Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. September 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 31/15

(BGH: Beschluss v. 24.09.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 31/15)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Kläger sind Rechtsanwälte und gehören einer Sozietät an. Sie haben auf ihrem Briefbogen sechs verschiedene Anschriften angegeben, bei denen nicht klar erkennbar ist, welcher Anwalt sich wo befindet. Die Rechtsanwaltskammer hat daraufhin die Kläger auf diesen Verstoß gegen die Berufsordnung hingewiesen. Die Kläger haben erfolglos gegen diesen Bescheid geklagt. Nun beantragen sie die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Das Gericht lehnt den Antrag ab, da es keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gibt und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Außerdem haben die Kläger nicht nachgewiesen, dass der Anwaltsgerichtshof von der Entscheidung eines gleich- oder höherrangingen Gerichts abgewichen ist. Die Kläger müssen die Kosten des Verfahrens tragen. Die Höhe des Streitwerts wird auf 5.000 Euro festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 24.09.2015, Az: AnwZ (Brfg) 31/15


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. April 2015 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger sind im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sie gehören der Sozietät "S. und Collegen" an, der Kläger zu 1 als Mitglied, der Kläger zu 2 als angestellter Anwalt. Zur Sozietät gehören weitere Rechtsanwälte, die nicht im Bezirk der Beklagten zugelassen sind. Sie beschäftigt außerdem mehrere Anwälte im Angestelltenverhältnis, die überwiegend ebenfalls nicht im Bezirk der Beklagten zugelassen sind. Der Kläger zu 1 hat bei der Beklagten neben seinem Kanzleisitz in deren Bezirk Zweigstellen in F. und M. angegeben, der Kläger zu 2 Zweigstellen in D. , F. , M. , Sa. und H. .

Im Jahre 2014 verwandte die Sozietät "S. und Collegen" einen Briefbogen, der insgesamt sechs Anschriften in sechs Städten (M. , F. , D. , M. , H. , Sa. ) und zehn Anwälte auswies. Vier Anwälte wurden als angestellte Anwälte gekennzeichnet. Welcher Anwalt seinen Kanzleisitz unter welcher Anschrift unterhielt, ließ sich dem Briefkopf nicht entnehmen. Die Beklagte wies die Kläger auf § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA hin und bat um Stellungnahme. Der Kläger zu 2 antwortete, der Briefkopf gebe seine Kanzleianschrift zutreffend wieder. Für die Kanzleianschriften der anderen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sei er nicht verantwortlich.

Unter dem 23. Oktober 2014 erteilte die Beklagte den Klägern einen Hinweis dahingehend, dass der Briefbogen wegen der fehlenden Zuordnung zum Kanzleisitz des jeweiligen Anwalts nicht den Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA entspreche. Die Klage der Kläger gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragen die Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag der Kläger ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg, weil kein Zulassungsgrund besteht (§ 124 Abs. 2 VwGO).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3 m.w.N.). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (BGH, Beschluss vom 24. November 2014 - NotZ (Brfg) 7/14, WM 2015, 898 Rn. 8; vgl. auch BVerfGE 134, 106 = NJW 2013, 3506 Rn. 40).

b) Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs ist richtig.

aa) Nach § 10 Abs. 1 BORA hat der Rechtsanwalt auf Briefbögen seine Kanzleianschrift anzugeben. Werden mehrere Kanzleien, eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten, ist für jeden auf den Briefbögen Genannten seine Kanzleianschrift anzugeben. "Kanzleianschrift" ist die Anschrift der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO, die sich im Bezirk der Rechtsanwaltskammer befindet, deren Mitglied der Rechtsanwalt ist. Diese Anschrift wird in das von der Rechtsanwaltskammer geführte elektronische Verzeichnis der in ihrem Bezirk zugelassenen Rechtsanwälte eingetragen (§ 31 Abs. 3 BRAO).

bb) Die Kläger haben einen Briefbogen verwandt, in dem neben ihrer Kanzleianschrift fünf weitere Anschriften aufgeführt sind. An welcher der insgesamt sechs Anschriften sie ihre Kanzlei unterhalten, ist nicht zu erkennen.

Ebenso wenig ist der Kanzleisitz der übrigen acht Rechtsanwälte zu erkennen, die auf dem Briefbogen genannt werden.

2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht ausreichend dargelegt (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

b) Die Kläger verweisen darauf, dass es bisher keine höchstrichterliche Entscheidung dazu gebe, ob Name und Anschrift des Rechtsanwalts in dessen Briefkopf aufeinander bezogen sein müssen. Ihrer Ansicht nach erfüllt der Rechtsanwalt seine Pflicht aus § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA auch dann, wenn der Kanzleisitz auf den Briefbögen ohne besondere Kennzeichnung unter anderen, nicht den Kanzleisitz betreffenden Anschriften aufgeführt wird, als solcher also nicht zu erkennen ist. Diese Ansicht steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA. Warum angesichts der klaren Fassung der einschlägigen Bestimmung der Berufsordnung eine höchstrichterliche Entscheidung erforderlich sein soll, legen die Kläger nicht dar. Abweichende untergerichtliche Rechtsprechung oder kritische Stellungnahmen in der Fachliteratur gibt es nach dem Inhalt des Zulassungsantrags nicht. Der Senat hat daher davon auszugehen, dass sich die Frage in der Rechtspraxis - vom Fall der Kläger einmal abgesehen - bisher nicht gestellt hat und dass die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA ihrem Wortlaut entsprechend angewandt wird. Verfassungsrechtliche Bedenken, zu denen sich die Begründung des Nichtzulassungsantrags ebenfalls nicht verhält, hat der Senat nicht. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 1 BRAO. Sie dient dem Informationsinteresse der Rechtsuchenden, damit einem wichtigen Belang des Gemeinwohls, welches die - geringfügige - Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts (Art. 12 GG) rechtfertigt.

3. Die Kläger legen schließlich nicht dar, dass der Anwaltsgerichtshof von der Entscheidung eines gleich- oder höherrangigen Gerichts abgewichen ist (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

a) Der die Zulassung der Berufung erfordernde Zulassungsgrund der Divergenz ist hinreichend dargelegt, wenn in der Begründung des Zulassungsantrags ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, der von einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung eines divergenzfähigen Gerichts abweicht (BVerwG, NJW 1997, 3328; BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2015 - 3 B 42/14, juris Rn. 8; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45; vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f.).

b) Den nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlichen Obersatzvergleich haben die Kläger nicht vorgenommen. Das von ihnen angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2012 (I ZR 74/11, WM 2013, 949) behandelt die Frage, ob ein Rechtsanwalt im Briefkopf neben seinem Kanzleisitz sämtliche Standorte nennen muss, an denen er Niederlassungen unterhält. Es hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass die Angabe der Kanzleianschrift gemäß § 31 BRAO ausreicht. Hier geht es um die Frage, ob die Kanzleianschrift angegeben ist, wenn der Briefkopf ohne nähere Erläuterung sechs Anschriften für zehn Rechtsanwälte ausweist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Kayser Roggenbuck Lohmann Martini Kau Vorinstanz:

AGH Koblenz, Entscheidung vom 21.04.2015 - 1 AGH 9/14 -






BGH:
Beschluss v. 24.09.2015
Az: AnwZ (Brfg) 31/15


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/0c076a94e3c3/BGH_Beschluss_vom_24-September-2015_Az_AnwZ-Brfg-31-15




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