Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Januar 2001
Aktenzeichen: 5 W (pat) 401/00

(BPatG: Beschluss v. 17.01.2001, Az.: 5 W (pat) 401/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2001 (Aktenzeichen 5 W (pat) 401/00) die Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen. Die Antragsgegnerinnen sind Inhaber eines Gebrauchsmusters, das eine Vorrichtung zum Entfernen einer in biologisches Gewebe implantierten Leitung betrifft. Die ursprünglich eingereichten Schutzansprüche wurden geändert und neue Figuren und eine neue Beschreibung nachgereicht. Die Antragstellerin hat daraufhin einen Löschungsantrag gestellt, da der Gegenstand des Gebrauchsmusters über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe.

Das Bundespatentgericht kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters tatsächlich über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe. Insbesondere sei das zweite kennzeichnende Merkmal des eingetragenen Schutzanspruchs, dass das aufweitbare Element einen proximalen Abschnitt aufweist, der stärker als sein distaler Abschnitt gezielt aufweitbar ist, in den ursprünglichen Unterlagen nicht zu finden. Die von den Antragsgegnerinnen angeführten Ausführungsbeispiele könnten die Lehre des Schutzanspruchs nicht plausibel machen. Eine Streichung der unzulässigen Erweiterungen und eine Beschränkung auf die verbliebenen Ausführungsbeispiele sei nicht möglich.

Das Bundespatentgericht weist die Beschwerde der Antragsgegnerinnen daher zurück und legt die Kosten des Beschwerdeverfahrens den Antragsgegnerinnen auf. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts ist rechtskräftig.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.01.2001, Az: 5 W (pat) 401/00


Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 10. September 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Anragsgegnerinnen.

Gründe

I Die Antragsgegnerinnen sind Inhaber des als Abzweigung aus der EP-Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen EP 89 311 373.8 am 29. Oktober 1996 beim Deutschen Patentamt eingereichten und am 10. April 1997 unter der Bezeichnung Vorrichtung zum Entfernen einer länglichen in biologisches Gewebe implantierten Strukturmit achtzehn Schutzansprüchen in die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters 89 16 278.

Für die dem Streitgebrauchsmuster zugrundeliegende, am 2. November 1989 beim Europäischen Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist die Priorität von vier Voranmeldungen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 9. November 1988 17. Januar 1989 3. Mai 1989 9. Juni 1989

(US 269,771)

(US 298,100)

(US 347,217)

(US 363,960)

in Anspruch genommen.

Die der Eintragung zugrundeliegenden Schutzansprüche haben die Antragsgegnerinnen am 22. Januar 1997 einschließlich einer neuen Beschreibung und neuer Figuren nachgereicht.

Sie lauten:

1. Vorrichtung zum Entfernen einer in biologischem Gewebe implantierten Leitung, welche eine spiralförmige Wendel mit einem sich durch diese längs erstreckenden Lumen aufweist, wobei die Vorrichtung aufweist:

eine zum Einführen in das Lumen angeordnete und ausgebildete Betätigungseinrichtung;

ein aufweitbares Element zum Herstellen einer Mitnahmeverbindung zwischen der Betätigungseinrichtung und der spiralförmigen Wendel mittels Aufweitung des aufweitbaren Elementes, dadurch gekennzeichnet, daß die Betätigungseinrichtung im Bereich des distalen Endes des aufweitbaren Elementes angeordnet und am distalen Abschnitt des aufweitbaren Elementes, welches diesen umgibt, befestigt ist; unddaß das aufweitbare Element einen proximalen Abschnitt aufweist, welcher zum Herstellen der Mitnahmeverbindung an einer gewünschten Stelle zwischen der Betätigungseinrichtung und der spiralförmigen Wendel stärker als sein distaler Abschnitt gezielt aufweitbar ist.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der distale Endbereich der Betätigungseinrichtung mit dem distalen Endbereich des aufweitbaren Elements kraftschlüssig verbunden ist.

3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das aufweitbare Element aus verformbarem Material gebildet ist.

4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin ein Rohr aufweist, das in das Lumen der spiralförmigen Wendel einführbar ist und durch welches sich die Betätigungseinrichtung erstreckt, wobei an dessem distalen Ende das aufweitbare Element bei einer Relativverschiebung der Betätigungseinrichtung in Richtung auf das Rohr abstützbar ist.

5. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß mittels dem Ende des Rohres eine Kraft auf das aufweitbare Element ausübbar ist, um dieses aufzuweiten.

6. Vorrichtung nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß das distale Ende des Rohrs angeschrägt ist.

7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Betätigungseinrichtung an ihrem distalen Ende eine vergrößerte Spitze bzw. einen Kopf aufweist mit einem Durchmesser, der geringfügig kleiner als der Innendurchmesser des Lumens bzw. dem Durchmesser des Rohres angenähert ist.

8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß das aufweitbare Element zwischen der vergrößerten Spitze bzw. dem Kopf und dem Rohr angeordnet ist.

9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß das aufweitbare Element geschlitzt ist.

10. Vorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß das aufweitbare Element eine diagonal geschlitzte Hülse ist.

11. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung wenigstens ein erstes Rohr umfaßt, welches um eine Länge der Leitung angeordnet werden kann, um die Leitung von dem Gewebe zu trennen, wenn die Betätigungseinrichtung an der Leitung angebracht ist.

12. Vorrichtung nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin noch ein zweites Rohr umfaßt, welches um das erste Rohr herum angeordnet werden und mit diesem betätigt werden kann, um das Gewebe von der Leitung zu trennen.

13. In biologischem Gewebe implantierbare Leitung, die eine spiralförmige Wendel mit einem sich durch diese längs erstreckenden Lumen aufweist, in Kombination mit einer Vorrichtung zu ihrer Entfernung, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung eine zum Einführen in das Lumen angeordnete und ausgebildete Betätigungseinrichtung und ein aufweitbares Element aufweist, mittels dem durch Aufweitung eine Mitnahmeverbindung zwischen der Betätigungseinrichtung und der spiralförmigen Wendel herstellbar ist, daß die Betätigungseinrichtung im Bereich des distalen Endes des aufweitbaren Elementes angeordnet und am distalen Abschnitt des aufweitbaren Elements, welches diesen umgibt, verbunden ist; unddaß das aufweitbare Element einen proximalen Abschnitt aufweist, welcher zum Herstellen der Mitnahmeverbindung an einer gewünschten Stelle zwischen der Betätigungseinrichtung und der spiralförmigen Wendel stärker als sein distaler Abschnitt gezielt aufweitbar ist.

14. Leitung nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß der Außendurchmesser des aufweitbaren Elements in unaufgeweitetem Zustand ein vorbestimmtes, nur geringfügig kleineres Maß aufweist als der Innendurchmesser der spiralförmigen Wendel.

15. Leitung nach Anspruch 13 oder 14, dadurch gekennzeichnet, daß der Außendurchmesser des aufweitbaren Elements um etwa 1/1000 englische Zoll (0,00254 cm) kleiner ist als der Innendurchmesser der spiralförmigen Wendel.

16. Leitung nach einem der Ansprüche 13 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß der Durchmesser der sich entlang des Lumens der spiralförmigen Wendel erstreckenden Betätigungseinrichtung etwa zwischen 9/1000 und 15/1000 englischen Zoll (zwischen 0,02286 und 0,0381 cm) für Leitungen mit einem Innendurchmesser der spiralförmigen Wendel von etwa 16/1000 bis 28/1000 englische Zoll (0,04064 bis 0,07112 cm) aufweist.

17. Leitung nach einem der Ansprüche 13 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß der Außendurchmesser des aufweitbaren Elements in unaufgeweitetem Zustand etwa zwischen 15/1000 und 27/1000 englischen Zoll (zwischen 0,0381 und 0,06858 cm) für Leitungen mit einem Innendurchmesser der spiralförmigen Wendel von etwa 16/1000 bis 28/1000 englische Zoll (0,04064 bis 0,07112 cm) aufweist.

18. Leitung nach einem der Ansprüche 13 bis 17, gekennzeichnet durch die kennzeichnenden Merkmale wenigstens eines der Ansprüche 2 bis 12.

Die ursprünglich eingereichten Schutzansprüche lauten:

1. Vorrichtung zum Entfernen einer länglichen Struktur (204) aus biologischem Gewebe, wobei die Vorrichtung eine Mandrinanordnung (stylet arrangement) (200, 205; 2801) umfaßt, welche in einen longitudinalen Durchgang (210) innerhalb der Struktur über das proximale Ende (221) der letztgenannten eingeführt werden kann, wobei die Mandrinanordnung einen ersten Abschnitt (200; 2802) umfaßt, welcher in der Lage ist, im wesentlichen über die Länge der Struktur eingeführt zu werden, und wobei ein zweiter Abschnitt (205; 2804-2809) davon sich wenigstens entlang eines Bereiches des ersten Abschnitts, entfernt von dessen proximalem Ende befindet, und der zweite Abschnitt benutzt werden kann, um einen ausreichenden seitlichen Druck auf die Struktur auszuüben, um es durch Mittel, welche den ersten Abschnitt einschließen, zu ermöglichen, daß diese aus dem biologischen Gewebe entfernt werden kann, dadurch gekennzeichnet, daß

der zweite Abschnitt nach außen dehnbar ist und eine Vielzahl von seitlichen Kräften auf die Struktur an Stellen ausüben kann, welche wenigstens von dem proximalen Ende des ersten Abschnitts entfernt liegen, um den ausreichenden seitlichen Druck zur Verfügung zu stellen.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der zweite Abschnitt eine dehnbare Einheit (205; 1004; 1102; 1103; 1204; 1304; 1405; 1506; 1605; 1704; 1806; 2003; 2804-2809) umfaßt, die an einem Ende an dem ersten Abschnitt angeordnet ist und die nach außen in dem longitudinalen Durchgang dehnbar ist, um in die längliche Struktur einzugreifen, um den ersten Abschnitt an der länglichen Struktur anzubringen.

3. Vorrichtung nach Anspruch 2, weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß die dehnbare Einheit eine Drahtspirale (205; 2804-2809) aufweist, deren distales Ende ungefähr an oder nahe dem distalen Ende des ersten Abschnitts angeordnet ist und deren proximales Ende einen Fangdraht (250; 2306; 2806-2808) aufweist, welcher sich davon ausgehend dehnt, um das proximale Ende (253; 2806-2808) während der Ausdehnung der Drahtspirale anzubringen.

4. Vorrichtung nach Anspruch 3, weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß ein proximales Ende (253) des Fangdrahtes so angeordnet ist, daß es sich aus dem longitudinalen Durchgang nach außen hin ausdehnt, um das proximale Ende der Drahtspirale anzubringen, wenn sie in den longitudinalen Durchgang eingeführt wird.

5. Vorrichtung nach Anspruch 3 weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß ein proximales Ende (2807) des Fangdrahtes darauf zurückgefaltet ist, um den Fangdraht in die längliche Struktur eingreifen zu lassen.

6. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin einen Kontrollmechanismus (254) umfaßt, welcher ungefähr an einem proximalen Ende des ersten Abschnitts angeordnet ist, um den zweiten Abschnitt zu dehnen und um die längliche Struktur aus dem Gewebe zu entfernen, wenn der erste Abschnitt an der länglichen Struktur angebracht ist.

7. Vorrichtung nach Anspruch 1, oder einem davon abhängigen Anspruch dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin ein Verbindungsstück (241) umfaßt, welches ungefähr an einem proximalen Ende der länglichen Struktur angebracht ist, nachdem der erste Abschnitt in den longitudinalen Durchgang eingeführt und an der länglichen Struktur angebracht wurde.

8. Vorrichtung nach Anspruch 1, oder einem davon abhängigen Anspruch dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin ein erstes Rohr (2402) umfaßt, welches um eine Länge der länglichen Struktur angeordnet werden kann, um die längliche Struktur von dem Gewebe zu trennen, wenn der erste Abschnitt an der länglichen Struktur angebracht ist.

9. Vorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin noch ein zweites Rohr (2405) umfaßt, welches um das erste Rohr herum angeordnet werden und mit diesem betätigt werden kann, um das Gewebe von der länglichen Struktur zu trennen.

10. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung weiterhin sich gegenüberliegende Backen (223, 224) umfaßt, die angeordnet sind, um die längliche Struktur ungefähr an deren proximalem Ende zu greifen und deren Bewegung zu beschränken, und drehbar verbundene längliche Elemente (233, 234), um die Backen zwischen einer offenen und einer geschlossenen Stellung zu bewegen.

11. Verfahren zum Entfernen einer länglichen Struktur aus biologischem Gewebe, in welchem biologische Adhäsion(en) an die Struktur aufgetreten sein können, wobei das Verfahren die Einführung einer Mandrinanordnung (stylet arrangement) in und entlang einem longitudinalen Durchgang in der Struktur über ein proximales Ende der letzteren umfaßt, wobei die Einführung ausreichend ist, um sich wenigstens bis zu einer Stelle, entfernt von dem proximalen Ende zu erstrecken und zu bewirken, daß ein Abschnitt der Mandrinanordnung entfernt von dem proximalen Ende eine Kraft auf die Struktur ausübt, um es dieser zu ermöglichen, aus dem biologischen Gewebe entfernt zu werden, durch Ausüben einer Entfernungskraft auf die Mandrinanordnung, dadurch gekennzeichnet, daß

die Kraft eine multidirektionale Kraft ist, welche wenigstens an Stellen auf die Struktur ausgeübt wird, die distal zu der(n) biologischen Adhäsion(en), welche am weitesten entfernt von dem proximalen Ende liegen, um das Entfernen zu erleichtern.

12. Verfahren nach Anspruch 11, weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß das Verfahren weiterhin Trennen einer Länge der länglichen Struktur mit einem ersten röhrenförmigen Element, welches um die Länge der länglichen Struktur herum angeordnet ist und an ihr entlang bewegt wird, wenn die Mandrinanordnung eine Kraft auf die Struktur an Stellen ausübt, welche wenigstens distal zu der(n) Adhäsion(en) liegen.

13. Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß das Trennen ein Anbringen eines zweiten röhrenförmigen Elements um das erste röhrenförmige Element und die längliche Struktur herum sowie abwechselndes Bewegen des ersten und zweiten Elements entlang der Länge der länglichen Struktur umfaßt.

14. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß das Verfahren weiterhin ein Anbringen eines ersten röhrenförmigen Elements um die längliche Struktur herum umfaßt, und Ausdehnen des ersteren bis zu dem distalen Ende der länglichen Struktur und Entfernen des distalen Endes der länglichen Struktur aus dem biologischen Gewebe mit dem ersten röhrenförmigen Element und der Mandrinanordnung.

15. Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, daß das Verfahren weiterhin ein Anbringen eines zweiten röhrenförmigen Elements um das erste Element und die längliche Struktur herum umfaßt, und Erstrecken des zweiten röhrenförmigen Elements bis zu dem distalen Ende der länglichen Struktur und Entfernen des distalen Endes der länglichen Struktur aus dem biologischen Gewebe in Zusammenarbeit mit dem ersten röhrenförmigen Element.

In ihrem am 31. Dezember 1997 eingereichten Löschungsantrag hat die Antragstellerin unter Hinweis auf die US 4 574 800 geltend gemacht, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters nach §§ 1 bis 3 GebrMG nicht schutzfähig sei und zudem über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgehe, in der diese ursprünglich eingereicht worden sei.

Die Antragsgegnerinnen haben dem Löschungsantrag fristgerecht widersprochen.

Auf den Hinweis, daß das Gebrauchsmuster zum Zeitpunkt der Einreichung des Löschungsantrags bereits abgelaufen war, ist die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13. Februar 1998 unter Bezugnahme auf eine gegen sie aus dem Gebrauchsmuster anhängige Klage auf Schadensersatz auf einen Antrag, die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters rückwirkend festzustellen, übergegangen.

In einem Zwischenbescheid hat die Gebrauchsmusterabteilung erklärt, daß das Streitgebrauchsmuster in seiner eingetragenen Fassung unzulässige Abänderungen enthalte, und daß die Schutzansprüche 1 und 13 dem Fachmann keine klare technische Lehre vermittelten. Die Antragsgegnerin hat sodann das Gebrauchsmuster nur noch im Umfang der Schutzansprüche 1, 3 bis 16 und 18 verteidigt.

Mit Beschluß vom 28. Juni 1999 hat die Gebrauchsmusterabteilung I festgestellt, daß das Gebrauchsmuster von Anfang an unwirksam war, weil sich das im eingetragenen Schutzanspruch 1 enthaltene zweite kennzeichnende Merkmal,

"daß das aufweitbare Element einen proximalen Abschnitt aufweist, welcher ... stärker als sein distaler Abschnitt gezielt aufweitbar ist", in der ursprünglichen Fassung der Gebrauchsmusteranmeldung inhaltlich weder in den Schutzansprüchen noch in der Beschreibung einschließlich der anhand zahlreicher Figuren dargestellten Ausbildungsformen finde.

Gegen diesen Beschluß haben die Antragsgegnerinnen Beschwerde eingelegt.

Sie tragen vor, daß das zweite kennzeichnende Merkmal zumindest einer Reihe von ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispielen entnehmbar sei. Sie verweisen dazu auf die Ausführungsbeispiele nach den ursprünglichen Figuren 1 (gleich der eingetragenen Fig 1), 6, 7, 15 und 16. Auch das Ausführungsbeispiel nach der eingetragenen Figur 4 (urspr. Fig 10) zeige dieses im Merkmal angegebene Verhalten.

Insbesonders hinsichtlich der Ausführungsform nach Figur 1 mit einer Drahtspirale als aufweitbarem Element erläutern die Antragsgegnerinnen anhand von vorgelegten Zeichnungen, daß sich die Drahtspirale beim Beaufschlagen mit einer (gegen den Wickelsinn gerichteten) Torsionskraft von ihrem distalen Befestigungspunkt am Betätigungsdraht her zu ihrem proximalen Ende hin zunehmend aufweite und zunehmend in die Zwischenräume der spiralförmigen Wendel der implantierten Leitung eindringe. Daher trete insgesamt eine kegelförmige Erweiterung der Drahtspirale zu ihrem proximalen Ende hin auf, die beim Anlegen einer Zugkraft am Betätigungsdraht zu einer schräg nach außen gerichteten Keilkraft auf die zu extrahierende Wendel führe.

Die Antragsgegnerinnen machen des weiteren geltend, daß die Drahtspirale nach Figur 1 wie auch die aufweitbaren Elemente nach den Figuren 7 und 10 (eingetr. Fig 4) sich an ihrem distalen Abschnitt, mit dem sie am Betätigungsdraht befestigt sind, zunächst überhaupt nicht und dann allenfalls nur wenig aufweiten könnten, so daß die gewünschte Aufweitung nur im proximalen Abschnitt erfolge. Dies genüge bereits der Lehre des zweiten kennzeichnenden Merkmals des Schutzanspruchs 1.

Von der Verteidigung des Gebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 13 bis 18 haben sie in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

Die Antragsgegnerinnen stellen den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Feststellungssantrag im verteidigten Umfang zurückzuweisen.

Die Antragsstellerin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin widerspricht dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen in allen Punkten, insbesondere auch hinsichtlich der Wirkungsweise der Drahtspirale nach Figur 1.

II Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Denn der Feststellungsantrag der Antragsstellerin ist im Hinblick auf den in einem vor dem OLG Düsseldorf anhängigen Verletzungsverfahren gegen sie aus dem Streit-Gebrauchsmuster gerichteten Schadensersatzanspruch zulässig und in der Sache begründet. Soweit das Gebrauchsmuster nicht mehr verteidigt wird, folgt dies aus § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG. Im übrigen ist der geltend gemachte Feststellungsantrag auf der Grundlage des § 15 Abs 1 Nr 3 GebrMG begründet.

1. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters geht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist.

Die mit dem eingetragenen Schutzanspruch 1 beanspruchte Vorrichtung soll nach dem Oberbegriff des Schutzanspruchs 1 eine Betätigungseinrichtung zum Einführen in das Lumen der zu entfernenden spiralförmigen Wendel der implantierten Leitung undein aufweitbares Element zum Herstellen einer Mitnahmeverbindung zwischen der Betätigungseinrichtung und der spiralförmigen Wendel durch dessen Aufweitungaufweisen.

Schon der Begriff Betätigungseinrichtung ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht zu finden. Nach dem ursprünglich eingereichten Schutzanspruch 1 ist dazu eine Mandrinanordnung vorgesehen, die sich über die gesamte Länge der implantierten Leitung erstreckt, und die je nach Ausführungsbeispiel allein aus einem Mandrin(draht) oder aus einem Kontrollrohr und einem wiederum in diesem angeordeneten Betätigungsstab besteht.

Wenn die nunmehr beanspruchte Betätigungseinrichtung gleich dieser ursprünglich beanspruchten Mandrinanordnung gesetzt wird und das aufweitbare Element gleich deren ursprünglich beanspruchtem, "nach außen dehnbarem Abschnitt", besteht insoweit wenigstens noch eine funktionelle Übereinstimmung zwischen dem Gegenstand des Oberbegriffs des eingetragenen und dem des ursprünglichen Schutzanspruchs 1.

Die mit dem eingetragenen Schutzanspruch 1 beanspruchte Vorrichtung soll sich jedoch dadurch auszeichnen, daß die Betätigungseinrichtung i m B e r e i c h d e s d i s t a l e n E n d e s des aufweitbaren Elementes angeordnet und am distalen Abschnitt des aufweitbaren Elementes, welches diesen umgibt, befestigt ist.

Eine Betätigungseinrichtung die - nur - im Bereich des distalen Endes des aufweitbaren Elementes angeordnet ist, ist aber den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen. Denn dies steht im Widerspruch zur ursprünglich offen offenbarten Mandrinanordnung und ihrer Funktion.

Des weiteren soll sich der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 noch dadurch auszeichnen, daß das aufweitbare Element einen proximalen Abschnitt aufweist, welcher zum Herstellen der Mitnahmeverbindung an einer gewünschten Stelle zwischen der Betätigungseinrichtung und der spiralförmigen Wendel stärker als sein distaler Abschnitt gezielt aufweitbar ist.

Die Antragsgegnerinnen wollen darunter insbesondere verstanden wissen, daß das aufweitbare Element sich zu seinem proximalen Ende hin aufweitet und dadurch im wesentlichen eine formschlüssige, sich verkeilende Verbindung mit der Wendel der implantierten Leitung herstellt.

Daß ein solches Verhalten den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmbar ist, hat der Senat bereits im Beschluß vom 18. Oktober 2000 zur Sache 5 W (pat) 443/99 ausgeführt, deren Gegenstand wie auch der vorliegende aus der EP 89 311 373.8 abgezweigt ist. Auf die hierzu relevanten, den beiden Parteien als Beteiligten bekannten Ausführungen in jenem Beschluß wird Bezug genommen (s S 14 le Abs bis S 16 Abs 2).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen ist das besagte Merkmal nicht aus den ursprünglichen Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1, 6, 7, 15 und 16 herleitbar.

Damit bei der Vorrichtung nach Figur 1 nach dem Anlegen einer gegen den Wicklungssinn der Spirale gerichteten Torsionskraft mittels des Mandrins an deren distalem Ende überhaupt ein Aufweiten der Spirale beginnt, muß diese an irgend einer Stelle z.B. durch Unstetigkeiten im Durchmesser oder durch axiale Krümmung ihr Spiel zur Wendel überwinden, um mit dieser in Reibungskontakt zu gelangen. Nur wenn die Haftreibung größer ist als der relevante Anteil der hier anliegenden Torsionskraft, beginnt sich die Spirale von dieser Stelle aus in distaler Richtung mit zunehmender Torsionskraft an die Wendel anzulegen.

Dabei baut sich in der Spirale aufgrund ihrer Elastizität zunehmend eine der Torsionskraft entgegenwirkende Gegenkraft auf, bis die Spirale an der Wendel anliegt und sich nicht weiter ausdehnen kann. Eine weitere Steigerung der Torsionskraft verstärkt danach nur noch die daraus resultierende Haftreibung. Diese Gegenkraft vermindert letztlich vom distalen Ende her kontinuierlich die ein- und weitergeleitete Torsionskraft ebenso wie die innere Reibung der Spirale.

Auch die über die Länge der Spirale aus der Torsionskraft erzeugte Haftreibungskraft wirkt der Torsionskraft entgegen und vermindert diese kontinuierlich von ihrem distalen Einbringungspunkt her. Damit nimmt aber wiederum auch die von der Torsionskraft bewirkte verteilte Haftreibung kontinuierlich vom distalen Ende her ab. Das kann bei großem Haftreibungskoeffizienten und/oder großer Länge der Spirale dazu führen, daß proximale Abschnitte der Spirale mehr oder weniger völlig spannungsfrei sind werden und nicht - mehr - an der Wendel anliegen.

Bei dieser Vorrichtung ist somit der proximale Abschnitt der Spirale als aufweitbares Element nicht stärker als ihr distaler Abschnit gezielt aufweitbar.

Das aufweitbare Element des Ausführungsbeispiels nach Figur 7, die "Längsstreifen" 1204 des axial geschlitzten Endbereichs des Kontrollrohres 1203, wird zwar beim Aufbringen eines Stauchdrucks durch Ziehen am Betätigungsstab 1202 im Längsschnitt etwa glockenkurvenförmig aufgeweitet, wie in der Figur dargestellt, wenn dieses Element frei betätigt wird. Wenn dieses Element jedoch seinem Zweck entsprechend in die spiralförmige Wendel eingeführt ist, welche nur einen geringfügig größeren Innendurchmesser hat, werden sich die "Längsstreifen" 1204 unkontrollierbar, eventuell sogar wellenförmig über ihre Länge verteilt an die Wendel anlegen. Von einem gezielten stärkeren Anlegen an einer gewünschten Stelle kann hier nicht die Rede sein.

Zu den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 1 und 7 ist der Vollständigkeit halber noch zu bemerken, daß der jeweilige Abschnitt der Spirale 206 bzw des Kontrollrohres 1205, welcher der Befestigung am Mandrindraht 200 bzw am Betätigungsstab 1202 dient, nicht dem aufweitbaren Element (urspr. "dehnbarer Abschnitt ...") zugerechnet werden kann, d.h. kein distaler Abschnitt des aufweitbaren Elementes ist, da diese Abschnitte gerade nicht aufweitbar sind.

Die Ausführungsbeispiele nach den ursprünglichen Figuren 6 und 15/16 können schon deshalb nicht zum Nachweis der ursprünglichen Offenbarung der Lehre des eingetragenen Schutzanspruch 1 herangezogen werden, weil sie dessen erstem kennzeichnendem Merkmal nicht genügen: Bei keiner dieser beiden Ausführungsformen ist die Betätigungseinrichtung (weder Kontrollrohr noch Betätigungsstab) am distalen Abschnitt des aufweitbaren Elementes befestigt, abgesehen davon, daß unklar bleibt, wer was umgeben soll.

Bei der Ausführungsform nach Figur 6 kann nur der gesamte Endabschnitt des Kontrollrohres 1101 mit einer Vielzahl von "an der neben seinem freien Ende gebildeten" und über dieses längsverteilten (s die Fig) "radialen Vorsprüngen" 1103 als aufweitbares Element angesehen werden. Für dieses trifft ersichtlich auch die Lehre des zweiten kennzeichnenden Merkmals nicht zu.

Es ist auch nicht ersichtlich und auch nichts dazu vorgetragen worden, wie der Fachmann bei Betrachtung des Ausführungsbeispiels nach den Figuren 15/16 in die Wendel verkipp- und spreizbaren beiden Widerhaken über deren konkrete Funktion hinaus die im zweiten kennzeichnenden Merkmal abstrahierte und allgemeine Lehre hätte erkennen können.

Die in der eingetragenen Fassung des Streit-Gebrauchsmusters verbliebenen und beanspruchten Ausführungsbeispiele nach den eingetragenen Figuren 3 und 4 (ursprünglich 9 und 10) aben die Antragsgegnerinnen zur Begründung der ursprünglichen Offenbarung der Lehre des Schutzanspruchs 1 nicht aufgegriffen. Sie haben lediglich auf Befragen hin behauptet, daß das Ausführungsbeispiel nach Figur 4 der Lehre des Schutzanspruchs 1 genüge.

Aber auch bei diesen beiden Ausführungsbeispielen ist die Lehre des Schutzanspruchs 1 nicht verwirklicht.

Zu beiden Ausführungsbeispielen, insbesondere aber zum ersten - der Ausführung mit einer diagonal geschlitzten Hülse als aufweitbarem Körper -, ist im genannten Beschluß vom 18. Oktober 2000, 5 W (pat) 443/99 Stellung genommen, auf den insoweit verwiesen wird.

Zum Ausführungsbeispiel nach Figur 4 mit einer dehnbaren Einheit 1506 aus verformbarem Material ist nochmals festzustellen, daß hierzu den Unterlagen weder bezüglich des ersten kennzeichnenden Merkmals zu entnehmen ist, daß die Betätigungseinrichtung (Kontrollrohr und/oder Betätigungsstab) am distalen Abschnitt des aufweitbaren Elementes befestigt ist, noch trifft auf diese dehnbare Einheit die Lehre des zweiten kennzeichnenden Merkmals zu.

Der durch das Zusammenwirken des Kontrollrohrs 1502 und der vergrößerten Spitze 1505 des Betätigungsstabes auf die dehnbare Einheit 1506 ausgeübte Stauchdruck breitet sich in dem verformbaren Material allseitig aus. Die axialen Komponenten heben sich beim Aufweiten auf. Übrig bleibt eine über die Länge des Elementes im wesentlichen gleichmäßig verteilte radiale Komponente, mit der sich die dehnbare Einheit an die Windungen der Wendel 211 anpreßt. Auch beim Auftreten einer zusätzlichen Zugkraft zum Entfernen der Wendel verteilt sich die Resultierende aus Zugkraft plus Anpreßkräften mehr oder weniger gleichmäßig auf die ganze Anlagefläche.

2. Eine Streichung der den eingetragenen Schutzanspruch 1 gegenüber der ursprünglichen Offenbarung in unzulässiger Weise erweiternden, insbesondere verändernden Merkmale würde zu einer unzulässigen Erweiterung des eingetragenen Schutzanspruchs führen. Dies würde auch nach einer solchen Streichung in Verbindung mit der Aufnahme von Merkmalen aus den Unteransprüchen und/oder der Beschreibung weiter gelten.

Eine Beseitigung der "unzulässigen Erweiterungen" allein durch Aufnahme von Merkmalen aus Unteransprüchen und/oder der Beschreibung ist nicht möglich, weil die Unzulässigkeit vor allem aus unzulässigen Änderungen resultiert.

Deshalb ist letztlich auch eine Beschränkung auf die im Streit-Gebrauchsmuster verbliebenen konkreten Ausführungsbeispiele nicht möglich, da deren Gegenstände gegenüber dem des eingetragenen Schutzanspruchs 1 jeweils ein Aliud darstellen, also keine unter die Lehre von dessen zweitem kennzeichnenden Merkmal fallende Ausführungsformen darstellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG § 17 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Goebel Haaß

Dr. Kraus Na






BPatG:
Beschluss v. 17.01.2001
Az: 5 W (pat) 401/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/115c6fafd1af/BPatG_Beschluss_vom_17-Januar-2001_Az_5-W-pat-401-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share