Landgericht Köln:
Urteil vom 27. Mai 2005
Aktenzeichen: 81 O 72/04

(LG Köln: Urteil v. 27.05.2005, Az.: 81 O 72/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 27. Mai 2005 (Aktenzeichen 81 O 72/04) die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist die deutsche Vertriebstochter der französischen Firma D2 S.A.S, die Lederwarenartikel und Accessoires unter der Marke M2 anbietet. Die Klägerin behauptet, dass eine Serie faltbarer Taschen der Firma M2 seit 1993 auch in Deutschland mit großem Erfolg verkauft wird. Sie war der Meinung, dass diese Taschen wettbewerbliche Eigenart haben, da sie sich durch den praktischen Faltmechanismus, die Kombination von Nylonmaterial und Leder sowie die besonderen Proportionen auszeichnen. Die Klägerin behauptet außerdem, dass die Taschen einen großen Marktanteil hatten und erfolgreich beworben wurden. Aufgrund dieser Behauptungen hat die Klägerin gegen die Beklagten, die ähnliche Taschen verkaufen, geklagt. Sie verlangte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Die Beklagten weisen die Ansprüche der Klägerin zurück, da sie nicht der Meinung sind, dass die Taschen unlautere Nachahmungen sind und die Klägerin keine Aktivlegitimation hat, solche Ansprüche geltend zu machen. Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da es der Meinung ist, dass die streitgegenständlichen Taschen keine unlauteren Nachahmungen sind und somit keine Ansprüche bestehen. Das Gericht hat ausgeführt, dass die Faltbarkeit der Taschen der Klägerin keine Originalität mehr aufweist und dass es bereits andere Taschen auf dem Markt gibt, die ähnliche Merkmale aufweisen. Deshalb können die prägenden Elemente nicht als Herkunftshinweis dienen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Köln: Urteil v. 27.05.2005, Az: 81 O 72/04


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar in Höhe von 120 % desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.

Gründe

Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung die 100%ige deutsche Vertriebstochter des französischen Unternehmens D2 S.A.S., welches weltweit Lederwarenartikel und Accessoires unter der Marke M2 anbietet. Vorliegend geht es um eine von der Fa. M2 S.A.S. unter dieser Marke hergestellte Serie faltbarer Taschen, die nach Vortrag der Klägerin seit Anfang 1993 auch auf dem bundesdeutschen Markt und hier wie auch sonst mit großem Erfolg vertrieben werden; wegen ihres Aussehen wird auf die vorgelegten Prospekte sowie die Original-Taschen verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Taschen seien von wettbewerblicher Eigenart; sie zeichneten sich aus durch den praktischen Faltmechanismus, der Kombination des Taschenkorpus aus Nylonmaterial und Tragegriffe, "Ohren" und Verschlussklappe aus Leder sowie die besonderen Proportionen der einzelnen Elemente untereinander: auffallend und damit gleichsam Erkennungszeichen der M2-Taschen sei dabei der Kontrast, der aus der Kombination des einfarbigen, ungemusterten Nylonmaterials mit den Tragegriffen und der Verschlussklappe aus Leder folge.

Diese Falttaschen seien der "Renner" im Gesamtsortiment. In den Jahren 2001 bis 2003 hätten sie in der Bundesrepublik Deutschland einen steigenden Anteil von ca. 40% bis auf 54% (entsprechend einem Umsatz von über 900.000,- € bis auf 2,0 Mio. €) und der Werbeetat für M2 – Produkte insgesamt habe in Deutschland in den fraglichen Jahren zwischen knapp 200.000,- € und reichlich 240.000,- € betragen, ohne dass – wegen des immensen Erfolges und der umfänglichen Berichterstattung in der allgemeinen Presse – gesonderte Werbeaufwendungen für die Falttaschen erfolgt seien.

Vor diesem Hintergrund sei die Vielzahl der (versuchten) Nachahmungen, die sie näher darlegt, nur der Beleg für den Erfolg ihrer Serie; sie habe aber – fast immer mit Erfolg – Verbote gegen diese Produkte erwirkt oder aber die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung erreichen können.

Die gemusterte Falttasche, in Bezug auf die eine Unterlassungklage in München abgewiesen worden sei, sei für die hier geltend gemachten Ansprüche unschädlich, weil sie zum einen durch die Musterung einen ausreichend deutlich andersartigen Eindruck erwecke und zum anderen nicht zweifarbig gewesen sei. Gegen hochformatige Taschen, die sie – die Klägerin – unter der Modellbezeichnung ...#1 früher auch angeboten habe, gehe sie nicht vor, weil sie sie seit nunmehr rund 5 Jahren nicht mehr im Sortiment habe.

Auf der Grundlage ihrer eigenen Modelle ...#2, ......3, ......4, ......5 und ......6 (Anlagen K31, K34, K40, K38 und K36) geht sie vorliegend gegen die von der Beklagten zu 2. unter der Marke der Beklagten zu 1. vertriebenen Taschen ......7, ......8 und ......9 vor mit der Begründung, diese stellten mit fast 100%iger Identität Nachahmungen der Falttaschen der Klägerin dar (beispielhaft legt sie als Anlagen K79 und K80 vor zum einen ihre Tasche ......3 und zum anderen die angegriffene Tasche ......7); diese Ähnlichkeiten führten zu vermeidbarer Herkunftstäuschung und schmarotzten auch an dem guten Ruf, den sie sich mit ihren Taschen erworben hätten.

Sie beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr ohne Einverständnis der Klägerin oder deren 100%iger französischer Muttergesellschaft, der Jean D2 SAS, Paris, Taschen gemäß nachfolgender Abbildungen anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen:

- es folgt eine einseitige Bilddarstellung -

der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen und Rechnung zu legen über die oben unter Ziff.1 genannten Verletzungshandlungen ab 1.4.2003 und zwar unter Bekanntgabe der erzielten Umsätze, der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse und der Art und des Umfangs der betrieblichen Werbung sowie Angaben zu machen über gewerbliche Abnehmer oder Auftraggeber. den M GmbH und M2 S.A.S., vertreten durch den Vorstand Herrn D, Frankreich, allen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus Handlungen der oben unter 1. beschriebenen Art bereits entstanden ist oder noch entstehen wird

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie leugnen die Aktivlegitimation der Klägerin, die solche Ansprüche als Händlerin nicht geltend machen könne. Auch sei eine wettbewerbliche Eigenart der Falttaschen der Klägerin nicht gegeben, denn der einzige wirkliche "Pfiff" – die Faltbarkeit – sei ein seit langem bekanntes technisches Merkmal, welches auch in der hier fraglichen Ausgestaltung (mit Überwurf) schon seit 1974 (Fa.X) bekannt sei; dieser Umstand habe seinerzeit auch zur Klageabweisung in München geführt, woraus sich zugleich die fehlende Rechtsbeständigkeit des für M2 eingetragenen Geschmacksmusters ergeben habe. Aus diesem Umstand – Zurückweisung des Geschmacksmusters – resultierten auch grundlegende Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Regeln des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes. Schließlich bestreiten sie die von der Klägerin behaupteten Absatzzahlen.

Es gebe eine Vielzahl von ganz ähnlichen Taschen auf dem Markt in der Bundesrepublik Deutschland, die der Annahme einer wettbewerblichen Eigenart ebenfalls entgegen stehen: aus den von der Klägerin genannten Elementen könne der Verbraucher deshalb keinerlei Rückschlüsse auf die betriebliche Herkunft ziehen und eine Rufausbeutung komme ebenfalls nicht in Betracht. Insbesondere verweist sie insoweit auf die rechtskräftig nicht mehr angreifbare gemusterte Tasche der Fa.Q sowie die Taschen der Firmen U, H und F; hinzu kämen – sie führen dies im Einzelnen näher aus – weitere Taschen wie u.a. die der Firmen D, I, G, N, D und C sowie B.

Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten nicht wie begehrt Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verlangen, weil die streitgegenständlichen Taschen keine unlautere Nachahmungen der Taschen der Klägerin darstellen, §§ 3, 4 Nr.9 UWG.

Im Ausgangspunkt der Erwägungen kann mit der Klägerin davon ausgegangen werden, dass ihre Falttaschen von Hause aus über wettbewerbliche Eigenart verfügen, denn die von ihr aufgeführten Elemente

praktischer Faltmechanismus, Kontrast des Taschenkorpus mit den Applikationen sowohl im Material (einerseits Nylonmaterial, andererseits Leder) als auch in der Farbe (Taschenkorpus ungemustert), die besonderen Proportionen der einzelnen Elemente untereinander, wobei der Taschenkorpus querformatig gehalten ist

sind durchaus als Herkunftshinweis geeignet, weil sie einen praktisch hohen Nutzen (Faltmechanismus) mit einer gewissen Annäherung zum Aussehen einer Damenhandtasche (Querformat) verbinden.

In Einschränkung der vorstehenden Ausführungen ist aber – mit den Beklagten – festzuhalten, dass das am stärksten prägende Element die Faltbarkeit ist, die als solche keinerlei Originalität mehr beanspruchen kann, jedoch auch in den von der Klägerin vorgelegten Presseartikeln als im Vordergrund stehend beschrieben ist. Das bedeutet zwar nicht, dass ihm keinerlei Bedeutung zukommt, denn entgegen den typischen Versuchen einer wegen Nachahmung in Anspruch genommenen Partei dürfen die einzelnen Elemente nicht für sich allein gesehen und (als bekannt und damit zur Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart wertlos) bewertet werden; im Rahmen der Gesamtbetrachtung bleibt auch die Faltbarkeit von Belang.

Die Einschränkung bleibt aber wesentlich, um den Anteil des Merkmals "Faltbarkeit" innerhalb der Gesamtwirkung auf den ihm zukommenden geringen Wert zurück zu führen, denn es gibt in der Tat – insoweit sind die Umstände unstreitig – eine Reihe von Taschen, die ebenfalls faltbar sind und darüber hinaus mit Überwürfen in anderer Farbe und aus kontrastierendem Material versehen sind. Hierzu zählen neben den von der Klägerin gar nicht erst als störend empfundenen hochformatigen Taschen die gemusterten Taschen der Fa.Q, die die Klägerin – zu recht – bei Einleitung des Münchner Verfahrens als immerhin problematisch empfunden hat: darin sind alle von ihr für sich in Anspruch genommenen Merkmale verwirklicht, die auch die oben beschriebene Anmutung einer Damenhandtasche vermitteln. Der einzige Unterschied – die Bemusterung – wird im Verkehr als Variante betrachtet, die den Gesamteindruck als solchen nicht verändert, wenn einem solchen Verständnis nicht besondere Hinweise entgegen stehen. Solche Hinweise können in erster Linie über die Werbung erfolgen, die aber – dies hat die Klägerin ausdrücklich selbst erklärt – für die Falttaschen als solche nicht oder nur in geringfügigem Umfang erfolgt ist und die deshalb den Umstand, dass der Taschenkorpus unifarbig ist, nicht hat bekannt machen können. Die Beklagten haben vorgetragen, dass die Q-Taschen ohne weiteres erhältlich sind, und die Klägerin hat dem nicht widersprochen; einen möglicherweise mangelnden Erfolg hat die Klägerin zwar behauptet, dies aber nicht näher erläutert; die Fa.Q ist dem Gericht aus einem anderen Fall behaupteter Taschennachahmung bekannt und von daher erscheint es eher unwahrscheinlich, dass sie ein Taschenmodell nunmehr seit knapp 10 Jahren im Sortiment belässt, welches sich nicht verkauft.

Des weiteren ist auch die von der Klägerin behauptete Beschränkung der Taschenformen auf das Querformat durchaus geeignet, prägend im Gesamtbild einer Tasche auf eine bestimmte Herkunft hinzuweisen. Auch hier wird der Verkehr aber in erster Linie lediglich eine Variante annehmen, wenn ihm dies nicht in besonderer Weise als Herkunftshinweis nahe gebracht wird; wie bei einem Muster ist es nämlich durchaus allgemein üblich, erfolgreiche Produkte zu verändern und für weitere Nutzungsmöglichkeiten bereit zu halten. Auch hier fehlt an einer geeigneten Werbung, die dem Verbraucher die Besonderheit mitgeteilt hätte. Hinzu kommt noch, dass die Klägerin selbst bis vor nur fünf Jahren, also die Hälfte der Zeit der gesamten Marktpräsenz der faltbaren Taschen der Klägerin, noch hochformatige Taschen im Sortiment gehabt hat: als Hinweis auf die Herkunft von der Klägerin kann die (Quer-)Form damit keinesfalls dienen, wenn Dritte unbeanstandet die Variante "Hochformat" anbieten.

Weiter hinzu kommt vorliegend noch, dass ausweislich der Anlagen K34, K36 und K38 drei der Taschenmodelle, aus denen die Klägerin vorgeht, exakt (2 Modelle, nämlich ......4 und ......5) oder fast (Modell Nr.......3) quadratisch sind und das einzige der angegriffenen Modell, welches ebenfalls annähernd quadratisch ist (Nr. ......8) in der Proportion eher länglich ausfällt (anders als ......3).

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass es im übrigen – insbesondere bezüglich der von der Klägerin noch eingereichten Anlage K79 und K80 – erhebliche Ähnlichkeiten zwischen den Taschen der Klägerin und den angegriffenen Modellen gibt: maßgeblich ist, dass die prägenden Elemente auf Grund der Besonderheiten der konkreten Fallgestaltung auch in ihrer Gesamtheit tatsächlich nicht geeignet sind, den Verbraucher auf eine bestimmte Herkunft hinzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: € 400.000,-.






LG Köln:
Urteil v. 27.05.2005
Az: 81 O 72/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/0a44063c17fc/LG-Koeln_Urteil_vom_27-Mai-2005_Az_81-O-72-04




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