Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 178/03

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2006, Az.: 29 W (pat) 178/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 1. Februar 2006 (Aktenzeichen 29 W (pat) 178/03) den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Mai 2003 aufgehoben.

In dem Fall ging es um die Wortmarke "POLIZEI", die für verschiedene Waren und Dienstleistungen angemeldet wurde. Die Markenstelle hatte die Anmeldung abgelehnt, da sie die Marke als sachbeschreibende und nicht unterscheidungskräftige Angabe angesehen hat. Sie sah in der Marke lediglich einen Hinweis darauf, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen für die Polizei geeignet seien oder von der Polizei angeboten werden.

Die Anmelderin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und das Verzeichnis im Beschwerdeverfahren auf die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 (Registrierkassen, Rechenmaschinen, Brillen), 16 (Papier, Pappe, Schreibwaren) und 38 (E-Mail-Datendienste) eingeschränkt.

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde als zulässig und in der Sache begründet angesehen. Für die noch verhandelten Waren und Dienstleistungen sei die angemeldete Marke weder als beschreibende Angabe noch aufgrund fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen.

Das Gericht führte dazu aus, dass eine Marke Unterscheidungskraft besitzen muss, also die konkrete Eignung haben muss, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens erkannt zu werden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft orientiert sich dabei sowohl an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen als auch an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise.

Im vorliegenden Fall konnte das Gericht keine fehlende Unterscheidungskraft feststellen. Das Wort "Polizei" wird sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen verwendet. Es handelt sich nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Waren und Dienstleistungen, für die die Marke beantragt wurde, keinen unmittelbaren Sachzusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit der Polizei haben. Sie werden zwar gelegentlich von der Polizei verwendet, zählen aber nicht zu den typischen Ausrüstungsgegenständen. Daher besteht die Marke nicht nur aus einem reinen Sachhinweis auf die Zweckbestimmung der Waren bzw. den Anbieter der Dienstleistungen. Auch die Dienstleistung der E-Mail-Datendienste zählt nicht zum hoheitlichen Aufgabenbereich der Polizei.

Darüber hinaus besteht kein Freihaltebedürfnis für die Bezeichnung "Polizei" nach dem Markengesetz. Denn die Marke weist für die noch verhandelten Waren und Dienstleistungen keinen unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt auf. Es ist nicht erkennbar, welche Merkmale oder Eigenschaften mit der Bezeichnung "Polizei" konkret beschrieben werden könnten. Ein Bedürfnis, diese Bezeichnung freizuhalten, besteht daher nicht.

Aufgrund dieser Gründe hat das Bundespatentgericht den Beschluss der Markenstelle aufgehoben und die Eintragung der Marke "POLIZEI" für die noch verhandelten Waren und Dienstleistungen zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 01.02.2006, Az: 29 W (pat) 178/03


Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Mai 2003 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke POLIZEI wurde für verschiedene Waren und Dienstleistungen zur Eintragung in das Register angemeldet.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 23. Mai 2003 als sachbeschreibende und nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Die angemeldete Marke weise lediglich darauf hin, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen für die Polizei geeignet seien bzw. von der Polizei angeboten oder erbracht würden.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und das Verzeichnis im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingeschränkt auf die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

Registrierkassen, Rechenmaschinen, Brillen;

Klasse 16:

Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Schreibwaren; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel);

Klasse 38:

E-Mail-Datendienste.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die Beschwerde ist nach § 165 Abs. 4 i. V. m. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und auch in der Sache begründet. Für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ist die angemeldete Marke weder als beschreibende Angabe noch auf Grund fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG).

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard m. w. N.). Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 27 ff. - BioID). Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren. Die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke nur dann, wenn das Zeichenwort eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom angesprochenen Publikum stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 - YES; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Dies ist für die nach der Einschränkung des Verzeichnisses verbleibenden Waren und Dienstleistungen nicht der Fall.

1.1. Der Begriff "Polizei" bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch sowohl die staatliche Sicherheitsbehörde als auch die einzelnen Polizeiangehörigen (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003 [CD-ROM]). Für Waren, die bei der hoheitlichen Tätigkeit der Polizei unmittelbar zum Einsatz kommen und die Präsenz der Polizei als Sicherheitsbehörde signalisieren oder Dienstleistungen, die von der Polizei in Ausübung hoheitlicher Aufgaben erbracht werden, erschöpft sich das Wort "Polizei" daher in dem reinen Sachhinweis auf die Zweckbestimmung der Waren bzw. den Anbieter der Dienstleistungen.

1.2. Hinsichtlich der Waren "Registrierkassen, Rechenmaschinen, Brillen; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Schreibwaren; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel)" fehlt es an einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit der Polizei. Diese Waren können zwar in Ausübung hoheitlicher Aufgaben verwendet werden, sind aber insoweit reine Hilfsmittel und zählen damit nicht zu den polizeitypischen Ausrüstungsgegenstände. Die Annahme, der Verkehr erfasse das angemeldete Zeichen in Verbindung mit den genannten Waren als unmittelbaren Sachhinweis auf Brillen, Büromaschinen, Papier- und Schreibwaren für den Polizeibedarf ist fern liegend, so dass dem Zeichen die Eignung als betriebliches Unterscheidungsmittel zu wirken nicht abgesprochen werden kann. Entsprechendes gilt für die Dienstleistung der E-Mail-Datendienste. Da die Erbringung technischer Kommunikationsdienstleistungen nicht zum hoheitlichen Aufgabenbereich der Polizei zählt, wird der Verkehr in dem Zeichen keinen Hinweis auf die Polizei als Anbieter von E-Mail-Diensten erkennen. Ebenso wenig lässt sich dem Zeichen ein inhaltsbeschreibender Aussagegehalt zuordnen, denn der Senat hat nicht feststellen können, dass E-Mail-Datendienste üblicherweise ihrem thematischen Inhalt nach beschrieben werden (vgl. 29 W (pat) 146/01 - family matters).

2. An dem Zeichen besteht auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Nach der genannten Vorschrift sind die Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dieses Schutzhindernis besteht auch dann, wenn eine Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Insoweit bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige beschreibende Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 97 - POSTKANTOOR; GRUR 2004, 680, Rn. 38 - BIOMILD; BGH GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe Z; GRUR 2005, 578, 581 - LOKMAUS). Da die angemeldete Marke für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keinen unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt aufweist, ist nicht erkennbar, welche Merkmale oder Eigenschaften mit der Bezeichnung "Polizei" konkret beschrieben werden könnten. Ein Bedürfnis diese Bezeichnung für den Geschäftsverkehr als Sachangabe freizuhalten, ist damit nicht ersichtlich.






BPatG:
Beschluss v. 01.02.2006
Az: 29 W (pat) 178/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/14e2da654bc7/BPatG_Beschluss_vom_1-Februar-2006_Az_29-W-pat-178-03




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