnisurteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 € abwenden, es sei denn, die Klägerin leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, die Beklagte zu 1) leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

Im weiteren Verlauf des Urteils wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Die Klägerin hat Berufung und die Beklagte zu 1) Anschlussberufung eingelegt. Der Senat hat ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu 1) erlassen, das teilweise abgeändert wurde.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Ansprüche aus den Marken der Beklagten berechtigt, da sie wirksam ermächtigt wurde. Die Beklagte zu 1) hat Markenverletzungen begangen, indem sie mit den geschützten Marken gekennzeichnete Originalware in Deutschland angeboten und verkauft hat.

Das Gericht hat auch festgestellt, dass eine Erschöpfung des Verbietungsrechts nicht eingetreten ist. Die Klägerin kann die Beklagte zu 1) auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch nehmen. Die Kosten für die Abmahnung wurden ebenfalls zugesprochen, mit Ausnahme der Kosten für eine weitere Abmahnung, die zu keinem zusätzlichen Nutzen führte.

Die Entscheidung über die Kosten basiert auf den entsprechenden Paragrafen der Zivilprozessordnung. Die Revision wurde nicht zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 31.05.2012, Az: 6 U 10/11


Werden vor einem deutschen Gemeinschaftsmarkengericht Ansprüche auf Drittauskunft und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Verletzungshandlungen in anderen Mitgliedstaaten geltend gemacht, sind hierfür die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen dieser Mitgliedsstaaten anwendbar. Im Hinblick auf die Umsetzungsverpflichtung aus Art. 8, 13 der Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG) kann es für die Ermittlung des ausländischen Rechts ausreichen, wenn der Kläger hierzu Stellungnahmen von Anwälten aus diesen Mitgliedsstaaten vorlegt.

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 9. Februar 2012 wird hinsichtlich Ziffer 5. des Tenors aufgehoben; insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das am 15.12.2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. zurückgewiesen. Im Übrigen wird € nachdem die Klage im Einspruchstermin teilweise zurückgenommen worden ist € das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Die Beklagte zu 1) hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil, das Versäumnisurteil vom 9.2.2012 und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1)vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO). Gegen das Urteil hat die Klägerin € soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden ist € Berufung und die Beklagte zu 1) Anschlussberufung eingelegt. Nach teilweiser Rücknahme der Berufung verfolgt die Klägerin das Klagebegehren, erweitert um die gegen den Vertrieb decodierter Ware gerichteten Ansprüche auch aus der Marke Calvin Klein, in dem Umfang weiter, wie er aus dem nachfolgend wiedergegebenen Tenor des Versäumnisurteils vom 9.2.2012 ersichtlich ist. Zu ihrer Befugnis, aus den nicht für sie eingetragenen Marken gerichtlich vorzugehen, trägt sie unter Vorlage entsprechender Unterlagen ergänzend vor.

Der Senat hat am 9.2.2012 ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu 1) mit folgendem Tenor erlassen:

€Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.12.2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 1) wird über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus weiter wie folgt verurteilt:

1. Der Beklagten zu 1) wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Vorstandsvorsitzenden, untersagt, im geschäftlichen Verkehr

a) Parfums der Gemeinschaftsmarken Nikos, Davidoff, Jil Sander und Calvin Klein in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft einzuführen und/oder dort zu vertreiben oder einfahren oder vertreiben zu lassen, wenn diese nicht von dem Markeninhaber oder von einem Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums erstmals in den Verkehr gebracht worden sind;

b) Parfums der Marken Chopard und Vivienne Westwood in Deutschland einzuführen, dort zu vertreiben oder einführen oder vertreiben zu lassen, wenn diese nicht von dem Markeninhaber oder von einem Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstatt des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums erstmals in den Verkehr gebracht worden sind;

c) Parfums der Gemeinschaftsmarken Davidoff und Calvin Klein in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft einzuführen und/oder dort zu vertreiben oder einführen oder vertreiben zu lassen, bei denen die auf der Unterseite der Verpackung und/oder der Unterseite des Flacons befindlichen Herstellungscodes entfernt oder unkenntlich gemacht worden sind.

2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.920,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. (€)

4. Der Beklagten zu 1) wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Vorstandsvorsitzenden, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr a) Demonstrationsprodukte für Duftwässer der Gemeinschaftsmarken Nikos, Davidoff und Calvin Klein, die mit dem Hinweis €Demonstration€ oder €Tester/Testeur€ oder €not for sale€ oder €vente interdite€ oder €unverkäuflich€ oder durch eine gegenüber dem Original abweichende Umverpackung aus einfachem Karton als unverkäuflich gekennzeichnet sind (sog. Tester) in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft einzuführen, anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder einführen, anbieten, bewerben oder vertreiben zu lassen;

b) Demonstrationsprodukte für Duftwässer der Marke Chopard, die mit dem Hinweis €Demonstration€ oder €Tester/Testeur€ oder €not for sale€oder €vente interdite€ oder €unverkäuflich€ oder durch eine gegenüber dem Original abweichende Umverpackung aus einfachem Karton als unverkäuflich gekennzeichnet sind (sog. Tester) in Deutschland einzuführen, anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder einführen, anbieten, bewerben oder vertreiben zu lassen.

5. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.080,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2010 zu zahlen.

6. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen

a) über die Mengen der ausgelieferten und die von den Käufern gezahlten Preise für Duftwässer der Marken €Davidoff€ in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien, die decodiert sind oder die nicht von dem Markeninhaber oder von einem Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum erstmals in den Verkehr gebracht worden sind;

b) über die Mengen der ausgelieferten und die von den Käufern in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien seit September 2009 gezahlten Preise für Demonstrationsprodukte von Duftwässern der Marken €Calvin Klein€, Nikos und €Davidoff€, die mit dem Hinweis €Demonstration€ oder €Tester/Testeur€ oder €not for sale€ oder €Vente interdite€ oder €unverkäuflich€ oder durch eine gegenüber dem Original abweichende Umverpackung aus einfachem Karton als unverkäuflich gekennzeichnet sind (sog. Tester);

c) über die vollständigen Umsätze und den erzielten Gewinn in Deutschland seit September 2009 mit Demonstrationsprodukten für Duftwässer der Marke Chopard, die mit dem Hinweis €Demonstration€ oder €Tester/Testeur€ oder Not for sale€ oder €Vente interdite€ oder €unverkäuflich€ oder durch eine gegenüber dem Original abweichende Umverpackung aus einfachem Karton als unverkäuflich gekennzeichnet sind (sog. Tester).

7. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) den Markeninhabern Zino Davidoff SA, Calvin Klein Trademark Trust, Nikos GmbH und Chopard Accessoires (Ireland) Limited den Schaden zu erstatten hat, der der jeweiligen Gesellschaft aus den in den Ziffern 1. c) und 6. a) bis c) bezeichneten Verletzungshandlungen in Deutschland, in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien entstanden ist.

Die Anschlussberufung der Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.€

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zu 1) Einspruch eingelegt.

Sie beantragt,

das Versäumnisurteil abzuändern und die Berufung der Klägerin einschließlich der Klageerweiterung um die Marke Calvin Klein zurückzuweisen, auf ihre Anschlussberufung das angefochtene Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.02.2012 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass der mit Ziffer 6. des Tenors des angefochtenen Urteils zugesprochene Anspruch nur in dem Umfang weiterverfolgt wird, als die Beklagte zu 1) Auskunft über die Mengen der ausgelieferten und von den Käufern in Deutschland, in den Niederlanden, in Frankreich und in Großbritannien seit September 2009 gezahlten Preise für die im Tenor genannten Erzeugnisse erteilen soll.

Im Übrigen hat die Klägerin die Klage mit Zustimmung der Beklagten zu 1) zurückgenommen.

Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat € mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom 9.6.2010 (Ziffer 5 des Tenors des Versäumnisurteils vom 9.2.2012 - im zuletzt weiterverfolgten Umfang auch in der Sache Erfolg; dies gilt auch für die als sachdienlich zuzulassende (§ 533 ZPO) Klageerweiterung. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung ist € soweit die Klage nicht im Berufungsverfahren zurückgenommen worden ist € unbegründet.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Ansprüche auch aus den nicht für sie eingetragenen Klagemarken befugt, da sie hierzu seitens der Markeninhaber wirksam ermächtigt worden ist. Die Klägerin hat bezogen auf die einzelnen Marken folgende Erklärungen vorgelegt:

Davidoff:

Bestätigungsschreiben des Herrn A und der Frau B vom 27.9.2010 (Anlage K 39) nebst Vertretungsnachweis für diese Personen (Anlage K 40)

Jil Sander:

Bestätigungsschreiben des Herrn X vom 27.5.2010 (Anlage K 41) nebst Vertretungsnachweis (Anlage K 42)

Nikos:

Bestätigungsschreiben des Herrn C vom 31.5.2010 (Anlage K 43) nebst Vertretungsnachweis (Anlage K 44)

Calvin Klein:

Ermächtigungserklärung der Frau D vom 26.4.2007 (Bl. 40/42 f. d.A.) nebst Vollmacht vom 1.7.2004 (Anlage Bk 24, Bl. 507 f. d.A.).

Chopard:

Bestätigungserklärung der € Accessoires (Ireland) Ltd. (Anlage K 45) nebst Registerauszug vom 6.6.1991 (Anlage Bk 25, Bl. 511 d.A.).

Vivienne Westwood:

Prozessstandschaftserklärung vom 30.5.2011 (Anlage Bk 26, Bl. 512 d.A.).

Die Beklagte zu 1) hat zu diesen Erklärungen und Unterlagen keine konkreten Einwände mehr vorgebracht, so das ihr Bestreiten der Prozessführungsbefugnis € worauf der Senat bereits mit Verfügung vom 13.5.2011 (Bl. 471 ff. d.A.) hat € unwirksam ist.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche wegen Verletzung der deutschen Klagemarken (Chopard, Vivienne Westwood) aus § 14 II Nr. 1 MarkenG und wegen Verletzung der Gemeinschaftsmarken (Lancaster, Joop!, Davidoff, Jil Sander, Calvin Klein, Nikos) aus Art. 9 GMV zu. Die Beklagte zu 1) hat unstreitig mit diesen Marken gekennzeichnete, von der Klägerin bzw. den Markeninhabern stammende Originalware in Deutschland angeboten und vertrieben.

Eine Erschöpfung des Verbietungsrechts aus den Klagemarken (§ 24 MarkenG; Art. 13 GMV) ist jedoch nicht eingetreten, weil die mit den Klagemarken gekennzeichneten Waren nicht vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im Gebiet der Europäischen Union oder des EWR in Verkehr gebracht worden sind (Ziffer 1 a des Tenors des angefochtenen Urteils; Ziffern zu 1 a und b des Tenors des Versäumnisurteils), überhaupt nicht zum Verkauf bestimmt waren (Ziffer 4 a des Tenors des angefochtenen Urteils; Ziffer 4 a und b des Versäumnisurteils) bzw. derart verändert worden sind, dass der Markeninhaber sich dem weiteren Vertrieb mit Recht widersetzen kann (Ziffer 1 c des Versäumnisurteils).

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Beklagte zu 1) in mindestens einem Fall Joop!-Artikel in Deutschland angeboten und verkauft, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im Gebiet der Europäischen Union oder des EWR in Verkehr gebracht worden sind. Der sich daraus ergebende Unterlassungsanspruch erstreckt sich auf gleichartige Verletzungshandlungen bezüglich aller Marken, die die Klägerin über das gleiche Vertriebssystem absetzt (vgl. BGH GRUR 2006, 421 € Markenparfümverkäufe; Tz. 39); dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin selbst Inhaberin dieser Marken oder nur Lizenznehmerin ist (vgl. BGH a.a.O., Tz. 1, wonach auch dieser Entscheidung ein solcher Sachverhalt zugrunde lag).

Weiter hat die Beklagte zu 1) unstreitig sog. Tester der Marken Joop!, Nikos, Davidoff, Calvin Klein und Chopard angeboten und vertrieben, deren Umverpackung als unverkäufliches Muster gekennzeichnet war. An solchen Erzeugnissen tritt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs (GRUR 2010, 723) eine Erschöpfung nicht ein.

Darüber hinaus hat die Beklagte jedenfalls in einem Fall ein Davidoff-Parfumerzeugnis vertrieben, auf welchem die nach § 4 KosmetikVO vorgeschriebene Herstellungsnummer entfernt worden war. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 8.9.2011 unter Bezugnahme auf den Inhalt der bereits mit der Klageschrift vorgelegten Abmahnung vom 12.7.2007 (Anlage K 7, Bl. 66 d.A.) klargestellt, dass es sich bei der entfernten Nummer um die Herstellungsnummer nach der KosmetikVO gehandelt hat.

Dem ist die Beklagte zu 1) nicht substantiiert entgegengetreten; das einfache Bestreiten des Sachvortrags der Klägerin zu diesem Punkt (S. 2 des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 22.11.2011; Bl. 718 d.A.) reicht insoweit nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2002, 709 € Entfernung der Herstellungsnummer III) kann sich der Markeninhaber der Entfernung der Herstellungsnummer nach § 4 KosmetivVO in jedem Fall widersetzen (§ 24 II MarkenG; Art. 13 II GMV). Schließlich hat die Klägerin mit der Berufungsbegründung eine von der Beklagten zu 1) vertriebene Calvin Klein-Verpackung (Anlage Bk 2; Bl. 405 d.A.) vorgelegt, auf der die Herstellungsnummer in gleicher Weise beseitigt worden ist.

Die Klägerin kann die Beklagte zu 1) wegen der begangenen Markenverletzungen auf Unterlassung in Anspruch nehmen (§ 14 V MarkenG, Art. 102 GMV), wobei der Verbotsausspruch € soweit die Gemeinschaftsmarken betroffen sind € auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union erstreckt werden kann (vgl. EuGH GRUR 2011, 518).

Die Ansprüche auf Auskunft über Mengen und Preise der ausgelieferten Verletzungsgegenstände (Ziffer 6 b des Tenors des angefochtenen Urteils in dem nach teilweiser Klagerücknahme weiterverfolgten Umfang; Ziffer 6 des Tenors des Versäumnisurteils) sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (Ziffer 7 des Tenors des angefochtenen Urteils; Ziffer 7 des Tenors des Versäumnisurteils) folgen hinsichtlich der verletzten deutschen Marken und hinsichtlich der verletzten Gemeinschaftsmarken € soweit Verletzungshandlungen in Deutschland betroffen sind - aus §§ 14 VI, 19 MarkenG. Soweit die auf die Gemeinschaftsmarken gestützten Anträge auch Verletzungshandlungen in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien erfassen, ergeben sich die Ansprüche aus den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen (zur Anwendbarkeit des jeweiligen nationalen Rechts für dieser Fragen vgl. BGH GRUR 2008, 254 € THE HOME STORE; Tz. 41 ff.). Die genannten Staaten sind gemäß Art. 8 und 13 der Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG) ohnehin verpflichtet, Regelungen über den € selbstständigen - Auskunftsanspruch sowie über die Leistung von Schadensersatz nach Schutzrechtsverletzungen zu treffen. Unter diesen Umständen reichen die von der Klägerin vorgelegten und im Einzelnen erläuterten Stellungnahmen von Anwälten aus den genannten Staaten, denen zufolge solche Regelungen in diesen Staaten bestehen (für Frankreich: Stellungnahme der Kanzlei E Associés vom 31.8.2011, Anlage Bk 29, Bl. 627 ff. d.A.; für das Vereinigte Königreich: Stellungnahme der Kanzlei F vom 23.8.2011, Anlage Bk 30, Bl. 634 d.A.; für die Niederlande: Stellungnahme der Kanzlei G vom 23.8.2011, Anlage Bk 31, Bl. 642 d.A.), als Grundlage für die Beurteilung des ausländischen Rechts aus. Insbesondere hat auch die Beklagte zu 1) keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass und aus welchen Gründen die in den genannten Stellungnahmen enthaltenen Ausführungen unzutreffend sein sollten.

Die in Ziffern 2 und 5 des Tenors des angefochtenen Urteils und Ziffer 2 des Tenors des Versäumnisurteils zuerkannten Ansprüche auf Ersatz von Abmahnkosten ergeben sich aus den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 BGB).

Mit Recht abgewiesen hat das Landgericht dagegen die auf Erstattung der Kosten für die weitere Abmahnung vom 9.6.2010 in Höhe von 2.080,50 € gerichtete Klage (Ziffer 5 des Tenors des Versäumnisurteils). Die Abmahnung war nicht erforderlich, weil die damit geltend gemachten Ansprüche € und zwar bezüglich aller in der Abmahnung aufgeführten Marken € zum Zeitpunkt der Abmahnung bereits Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren, so dass die Abmahnung ihre Funktion, der Beklagten zu 1) die Möglichkeit zu verschaffen, einen Rechtsstreit zu vermeiden, nicht erfüllen konnte. In diesem Umfang war die Berufung der Klägerin daher unter Aufhebung des Versäumnisurteils zurückzuweisen.

Die bereits im Versäumnisurteil getroffene Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 I, 516 III 2 ZPO. Die durch den Einspruch entstandenen weiteren Kosten hat die Beklagte zu 1) zu tragen; soweit der Einspruch Erfolg hatte und die Klage nach dem Einspruch teilweise zurückgenommen worden ist, findet die Regelung des § 92 II ZPO Anwendung.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 31.05.2012
Az: 6 U 10/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1b7d266ddccd/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_31-Mai-2012_Az_6-U-10-11




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